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    Ein riskanter Plan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ein riskanter Plan
    Von Andreas Staben

    Achtung: Zu Beginn von „Ein riskanter Plan" stellt sich ein Mann auf einen Fenstersims und niemand weiß, warum. Nur über diese Szene lässt sich aber leider keine Kritik schreiben, weshalb zumindest einige der ersten Wendungen in diesem Text verraten werden müssen. Wer also möglichst wenig vorab über die Handlung wissen möchte, sollte mit dem Lesen besser bis nach dem Kinobesuch warten.

    Ein Mann steht auf dem Fenstersims eines Hochhauses und blickt in den Abgrund. Wird er springen? Was hat ihn soweit gebracht? Kann ihm geholfen werden? Will er vielleicht nur Aufmerksamkeit? An Extremsituationen wie diesen entzündet sich die Neugier des Zeugen und sein Mitgefühl, womit sie natürlich auch besonders gut für das Kino geeignet sind. Dem versierten Filmemacher bieten sich unzählige Möglichkeiten, die Geschichte dieses Mannes zu erzählen. Regisseur Asger Leth und Drehbuchautor Pablo F. Fenjves haben mit „Ein riskanter Plan" nun eine besonders originelle Variante zu bieten. Sie stellen den inzwischen etwas pummelig gewordenen „Avatar"-Star Sam Worthington auf den Sims eines Luxushotels und machen ihn zum unwahrscheinlichen Helden in einem abwechslungsreichen Thriller, in dem kaum etwas so ist, wie es zunächst scheint.

    Im noblen New Yorker Roosevelt-Hotel checkt ein Mann (Sam Worthington) ein. In seinem Zimmer im 21. Stock lässt er sich ein Festmahl servieren, isst in aller Ruhe, poliert danach das Besteck und alles, was er sonst noch angefasst hat. Schließlich schreibt er eine Notiz und steigt aus dem Fenster auf die Brüstung. Schnell versammelt sich unten eine Menschenmenge und die Polizei riegelt die Straße ab. Detective Jack Dougherty (Edward Burns) soll den offenbar Lebensmüden zur Rückkehr bewegen, der will aber ausschließlich mit dessen Kollegin Lydia Mercer (Elizabeth Banks) sprechen. Sie findet schließlich heraus, dass es sich bei dem Mann auf dem Fenstervorsprung um den Ex-Cop Nick Cassidy handelt, der wegen angeblichen Diamantendiebstahls zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde und gerade erst aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Der Verzweiflungstäter will mit einem ausgeklügelten Plan seine Unschuld beweisen – und in diesem spielen sein ehemaliger Partner Mike Ackerman (Anthony Mackie) und der Einsatzleiter Nathan Marcus (Titus Welliver) genauso eine Rolle wie der millionenschwere Immobilienhai David Englander (Ed Harris), den Nick einst bestohlen haben soll und dessen Gebäude zufällig direkt auf der anderen Straßenseite liegt...

    Regisseur Asger Leth, der 2006 mit der Dokumentation „Ghosts of Cité Soleil" über den Milizen-Terror in Haiti einige Aufmerksamkeit erregte, gibt mit „Ein riskanter Plan" sein Spielfilmdebüt. Umso erstaunlicher ist es, mit welcher Sicherheit er hier verschiedene Genres zu einer eigenständigen Mischung verbindet und für stete Spannung sorgt. Aus dem vermeintlichen Selbstmord-Drama wird schnell ein Cop-Thriller, dann kommt ein Einbruchskrimi dazu und schließlich ein Rache-Drama. Leth behält die verschiedenen Handlungsfäden jederzeit sicher in der Hand und zeigt dabei von der nüchtern protokollierten Anfangssequenz, mit der er überaus wirkungsvoll unsere Neugierde weckt, über eine rasante Autoverfolgungsjagd und spannende Einbruchssequenzen bis hin zu den intensiven Zwiegesprächen in luftiger Höhe eine beachtliche inszenatorische Bandbreite. Mit seinem Gespür für das richtige Timing lässt Leth auch die fleißige Mithilfe des Zufalls, die im Laufe der Handlung doch einige Male bemüht wird, zur Nebensache werden.

    Das dramatische Herzstück des Films sind die Szenen auf dem Fenstersims, die zu einem beachtlichen Teil tatsächlich vor Ort gedreht wurden. Sam Worthington („Kampf der Titanen 2") leidet unter Höhenangst und nutzte den Dreh 70 Meter über dem Boden gleichsam als Therapie. Daher wirkt seine Anspannung absolut echt und auch Elizabeth Banks („Die Tribute von Panem") steht dem als übernächtigte Verhandlungsführerin, die sich nach einem traumatischen Erlebnis in Alkohol und Tabletten flüchtet, nicht nach. Der Balanceakt dieses Duos, der zwischen Duell und Komplizenschaft schwankt, erinnert ein wenig an das Verhältnis von Kevin Spacey und Samuel L. Jackson im Geiselnahme-Thriller „Verhandlungssache". Aber Leth kontrastiert dieses intime Nervenspiel zusätzlich mit dem Rummel drumherum: Schaulustige, die Blut sehen wollen und sich wie Geier auf die Geldscheine werfen, die Nick herabwirft, Fernsehteams, die auf spektakuläre Aufnahmen hoffen, und Polizisten, die den vermeintlichen Schwerverbrecher zum Abschuss freigeben wollen – nebenbei wird hier das Bild einer zynischen Gesellschaft gezeichnet, in der ein Menschenleben weniger wert ist als der eigene Vorteil und in der jeder, der dem Wahnsinn entgegentritt, als seltsamer Sonderling gebrandmarkt wird.

    Asger Leth begeht nicht den Fehler, die sozialkritische Komponente des Stoffs zu sehr zu strapazieren („Ein riskanter Plan" ist nicht „Hundstage"), aber er gönnt sich mit dem rücksichtslosen Geschäftemacher David Englander einen zeitgemäßen Bösewicht, dem Ed Harris („Die Truman Show") jene Mischung aus Gier, Abgehobenheit und Anmaßung verleiht, die auch so manchem Protagonisten der globalen Wirtschaftskrise ins Gesicht geschrieben steht. Angesichts dieses Opfers bekommt Nicks Rache fast schon Züge einer Robin-Hood-Geschichte. Leth schlägt hier passend dazu auch mal einen weniger ernsten Tonfall an und garniert den schweißtreibenden Einbruch in Englanders Hochsicherheits-Tresorraum mit amüsanten Kabbeleien zwischen Nicks Bruder Joey (Jamie Bell) und dessen Freundin Angie (Newcomerin Genesis Rodriguez). Die beiden scheinbaren Durchschnittstypen, die sich als wahre Virtuosen im Schachtklettern, Sensoren-Ausschalten und Safe-Knacken erweisen, könnten auch zu Ethan Hunts „Mission: Impossible"-Team gehören. Und am Ende krönt Leth sein Spiel mit Genres und Erwartungen mit einem augenzwinkernden Kniff und teilt mit uns die Freude an einem gelungenen Plan.

    Fazit: „Ein riskanter Plan" ist nicht nur ein abwechslungsreicher Thriller und ein spannendes Drama mit gut aufgelegten Schauspielern, sondern Regisseur Asger Leth bietet auch noch wohldosierten Humor und eine Prise Action – für jeden Freund guter Hollywood-Unterhaltung ist etwas dabei.

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