2011 drehte Nicolas Winding Refn „Drive", einen existenzialistischen Actionfilm und Neo-Noir über einen Fluchtwagenfahrer in Los Angeles. Es wurde oft darauf hingewiesen, dass der Film das „Testosteron-Kino" eines Walter Hill und des frühen Michael Mann zitiere. Gerade im Falle des aus dem Jahre 1978 stammenden „Driver" von Hill sind die inhaltlichen Übereinstimmungen derart frappierend, dass sie fast vermuten lassen, es könne sich bei „Drive" um ein verkapptes Remake handeln könnte. Wenn auch der neue Film eher eine Weiterentwicklung oder Variation darstellt: „Driver" ist und bleibt das Original – ein konzentrierter, rasant inszenierter Actionthriller mit Tiefgang.
Der namenlose „Driver" (Ryan O‘Neal) ist der beste Fluchtwagenfahrer von L.A. und hat seinen entsprechenden Preis. Er stellt den Gangstern, für die er einen Auftrag annimmt, seine eigenen Bedingungen und lehnt eine Zusammenarbeit mit „Leuten der zweiten Garnitur" ab. Ihm dicht auf den Fersen ist der „Detective" (Bruce Dern), der dem Driver jedoch nichts nachweisen kann. Zwar wurde der von einer Frau namens „Player" (Isabelle Adjani) angeblich bei einer Gegenüberstellung erkannt – doch diese treibt ihr eigenes Spiel und führt den Ermittler auf eine falsche Fährte. Als dieser eine Bande von Räubern auf frischer Tat ertappt, sieht er dennoch seine große Chance gekommen, den Driver endlich zu erwischen.
So minimalistisch, wie sich die Inhaltsangabe liest, ist tatsächlich auch der ganze Film gehalten. Trotzdem nimmt sich „Driver" bei nur knapp 90 Minuten Gesamtlaufzeit eine ganze Viertelstunde, um den Protagonisten beieiner langen Verfolgungsjagd einzuführen. Mit unglaublichem Tempo und wildesten Manövern rast der Driver mit den Gangstern durch das nächtliche L.A., während sie von einer wachsenden Schar an Polizeifahrzeugen verfolgt werden. Dabei verliert der Driver kein einziges Wort, sondern ist ebenso cool wie hochkonzentriert. Wie ein Schachspieler plant er den jeweils nächsten Zug und setzt diesen dann ohne jedes Zögern augenblicklich in die Tat um.
„Driver" überzeugt auch auf der inhaltlichen Ebene. Der Film ist ein existenzialistischer Neo-Noir, der zum Teil an die ähnlich gelagerten Gangster-Filme Jean-Pierre Melvilles denken lässt. „Driver" zeigt ein nächtliches und fast wie entvölkert wirkendes L.A. der tristen Lagerhäuser und Tiefgaragen, das so gar nichts mit den Klischees von Hollywood und Bel Air zu tun hat. Keiner der Protagonisten trägt einen Namen – sie werden zu einer Archetypen einer einsamen, kalten Welt, in der jeder nur für sich agiert.
„Driver" ist sowohl ein gelungener und minimalistischer Actionkracher als auch ein durchdachtes, pessimistisches Großstadtpanorama mit deutlichen philosophischen Untertönen. Das fast durchgehend bei Nacht spielende Geschehen zeigt eine Welt der gegenseitigen Entfremdung, die sich als ebenso düster offenbart wie die den Film dominierenden tiefschwarzen Schatten. Mit „Driver" gelang dem Drehbuchautor und Regisseur Walter Hill das Kunststück einen ebenso gradlinigen, wie tiefsinnigen Film zu schaffen. All dies entfaltet sich in nicht einmal 90 Minuten. „Driver" hat kein Gramm zu viel.
Fazit: Walter Hill gelang mit „Driver" das seltene Kunststück, spektakuläre Schauwerte und eine bisweilen geradezu philosophische Milieustudie organisch miteinander zu verweben. Stilsicher inszeniert und ansprechend düster entfaltet sich vor dem Zuschauer ein Bild der Gewalt und Einsamkeit in Los Angeles, in unmittelbarer Nachbarschaft der Traumfabrik.