Mit seiner Sport-Trilogie („Heimspiel", „Höllentour", „Am Limit") feierte der deutsche Dokumentarfilmer Pepe Danquart große Erfolge. Für „Joschka und Herr Fischer" kehrt er nun zu seinen Anfängen zurück, an denen er politisches Entertainment inszenierte. Sein Porträt des bis heute beliebten Politikers Joschka Fischer, das zugleich auch ein Porträt der Bundesrepublik Deutschland ist, montiert die Aussagen des Protagonisten zu teilweise noch ungezeigten Archivaufnahmen. Dass Danquart kritische Untertöne missen und einzig Fischer selbst aus seinem Leben erzählen lässt, macht seinen in jedem Fall unterhaltsamen Film kontrovers diskutierbar – politisch engagierte Betrachter dürften sich wahlweise bestätigt oder angegriffen vorkommen. Davon abgesehen – und freilich für Betrachter ohne Parteiausweis – bietet „Joschka und Herr Fischer" eine kurzweilige, informative Geschichtsstunde, die keinem Oberstufen-Lehrplan noch Wesentliches hinzufügen wird, aber durch geschickt ausgewähltes und montiertes Archivmaterial gefällt.
Joschka Fischer wurde 1948 ins Nachkriegsdeutschland geboren, partizipierte an der Studentenbewegung und trat politisch militant auf, bevor er Ministerpräsident, Staatsminister für Umwelt und Energie und schließlich Außenminister und Vizekanzler der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder wurde. Pepe Danquart stellt den Ex-Politiker, der heute als Lobbyist unter anderem für den Energieriesen RWE tätig ist, für seinen Film in eine Installation, auf der Schlüsselereignisse der bundesdeutschen Geschichte und Fischers Laufbahn in Loops auf Bildschirmen laufen. Fischer schreitet die Stationen ab und kommentiert die Szenen aus seiner Sicht, während Danquart aus etlichen Archiven zusammengesuchtes Material einstreut.
Nicht unwesentlich lebt „Joschka und Herr Fischer" vom Charisma und der Redegewandtheit seines Protagonisten, der bisweilen auch selbstkritische Töne anschlägt und im Grunde nichts anderes als eine lange Rede von 140 Minuten über sich selbst und Deutschland hält. Auf einen Off-Kommentar verzichtet Danquart und fügt stattdessen zehn Exkurse ein, in denen prominente Zeitzeugen wie die Schauspielerin Katharina Thalbach („Die Blechtrommel") oder die Band Fehlfarben ihre Sicht auf die politischen Brüche Deutschlands kundtun – ohne dabei auf Fischer einzugehen; es handelt sich also um Exkurse im Wortsinn. Als politische Umbruchsituationen verortet Pepe Danquart die üblichen Klassiker der Geschichtswissenschaft: das Wirtschaftswunder, die 1968er samt folgender Anti-Atombewegung, der Mauerfall.
Auch die Geschichte der Grünen mit ihrer inneren Spaltung in Fundis und Realos findet freilich Platz. Erst in den Siebzigern macht der Sponti „Joschka" dem Machtpolitiker „Herr Fischer" sukzessive Platz, bis der Film schließlich näher auf die politische Karriere Fischers eingeht. Interessant ist hier vor allem die Sichtweise Fischers auf heikle politische Situationen und Entscheidungen wie die Visa-Affäre oder den Bundeswehreinsatz im Kosovo-Krieg, der für den grünen Außenminister zur Zerreißprobe wurde. Vor allem die Kosovo-Debatte ordnet Fischer mit dem nötigen Abstand als Schlüsselereignis ein.
Pepe Danquart inszeniert das sehr gradlinig. So folgt er der Chronologie der Ereignisse und schneidet zwischen Fischers „Rede", den Exkursen und den Archivbildern hin und her. Vor allem das Archivmaterial verdient eine besondere Erwähnung, denn Danquart hat durchweg interessante, teils „bislang ungesehene" Bilder gefunden, die er handwerklich routiniert zu Musik und den Aussagen seines Protagonisten als Tour durch eine Historiengalerie inszeniert. Damit – und dank Fischers Humor – avanciert „Joschka und Herr Fischer" zu einem überaus unterhaltsamen Doku-Porträt, bei dem ein Vergleich zum drögen Dokutainment eines Guido Knopp nicht aus der Luft gegriffen, wohl aber unfair erscheint.
Joschka Fischer, der den Bundestag mit Turnschuhen aufmischte, ist sicher einer der bedeutsamsten Protagonisten der bundesdeutschen Politik. Dass Pepe Danquart den „Mythos Fischer" unangekratzt lässt und ihm eine Plattform zur Selbstdarstellung liefert, erscheint als streitbarer Makel des Films. Dennoch funktioniert das dreifache Porträt – Joschka, Herr Fischer, Bundesrepublik Deutschland – als faszinierender Einblick in Fischers Denken und als Schau der deutschen Geschichte ab 1945. Letztlich profitiert der Film vor allem von Fischers eindrucksvoller Präsenz und – „das darf man nicht vergessen", würde Fischer sagen – von seiner starken Rhetorik.