Die 1987 verstorbene französisch-italienische Sängerin Dalida war mit mehr als 150 Millionen verkauften Schallplatten nicht nur ein weltweiter Superstar der 50er bis 80 Jahre (sie sang ihre Hits regelmäßig in fünf verschiedenen Sprachen), sondern hatte auch ein außergewöhnlich bewegtes Leben. Da ist es fast ein bisschen verwunderlich, dass erst 2005 der erste biografische Spielfilm über die vielseitige Künstlerin mit dem charakteristischen rollenden „R“ entstand (der TV-Zweiteiler „Dalida“). Weitere zwölf Jahre später versucht sich Regisseurin Lisa Azuelos („LOL“) nun an einem üppig produzierten Kino-Biopic und schlägt einen ganz großen Bogen von der Kindheit des augenkranken Mädchens in Ägypten bis zum Selbstmord der weltberühmten Sängerin in ihrem Haus in Paris. Dabei geht die Filmemacherin allerdings nicht chronologisch vor, sondern beginnt ihre Erzählung an einem dramatischen Wendepunkt im Leben des Stars, von dem aus sie zwischen diversen weiteren Schicksalsschläge sowie erklärenden Rückblenden und Psychiater-Gesprächen hin und her springt. Die 127 Minuten des Biopics „Dalida“ sind geradezu vollgestopft mit Krisen, Zweifeln und Todesfällen, allerdings werden diese vielfach in einem solchen Expresstempo abgehandelt, dass sich Emotionen fast nur über die in den Dalida-Originalversionen erklingenden Songs einstellen. So ist der Film so etwas wie eine Luxusseifenoper im Zeitraffer, die fast nur durch die Musik etwas von dem Drama eines innerlich zerrissenen Menschen spüren und ahnen lässt.
Paris, 26. Februar 1967: Die Sängerin Dalida (Sveva Alviti) hat ihrer Familie gesagt, dass sie alleine nach Italien zurückfliegen will. Stattdessen mietet sie sich allerdings unter ihrem Geburtsnamen Iolanda Gigliotti in einem Hotel in der französischen Hauptstadt ein und versucht sich mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Sie war zuvor schon einmal im selben Zimmer zu Gast – mit ihrem Geliebten und Sängerkollegen Luigi Tenco (Alessandro Borghi), der inzwischen Selbstmord begangen hat. Dalida liegt nach ihrer Tat fünf Tage im Koma und überlebt nur knapp. Einige Monate später kehrt sie auf die Bühne zurück und wenig später scheint sie endlich auch ihr privates Glück zu finden, als sie den 22-jährigen Studenten Lucio (Brenno Placido) kennenlernt. Doch dann erfährt Dalida, dass sie schwanger ist: Sie glaubt, ihrem zwölf Jahre jüngeren Geliebten diese Last nicht zumuten zu dürfen und denkt über eine heimliche Abtreibung nach…
Sowohl Regisseurin Lisa Azuelos (selbst Tochter einer berühmten Sängerin: Marie Laforêt) als auch Hauptdarstellerin Sveva Alviti betonen in Interviews, wie verbunden und nahe sie sich Dalida bei der Arbeit an dem Film gefühlt haben. Das ist zwar durchaus zu spüren, insbesondere Alvitis Playbackdarbietungen von Dalidas breitgestreutem Repertoire – vom klassischen Schlager, über Pop- und Discomusik bis zum bekenntnishaften Chanson – schmiegen sich ausdrucksmäßig überaus überzeugend an das Original an. Doch sie fügen ihm letztlich kaum etwas Eigenes hinzu und das gilt auch für den Film als Ganzes. In dem Bemühen, der Titelheldin treu zu bleiben, verkneift sich Azuelos jedes stärkere Abschweifen von den verbürgten Fakten, selbst die zwangsläufig erfundenen Dialoge bleiben meist rein zweckmäßig und illustrativ. Sowieso ist der Film so mit Ereignissen vollgestopft, dass Gedanken, Gefühle und Motivationen kaum vertieft werden können. Da muss dann die knapp skizzierte schwierige Beziehung zum Vater als psychologische Erklärung für alle späteren Schwierigkeiten der Sängerin mit Männern ausreichen. Während Mathieu Amalric aus seinem Sängerinnen-Biopic „Barbara“ zuletzt ein zutiefst persönlich gefärbtes essayistisches Porträt gemacht hat, entscheidet sich Azuelos für ein filmisches Malen-nach-Zahlen – allerdings in besonders schönen Farben.
Die geschmackvolle Ausstattung mit reichlich Zeitkolorit und Pariser Chic, die eleganten Montagesequenzen und nicht zuletzt der stets glamouröse Look der Protagonistin machen „Dalida“ zu einem sinnlichen Vergnügen. Doch mit zunehmender Dauer kann der äußere Glanz immer weniger über die innere Leere des Films hinwegtäuschen. Eine Ehe ohne Liebe, eine Liebe ohne Ehe (und damit in den 1960er Jahren ohne Zukunft), Neid, Verzweiflung, Spielsucht, Selbstzweifel – all das wird ohne große Leidenschaft serviert und geht einem nicht allzu nahe. Und trotzdem steckt in „Dalida“ jede Menge poetischer Überschuss und dramatische Expressivität - und zwar durch die Lieder der Titelheldin, denen Azuelos angenehm viel Raum gibt. Wenn „Il venait d’avoir 18 ans“ (in Deutschland ein Hit als „Er war gerade 18 Jahr“) über Dalidas Beziehung zu einem wesentlich jüngeren Mann erklingt oder sie ihre herzzerreißende Coverversion von Serge Lamas „Je suis malade“ („Ich bin krank“) mehr durchleidet als singt, dann ist tatsächlich etwas zu ahnen von dem inneren Wesen einer ebenso komplizierten wie faszinierenden Frau.
Fazit: Im Biopic „Dalida“ wird das Leben der Sängerin zur Seifenoper – aber zumindest ihre Kunst erstrahlt deshalb nur umso heller.