Bei Filmstars gibt es das Phänomen der (oft unfreiwilligen) Festlegung auf ein bestimmtes Rollenfach. So haben es etwa patentierte Ulknudeln wie Adam Sandler („Die Liebe in mir“) immer wieder schwer bei Kritik und Publikum, wenn sie sich zur Abwechslung an ernsten Dramen versuchen. Das Image ist in Hollywood mehr noch als anderswo eine Währung und wer hoch im Kurs steht, der tut gut daran, es zu pflegen. Umgekehrt kann das aber auch zur Karrierefalle werden, aus der es kaum ein Entkommen gibt. So erging es dem Regisseur M. Night Shyamalan, der nach seinem Sensationserfolg mit „The Sixth Sense“ einst als Wunderkind und „neuer Spielberg“ gefeiert wurde und später einen nahezu beispiellosen stetigen Abstieg erlebte. Mittlerweile ist sein Ruf so ramponiert, dass Shyamalans Name auf den Postern zum Science-Fiction-Drama „After Earth“ vorsichtshalber höchstens im Kleingedruckten auftaucht. Stattdessen sollen die ihrerseits nicht unumstrittenen Hauptdarsteller Will und Jaden Smith für einen Kassenerfolg sorgen. Nach dem enttäuschenden Einspielergebnis am US-Startwochenende und vielen vernichtenden Kritiken ist diese Mission zumindest ernsthaft gefährdet, doch in Abwandlung der Fußballweisheit gilt am Ende sowieso: „Entscheidend ist auf der Leinwand“. Und da erweist sich „After Earth“ als beachtliches Zwei-Personen-Drama in beeindruckender Zukunfts- und Naturkulisse.
Mehr als 1000 Jahre in der Zukunft: Die Menschheit musste die durch Umweltzerstörung unbewohnbar gewordene Erde bereits vor einem Millennium verlassen und hat auf dem Planeten Nova Prime ein neues Zuhause gefunden. Dort wird sie von einer Ranger-Elitetruppe vor den Ursas beschützt. Diese überaus gefährlichen Kreaturen können die Angst der Menschen wittern und nur ein absolut furchtloser Kämpfer kann die Konfrontation mit den blinden Biestern überleben. Der erste dieser legendären Krieger ohne Angst war der General Cypher Raige (Will Smith), der seinen jugendlichen Sohn Kitai (Jaden Smith) mit auf eine Trainingsexpedition nimmt, um das schlechte Verhältnis zwischen ihnen zu verbessern. Ihr Raumschiff mit einem gefangenen Ursa an Bord gerät allerdings in einen Asteroidensturm und stürzt ausgerechnet auf der Erde ab - Vater und Sohn Raige sind die einzigen Überlebenden des Crashs. Cypher muss mit gebrochenen Beinen an Bord zurückbleiben und kann Kitai nur per Funk auf seinem gefährlichen Weg über den unwirtlichen Planeten zum Heck des zerbrochenen Wracks zur Seite stehen. Von dort soll der Teenager ein Notfallsignal in die Heimat senden. Als die Sauerstoffvorräte knapp werden und der entkommene Ursa die Fährte des Jungen aufnimmt, scheint die gefährliche Mission zum Scheitern verurteilt…
Um es gleich zu sagen: „After Earth“ ist kein typischer Sommer-Blockbuster. Wer hier ein krachendes Effektspektakel erwartet, der wird ebenso enttäuscht wie die Freunde hochtechnisierter Science-Fiction-Visionen. Zwar gibt es einige packende Action-Szenen (vor allem Kitais halsbrecherischer Sprung von einem Felsen und seine anschließende Verfolgung durch einen überdimensionalen Raubvogel sorgen für einen echten Adrenalin-Schub), aber das Erzähltempo ist insgesamt vergleichsweise gemächlich und auch die (durchaus vorhandenen) Schauwerte werden nicht gerade betont. Nur für wenige Minuten präsentiert uns M. Night Shyamalan das reizvolle futuristische Honigwaben-Design von Nova Prime, während die zu feindseliger Unwirtlichkeit mutierte Erde mit ihren wuchernden Regenwäldern, den wuchtigen Wasserfällen und den kargen Vulkanen für einen Science-Fiction-Film fast zu vertraut wirkt – nur die nächtlichen Temperaturstürze, die veränderte Atmosphäre (damit Menschen atmen können, muss mit Sauerstoffampullen nachgeholfen werden) und die urzeitlich anmutende Fauna sorgen für erzählerisch fruchtbare Irritationen: Diese Horror-Vision einer Umwelt-Apokalypse hat etwas beklemmend Plausibles an sich.
Mit der visuellen Wirkungsmacht von James Camerons Öko-Fabel „Avatar“ kann „After Earth“ nicht mithalten, doch die allermeisten der durch den Computer gejagten Naturaufnahmen sind auch hier detailreich und lebensecht. Das riesenhafte Ursa-Monster wiederum mag, gerade was die Bewegungsabläufe angeht, nicht mit allerletzter Perfektion animiert sein - furchteinflößend ist es allemal. Und mit der Furcht sind wir dann beim eigentlichen Kern des Films, der weit weniger ein ausladendes Science-Fiction-Epos als eine intime Heldenreise ist – die Fabel von einem Jungen, der auszog, die Angst zu überwinden und sich selbst zu finden. Im Mittelpunkt steht entsprechend ganz eindeutig Jaden Smith („Karate Kid“), der im Abspann auch als erster vor seinem berühmten Vater genannt wird. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft steht im Raum, aber es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob Jaden eine solche Rolle auch ohne seinen Namen bekommen hätte (sicher nicht, zumal sie vom Daddy, der zu „After Earth“ höchstpersönlich die Story beigetragen hat, extra für ihn erfunden wurde). Fest steht indes, dass gerade die Vater-Sohn-Dynamik des Films, die von einem familiären Trauma zusätzlich belastet wird, von der lebensnahen Besetzung profitiert.
