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    Sharayet - Eine Liebe in Teheran
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sharayet - Eine Liebe in Teheran
    Von Jonas Reinartz

    „Der Westen sagt, dass die Ehe von Homosexuellen laut Menschenrechtscharta frei und erlaubt sein soll, aber wir sehen darin Sittenlosigkeit und sexuelle Krankheit", erklärt Mohammad-Dschawad Laridschani, Leiter der iranischen Menschenrechtskommission. Im Iran drohen einer lesbischen Frau bei der Aufdeckung ihrer sexuellen Aktivität dementsprechend 100 Peitschenhiebe. Falls sie drei weitere Male auffällig wird, „so ist die hadd-Strafe beim vierten Mal die Todesstrafe", wie Artikel 131 des dortigen Strafgesetzes zu entnehmen ist. Daher verwundert es nicht im Geringsten, dass „Sharayet", das Spielfilmdebüt der iranischstämmigen Amerikanerin Maryam Keshavarz über junge zwei Lesben in Teheran, dort umgehend verboten wurde und die Regisseurin das Land nicht mehr betreten darf. Skandalös ist der filmischer Stein des Anstoßes aus hiesiger Sicht eher weniger, stattdessen ist Keshavarz ein solides Drama über eine zum Scheitern verurteilte Liebe gelungen.

    In Teheran wächst die 16-jährige Atafeh (Nikohl Boosheri) wohlbehütet in einer fortschrittlichen und westlich orientierten Familie auf. Ihr bisweilen strenger, aber fürsorglicher Vater Firouz (Soheil Parsa) hat in den USA studiert und liebt klassische europäische Musik. Dies galt einst auch für Atafehs zerbrechlichen Bruder Mehran (Reza Sixo Safai), der gerade von einer Entziehungskur zurückgekehrt ist; nun sucht er den Weg zurück in ein normales Leben. Zusammen mit ihrer besten Freundin, der Waise Shireen (Sarah Kazemy), wagt seine Schwester indes Ausflüge in die Welt illegaler Partys. Zunehmend kommen sich die beiden jungen Mädchen näher und offenbaren sich ihre Gefühle füreinander. Mehran gerät auf der Suche nach einer Lösung seiner Probleme in religiös-fundamentalistische Kreise. Bald erhält er eine Anstellung bei der Sittenpolizei...

    Der größte Pluspunkt von „Sharayet" dürfte sicherlich seine Authentizität sein, zumindest ist dies der Eindruck, der sich dem westlichen Zuschauer bietet. Kenner mögen sich daran stören, dass Beirut Teheran doubelt und die Schauspieler – allesamt außerhalb Irans aufgewachsen – sich den aktuellen Stand der persischen Sprache eigens mühsam aneignen mussten. Gerade den in der verbotenen Undergroundkultur spielenden Szenen merkt man jedoch an, dass Keshavarz, die früher regelmäßig den Sommer in der Heimat ihrer Eltern verbrachte, hier eigene Erfahrungen mitreißend verarbeitet. Obwohl die iranischen Zustände sicherlich immens viel Angriffsfläche bieten und der Film auch an Gesellschaftskritik nicht spart, wird an keiner Stelle auf schematische Propaganda gesetzt. Und so erweisen sich gerade die beiläufigen Momente als besonders eindrucksvoll. So etwa eine kurze Äußerung des Vaters während eines Famlienausfluges: Er macht sich auf, mit Mehran im Meer schwimmen zu gehen und merkt trocken an, er hoffe, dass dies den Frauen auch bald möglich sei.

    Ebenso überzeugend wie diese erzählerische Ökonomie sind die schauspielerischen Darbietungen, die sich ebenfalls durch wohltuende Zurückhaltung auszeichnen. Dass die Liebesgeschichte ein wenig blass bleibt, ist nicht den Newcomerinnen Boosheri und Safai anzulasten. Die gleichgeschlechtliche Beziehung zwischen ihren Figuren dient hier nämlich in erster Linie der symbolischen Veranschaulichung der bitteren Konsequenzen von Intoleranz und Unterdrückung. So wirken die Schilderungen des Homosexuellen-Milieus oft etwas redundant. Und auch wenn auf der anderen Seite das Bedürfnis Mehrans nach einem sinnvollen Lebensinhalt seine Verführbarkeit durch Ultrareligiöse durchaus plausibel erscheinen lässt, geht seine Wandlung zum die eigene Familie bespitzelnden Fundamentalisten doch zu rasch vonstatten. Keshavarz vermeidet zwar stilsicher jede aufgesetzte Melodramatik, aber durch die dramaturgischen Mängel liegt zuweilen das erzählerische Kalkül hinter dem Familienkonflikt offen.

    Fazit: „Sharayet" bezieht seine Wirkung vor allem durch seine authentisch wirkenden Einblicke in eine eher unbekannte Seite des Iran. Obgleich die Handlung eher schematisch verläuft, sorgen die auch technisch souveräne Regie und ein konzentriert aufspielendes Ensemble für gelungenes Arthouse-Kino.

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