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    Bad o meh - Wind und Nebel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bad o meh - Wind und Nebel
    Von Asokan Nirmalarajah

    Die Berlinale 2011 stand ganz im Zeichen des iranischen Films. Erst stellte die internationale Jury von Filmschaffenden demonstrativ einen leeren Stuhl auf die Bühne, auf dem groß und deutlich der Name des einzigen fehlenden Jurymitglieds zu lesen war: Jafar Panahi. Der regimekritische iranische Regisseur konnte aufgrund einer Gefängnisstrafe samt Berufs- und Ausreiseverbot nicht wie vorgesehen teilnehmen. Am Ende des Festivals prämierte die Jury dann Panahis Landsmann Asghar Farhadi für sein gefeiertes Familiendrama „Nader und Simin - Eine Trennung" mit dem Hauptpreis des Festivals und zwei weiteren Auszeichnungen für die Darsteller. Auch abseits des Wettbewerbs um den Goldenen Bären begeisterte das iranische Kino in Berlin: Der Autorenfilmer Mohammad-Ali Talebi erhielt für seine dritte Festivalteilnahme im Kinderprogramm völlig zurecht den Sonderpreis „Cinema fairbindet". Ausgezeichnet wurde er für den feinfühlig erzählten, poetisch bebilderten und emotional eindringlichen Kinderfilm „Bad o meh – Wind und Nebel" über die verheerenden Auswirkungen des Krieges zwischen dem Iran und dem Irak auf die jüngste Generation einer kleinen Bauernfamilie.

    Iran in den 1980er Jahren, zur Zeit des Iran-Irak-Konflikts: Der kleine Sahand (Payam Eris) hat es nicht leicht. Nach dem Tod seiner Mutter durch eine Bombe, die auf das Haus der Familie fiel, bringt der von der neuen Verantwortung überforderte Vater (Arasto Safinejad) den traumatisierten Siebenjährigen und seine zwölfjährige Schwester Shooka (Masume Shakori) zurück in ihr Heimatdorf. Sie sollen sich bei ihrem gutmütigen Großvater (Asadolah Asadnia) von den Schrecken des Krieges erholen. Die frische Bergluft und die Ruhe der umliegenden Wälder des Nordens wirken sich heilsam auf die kleinen Kinderseelen aus, die bisher durch die Arbeit des Vaters auf einem Ölfeld den heißen, sandigen Süden Irans gewohnt waren. Doch der nach dem Verlust der Mutter verstummte Sahand wird von seinen neuen Mitschülern schikaniert und flüchtet sich trotz der Bemühungen seiner besorgten Schwester immer mehr in eine mysteriöse Naturwelt – auf der Suche nach seiner Mutter.

    Das Anliegen Mohammad Ali Talebis, der schon seit einiger Zeit mit einfühlsamen Kinder- und Jugendfilmen, in denen er komplexe Themen zielgruppengerecht aufbereitet, internationale Filmfestivals bereichert, ist mehr als deutlich: Indem er seine Geschichte aus der Perspektive der Kinder erzählt, erreicht er die Identifikation mit den oft am wenigsten beachteten Opfern eines Krieges und konfrontiert uns mit den nachhaltigen Folgen eines militärischen Konflikts. Auch die bisweilen holzschnittartige Erzählstruktur des Films schmälert dabei keineswegs die emotionale Kraft der Geschichte, vielmehr bekommt seine ohne jede Ambivalenz oder Relativierung vertretene humanistische Botschaft besondere Prägnanz und Klarheit. Mit seiner Bearbeitung von Mojgan Shakhis Kinderroman „Summer and White Goose" schuf Talebi aber nicht nur einen Antikriegsfilm, sondern auch ein psychologisches Drama, in dessen Zentrum das emotional aufgewühlte Innenleben eines traumatisierten Kindes steht.

    Schwierige Themenfelder wie Krieg, Tod, geistige Behinderung und Außenseitertum behandelt Talebi einfühlsam und driftet nie in naheliegende Melodramatik ab. Stattdessen setzt er auf klar verständliche Symbole und ein gemäßigtes Erzähltempo für seine am Ende auch hoffnungsvolle Geschichte über die Überwindung eines Traumas auf einer transzendentalen Ebene. Große Wirkung entfalten dabei auch die poetischen und stimmungsvollen Naturbilder des Kameramanns Ali Mohammad Ghasemi. Da sieht man auch gerne großzügig über die mitunter etwas ungelenken schauspielerischen Leistungen der aus Laiendarstellern bestehenden Besetzung hinweg, und so ist eine amateurhaft computeranimierte weiße Ente als Sinnbild für die Mutter der einzige kleine Schönheitsfehler in dem berauschend bebilderten Trip zurück zur mal liebevollen, mal bedrohlichen Mutter Natur.

    Fazit: Über 74 ruhige, atmosphärisch dichte Minuten entwickelt Mohammad Ali Talebi das bewegende psychologische Drama eines traumatisierten Knaben im Iran, der lernen muss, sich von der Trauer um ein geliebtes Familienmitglied loszusagen. Es ist eine einfache, aber gefühlvoll inszenierte Geschichte mit eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen einer für westliche Augen fremden Region.

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