KOMM, WIR FINDEN EINEN SCHATZ!
von Michael Grünwald / filmgenuss.com!
Hätte es das Zeitalter der Piraten nie gegeben, wäre die Welt um erquickende Challenges zum allgemeinen Zeitvertreib ärmer. Schade eigentlich. Wir hätten auch keine Schatzinsel nach Robert Louis Stevenson. Wir hätten auch keine Mythen von vergrabenen Kisten irgendwo an küstennahen Orten unbewohnter Inseln. Diese Piraten, vielleicht gar mit Freibrief der britischen oder spanischen Krone, sogenannte Freibeuter, sind bis heute der Inbegriff für Verwegenheit, Abenteuerlust und einer gewissen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ähnlichen Unternehmern, die vom frühen 16. Jahrhundert an in ihren schwankenden Galeonen die Weltmeere unsicher und die Daheimgebliebenen um Geschichten reicher gemacht hatten. Disney, gemeinsam mit dem schrägen Helden Jack Sparrow, hat das exotische Abenteuer ins 21. Jahrhundert gerettet. Videospiele sind da mitgezogen, wenngleich nicht mehr im Kontext historischer Begebenheiten. Eines davon: Uncharted (was so viel heißt wie; unerforscht, nicht verzeichnet). Spielfigur Nathan Drake, dessen Vorfahr womöglich der berühmt-berüchtigte Sir Francis Drake gewesen sein soll, weckt bei Spielern, und jetzt auch im Kino, das kindliche Entdecker-Gen aus früheren Zeiten, als es im Rahmen des Kindergeburtstags von den Eltern inszenierte Schnitzeljagden gab. Später dann, war der Nachwuchs schon älter, stand Geocaching auf dem Plan. In Uncharted werden Motive der guten alten Piraten aus der moralischen Grauzone mit der spitzbübischen Freude am Schatzsuchen verbunden. Ein bisschen Black Pearl, ganz viel die große weite Welt. Und der Thrill, schneller als die anderen das Rätsel der Schatzkarte lösen zu müssen.
Dazu braucht es Artefakte, gierige Antagonisten und ein Buddy-Team, das einander genauso wenig vertraut wie es Piraten getan haben, die sich zum Entern vereint haben. Kenner des Spiels wissen: Drake ist eine Waise, sein Bruder Sam verschollen. Aus dem Nichts taucht der charismatische Abenteurer Victor Sullivan, genannt Sully auf, erzählt dem Mittzwanziger von seinem Bruder und von der Sache mit Magellans Schatz, dem dieser gemeinsam mit ihm auf der Spur war. Jetzt braucht es Drakes Hilfe, um den Weg zum großen Reichtum zu ebnen, der irgendwo in der Bandasee nahe den Philippinen sein muss, denn Magellan – das weiß man – hat’s damals, 1521, nicht mehr bis ganz nach Hause geschafft. Der ominöse Schatz womöglich auch nicht, welcher aber eigentlich der (fiktiven) Familie Moncada zustehen müsste – damals Geldgeber des berühmten Entdeckers und nun, mit Antonio Banderas als jüngstem Spross, drauf und dran, ihr Recht zu beanspruchen. Was folgt, ist ein Tricksen und Austricksen, mal mit Erfolg, mal so richtig in die Hose gehend. Tom Holland und Mark Wahlberg tragen es mit Fassung, wahren stets einen Seitenhieb für den jeweils anderen auf ihren Lippen und machen auch noch die Rechnung ohne der mysteriösen Chloe, die eine eigene Vorstellung davon hat, wie der Coup laufen soll.
Seit Fluch der Karibik von Gore Verbinski und Janoschs Komm, wir finden einen Schatz! waren Schnitzeljagden quer durch fernwehweckende Territorien nicht mehr so launig und abenteuerlustig wie in Ruben Fleischers Verfilmung des Gaming-Kults. Holland und Wahlberg haben Spaß an der Sache. Sie sind zwar niemals jemand anderer als sie selbst, doch auch bei ihnen wird’s das Flashback aus der eigenen Kindheit gegeben haben, in der man sich aufgeschürfte Knie holt oder mit nassen Klamotten zurück ins Haus läuft. Uncharted hat keinerlei Längen, bringt seinen Plot auf den Punkt und lässt seine romantisierten Neuzeit-Piraten bei gutem Wind perfiden Bolzenfallen ausweichen und über tropische Gewässer schippern. Dabei verbeugt sich Fleischer vor dem Nonplusultra des augenzwinkernden Abenteuers, nämlich der Indiana Jones-Franchise, die in Uncharted garantiert die zeitgemäßere Version seiner selbst erkennen und wohlwollend abnicken wird.
Zum Glück gerät Uncharted nicht zu einem High-Tech-Spektakel, sondern erdet sich mit rustikalen Freizeitpark-Schauwerten, die Parcours-Action satt bieten und den Escape Room-Hype genauso feiern wie Jump and Run-Sequenzen von der Konsole. Fleischer (u. a. Zombieland) gelingt ein erstaunlich aufgeweckter Einstand, der die Physik des verwegenen Abenteuers bedient, die zwar wenig mit der Realität zu tun hat, ohne die aber ein Genre wie dieses gar nicht existieren kann, würde man sympathischen Burschen wie Nathan Drake den Pfad ins Ungewisse nicht in die Gunst namhafter Ahnen stellen.
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