Jaden Smiths Leistung lässt sich gut mit dem Wort unausgereift beschreiben und das ist keineswegs nur negativ gemeint. Dass dem 14-Jährigen das Charisma seines berühmten Vaters ebenso fehlt wie die körperliche Präsenz eines ausgewachsenen Action-Stars ist nur dem Anlass angemessen, schließlich geht es ja genau darum, dass Kitai im Schatten des Älteren steht. Als ihm beim Absturz des Raumschiffs die Angst im Gesicht steht, wirkt er noch wie ein kleiner Junge, später wenn er mit viel zu großer Geste und brüchig-bebender Stimme die Rebellion gegen den Vater wagt, ist das von kontrolliert gemeisterter Schauspieltechnik offenkundig immer noch meilenweit entfernt, wirkt aber gerade in der Unbeholfenheit wahrhaftig. Mit der geschickten Unterstützung von Regisseur Shyamalan, der im Umgang mit jungen Schauspielern besondere Stärken hat (wie nicht nur die oscarnominierte Leistung von Haley Joel Osment in „The Sixth Sense“ beweist), meistert Smith Junior dann auch die unausweichliche finale Prüfung ordentlich und kann dabei sein Bewegungstalent ausspielen.
Während der Sohn sich nicht nur räumlich immer weiter von ihm entfernt, haftet der Blick des schwerverletzt an das Raumschiff gefesselten Generals an den unzähligen Projektionen, Monitoren und Sensoren, die ihm jede Bewegung und jede Regung Kitais offenbaren (keine Lüge bleibt vor der Pulsmessung verborgen). In Cyphers Augen ist die totale (Selbst-)Kontrolle überlebensnotwendig und eben das vermittelt der furchtlose Kämpfer dem Sohn auf dessen Weg zur Konfrontation mit dem Ursa. Will Smith hat sein übliches Sonnyboy-Auftreten hier konsequenterweise vollkommen abgelegt, er versagt sich flotte Sprüche ebenso wie jedes Anzeichen von Emotion. Die Idee, dass es nötig sei, die Angst zu überwinden und Gefühle zu unterdrücken, um besser zu „funktionieren“ wie sie immer wieder anklingt, ist übrigens eine von mehreren Parallelen des Films zum Gedankengut von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, mit dessen Sekte Will Smith regelmäßig in Verbindung gebracht wird. Von Propaganda kann jedoch trotzdem keine Rede sein: Dem Menschenbild, das hier durchscheint, verpasst Regisseur Shyamalan einige deutliche Widerhaken und macht es damit als unmenschlich kenntlich.
So erscheint Cypher (die Eigenschaftslosigkeit, die der Name suggeriert, spricht Bände) zwar durchaus als Held, aber zugleich ist er deutlich gefangen in seiner militärisch geprägten Rolle, in der Effizienz und Rationalität alles sind. Wenn er sich der Ohnmacht nahe an einen seiner Geburtstage fern der Familie erinnert, dann zeigt uns Shyamalan mit der wunderschönen kleinen Szene wie tief Cyphers Menschlichkeit verschüttet ist und unterstreicht zugleich die Wichtigkeit von Gefühlen wie Liebe und Hoffnung. Letztes ist im Übrigen eine der Bedeutungen des japanischen Wortes Kitai und der Namensunterschied zwischen Vater und Sohn markiert am Ende trotz allem auch einen Wesensunterschied, der sich in der allerletzten gemeinsamen Szene manifestiert. Shyamalans Filme (vom Frühwerk über die Superhelden-Parabel „Unbreakable“ und die Sinnsuche in „Signs“ bis hin zur verfilmten Gute-Nacht-Geschichte „Das Mädchen im Wasser“ und zur Anime-Adaption „Die Legende von Aang“) haben allesamt eine spirituelle (Skeptiker würden sagen: esoterische) Seite und sind dabei zumeist von verblüffender Klarheit und Einfachheit. Obwohl er hier eine deutlich weniger bestimmende Rolle einnimmt als früher, findet der Regisseur auch dieses Mal wieder viele suggestiv-ausdrucksstarke Bilder voller fundamentaler Emotionen (ein meisterhaft inszeniertes Wechselbad der Gefühle sind etwa Kitais Erlebnisse mit dem Riesenvogel nach der oben erwähnten Verfolgungsjagd) und gibt seiner voller Widersprüche steckenden Erzählung zugleich eine fast märchenhafte Prägung.
Fazit: M. Night Shyamalans „After Earth“ ist ein Blockbuster jenseits der Erwartungen: ein sorgfältig inszeniertes intimes Vater-Sohn-Drama im Gewand eines Science-Fiction-Action-Abenteuers.