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    Dritte Person
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Dritte Person
    Von Asokan Nirmalarajah

    Was ist eigentlich aus… Paul Haggis geworden? Vor rund einem Jahrzehnt avancierte der kanadische Filmemacher als geistiger Vater von zwei aufeinanderfolgenden Oscar-Gewinnern zu einem der gefragtesten Köpfe Hollywoods. In seiner Rolle als Autor-Produzent des melancholischen Boxerdramas „Million Dollar Baby“ von Clint Eastwood und als Autor, Produzent und Regisseur der sozialkritischen Rassismusstudie „L.A. Crash“ legte der frühere TV-Macher einen so fulminanten wie vielversprechenden Kino-Doppelschlag hin. Damit hat Haggis die Messlatte für seine weitere Karriere sehr hoch gelegt und man kann durchaus sagen, dass er an diese Erfolge trotz einer weiteren Oscar-Nominierung für „Letters From Iwo Jima“ und trotz seiner Beteiligung am Drehbuch der James-Bond-Filme „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“ seither nicht wirklich anknüpfen konnte. Aber die geradezu feindselige Reaktion einiger US-Kritiker auf sein jüngstes Werk „Dritte Person“ ist deutlich übertrieben. Das Ensembledrama rund um das Thema Liebe erweist sich als zwar überkonstruiertes, aber von einer namhaften Besetzung gut gespieltes und durchaus komplexes Mystery-Drama.

    Es gibt in „Dritte Person“ drei auf dem ersten Blick voneinander unabhängige Erzählstränge, die in drei unterschiedlichen Weltmetropolen angesiedelt sind. In Paris sitzt der Bestseller-Autor Michael (Liam Neeson), der sich kürzlich von seiner Frau Elaine (Kim Basinger) getrennt hat, in seinem Luxus-Apartment an seinem jüngsten Werk und wird von seiner literarisch ambitionierten, lebens- und liebeshungrigen Geliebten Anna (Olivia Wilde) gestört. Als Michael ihr von der Trennung erzählt und ihre Beziehung vertiefen will, reagiert die junge Frau destruktiv. In Rom kreuzen sich die Wege des egoistischen amerikanischen Geschäftsmanns Sean (Adrien Brody) und der spröden Roma Monika (Moran Atias), die verzweifelt versucht, ihre Tochter von einem brutalen Zuhälter freizukaufen. Sean erklärt sich bereit, der mysteriösen Schönen zu helfen und gerät in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Betrug. In New York kämpft die arme Hotelputzfrau Julia (Mila Kunis) mit ihrem Ex-Mann, dem reichen Star-Maler Rick (James Franco), um das Sorgerecht für ihren Sohn, dessen Leben die psychisch instabile Frau angeblich bedroht haben soll.

    Seinem umstrittenen Oscar-Triumph mit „L.A. Crash“ (der bekanntermaßen als „Bester Film“ den Vorzug vor dem vielfach favorisierten Schwulen-Drama „Brokeback Mountain“ erhielt), ließ der Regisseur Paul Haggis mit „Im Tal von Elah“ (2007) und „72 Stunden - The Next Three Days“ (2010) zwei solide, schnörkellose Beispiele für starbesetztes Schauspielerkino folgen. Nun kehrt er mit „Dritte Person“ zum thematisch ambitionierten Ensemblefilm (von einigen US-Autoren auch Hyperlink Cinema genannt) à la „Crash“ zurück. Und man muss sagen, dass „Dritte Person“ tatsächlich weder die emotionale Wucht noch die erzählerische Selbstsicherheit des oscargekrönten Vorgängers besitzt und in seinem künstlerischen und kommerziellen Erfolg weit hinter diesen zurückfällt. Auch hier werden verschiedene Stories auf ambitionierte Weise miteinander verknüpft, erneut sind alle persönlichen Dramen auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verbunden und laufen aufeinander zu - doch eine solche Erzählweise wirkt eben auch schnell prätentiös und gewollt.

    Zu konstruiert kommen die für sich genommen wenig fesselnden einzelnen Geschichten daher, die Figurenzeichnung ist längst nicht immer glaubwürdig und die Inszenierung zuweilen arg melodramatisch. Doch trotz dieser unübersehbaren Schwächen haben wir es hier nicht nur mit Paul Haggis‘ sicherlich persönlichstem Film zu tun, sondern auch mit einem konzeptionell hochinteressanten Werk. Gerade in der Figur des Schriftstellers Michael, der im Handlungsverlauf eine zunehmend zentrale Rolle einnimmt und der so viele Brücken zwischen Realität und Fiktion schlägt, dass er die Übersicht und letztlich sich selbst verliert, lässt sich so etwas wie ein selbstkritisches Eigenporträt von Paul Haggis erkennen. Neben dieser reizvollen selbstreflexiven Akzentsetzung gelingt es dem Filmemacher, aus seinen hochkarätigen Schauspielern durchweg kraftvolle, oft mutige Darbietungen zu kitzeln (besonders Olivia Wilde als instabiles Partygirl sticht heraus), und zeigt erneut, dass er sich besonders gut auf ruhige, nachdenkliche Momente versteht.

    Fazit: Überlanges und erzählerisch nicht rundum gelungenes Mystery-Drama um die verwischenden Grenzen zwischen Fakt und Fiktion mit guten Schauspielerleistungen und ansprechenden Dialogen.

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