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    In the Land of Blood and Honey
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    In the Land of Blood and Honey
    Von Andreas Staben

    Angelina Jolie ist einer der größten Stars der Welt, buchstäblich jeder kennt sie. Für die Paparazzi und die Klatschpresse ist die Amerikanerin gemeinsam mit ihrem Partner Brad Pitt eines der begehrtesten Objekte überhaupt. Anders als andere Prominente geht Jolie jedoch offensiv mit ihrer Berühmtheit um und sieht auch die Vorteile ihrer Position. Seit 2001 ist sie Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. In dieser Funktion reist sie in Krisengebiete, spricht mit Politikern und verschafft vernachlässigten Problemfeldern mediale Aufmerksamkeit. Mit ihrem Kriegsdrama „In the Land of Blood and Honey" über eine unmögliche Liebe im Bosnien-Krieg verbindet sie nun erstmals direkt ihr humanitäres Engagement und ihre künstlerische Tätigkeit. Es ist Jolies Debüt als Drehbuchautorin und Regisseurin jederzeit anzumerken, dass es sich um eine Herzensangelegenheit handelt. „In the Land of Blood and Honey" ist ein durchaus diskussionswürdiger, aber künstlerisch missglückter Film über ein wichtiges Thema. Denn so sehr er uns an Dinge erinnert, die wir nicht vergessen sollten, so wenig hilft er uns, diese Dinge zu verstehen.

    Bosnien 1992: Ajla (Zana Marjanovic) trifft sich in einer Bar mit Danijel (Goran Kostic). Die Künstlerin und der Polizist tanzen verliebt, als eine Bombe in dem Lokal explodiert. Damit ist die Eintracht beendet. Wenige Monate später finden sich die muslimische Bosniakin und der christliche Serbe auf gegnerischen Seiten eines verheerenden Bürgerkriegs wieder. Serbische Truppen räumen Ajlas Wohnblock. Zuerst werden die Männer deportiert, dann suchen sich die Soldaten die hübschesten Frauen, darunter Ajla, aus und bringen sie in ihr Lager. Bei der Ankunft werden viele von ihnen vor aller Augen vergewaltigt. Ajla entgeht diesem Schicksal gerade noch einmal, denn der Kommandant des Lagers ist Danijel, der seine ehemalige Geliebte beschützt, als er sie erkennt. Die beiden führen von nun an eine heimliche und komplizierte Beziehung. Doch einige Zeit später wird Danijel ins Hauptquartier nach Sarajewo versetzt. Ajla bleibt zurück und ist den Demütigungen der serbischen Soldaten ausgesetzt bis ihr im Frühjahr 1993 die Flucht gelingt. Sie trifft auf eine Gruppe von muslimischen Guerillakämpfern, zu der auch ihre Schwester Lejla (Vanessa Glodjo) gehört. Sie wollen die andauernde Zuneigung Danijels zu Ajla nutzen und sorgen dafür, dass sie verhaftet und ins Hauptquartier gebracht wird...

    Der Bosnien-Krieg dauerte von 1992 bis 1995 und forderte nach vorsichtigen Schätzungen etwa 100.000 Todesopfer. Das berüchtigte Massaker von Srebrenica, bei dem Tausende muslimische Männer erschossen und in Massengräbern verscharrt wurden, haben die internationalen Gerichte offiziell als Völkermord eingestuft. Vertreibung, Vergewaltigung und Mord standen auf der Tagesordnung und das mitten in Europa am Ende des 20. Jahrhunderts. Die Empörung darüber, dass so etwas immer noch möglich ist, trieb Angelina Jolie dazu, das Drehbuch zu „In the Land of Blood and Honey" zu schreiben. Und diese Motivation ist in ihrem Film jederzeit zu spüren. Schonungslos sind ihre Bilder von Vergewaltigung und Demütigung, geradezu unerträglich ist eine auch inszenatorisch auf die Spitze getriebene Szene, in der Lejlas Baby von serbischen Soldaten einfach vom Balkon geworfen wird. Doch als Betrachter weiß man kaum, wohin mit der Wut und dem Schrecken, die diese Bilder hervorrufen.

    Es ist nicht so, dass Angelina Jolie nicht ordentlich recherchiert hätte. Ihre mit wenigen Ausnahmen (darunter Kameramann Dean Semler, der für „Der mit dem Wolf tanzt" den Oscar gewann) einheimischen Darsteller und Mitarbeiter bestätigen die Stimmigkeit der Details und überhaupt waren die Dreharbeiten, an denen Bosnier, Serben und Kroaten, Muslime und Christen mitwirkten, nach Aussagen der Beteiligten ein aktiver Akt der Völkerverständigung. Aber die filmische Aufarbeitung des so komplexen Konflikts ist bedauerlich oberflächlich: Da faselt Danijels Vater, der serbische General Nebojsa Vukojevich (Rade Serbedzija), etwas von historischer Ungerechtigkeit, die ausgeglichen werden müsse und die bosniakische Guerillatruppe hat bei der Lagebesprechung programmatische Leitsätze gleich im halben Dutzend parat. Da wird dann überdeutlich daran erinnert, dass die Spaltung bis in die Familien geht („Ich kann nicht alle Serben hassen. Meine Mutter ist Serbin.") und die unentschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft wird im Nachhinein angeprangert.

    Angelina Jolie verkündet ihre Botschaften also immer wieder überdeutlich, dafür fehlt es an anderer Stelle entschieden an Klarheit. Zeitliche, örtliche und räumliche Zusammenhänge bleiben meist im Ungefähren. Das gilt sowohl für die dramaturgische Struktur als auch für die inszenatorische Auflösung einzelner Szenen. Und so bekommt sie auch die überaus schwierige Liebe-Hass-Beziehung zwischen Ajla und Danijel erzählerisch nicht in den Griff. Die Mischung aus Zuneigung und Kalkül, Macht und Unterwerfung, Verlangen und Verachtung wirkt dank der engagierten Schauspieler (vor allem Goran Kostic besitzt eine äußerst produktive irritierende Präsenz) oft faszinierend, aber nie schlüssig - die menschlichen Verwerfungen dieses Kriegs lassen sich immerhin erahnen.

    Fazit: Angelina Jolie will mit ihrem Regie-Debüt aufrütteln. Dabei verwechselt sie zuweilen die Schockwirkung, die sie durch die explizite Darstellung von Gewalt und Ungerechtigkeit erzielt, mit einer aufklärerischen Aufarbeitung eines Konflikts. „In the Land of Blood and Honey" ist durchaus kraftvoll und aufwühlend, erhellend ist er nicht.

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