Für sein Kinodebüt „No Man´s Land" erhielt der bosnische Regisseur Danis Tanovic 2001 die Goldene Palme für das beste Drehbuch, im Jahr darauf folgte sogar der Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film. In „Cirkus Columbia", seinem nunmehr vierten Spielfilm, der auf der gleichnamigen Novelle von Ivica Dikic basiert, wendet sich der Filmemacher erneut der konfliktträchtigen Geschichte seines Heimatlands zu und erzählt im Gewand eines Familiendramas von den Anfängen des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien. Ähnlich wie auch Emir Kusturica („Schwarze Katze, Weißer Kater") erzählt Tanovic seine Geschichte trotz der Schwere des Themas humorvoll und bisweilen beschwingt. Auch wenn „Cirkus Columbia" dabei eine fundierte Auseinandersetzung mit seinen Figuren und Themen bisweilen vermissen lässt, ist Tanovic erneut ein beeindruckender Antikriegsfilm gelungen, der sich besonders durch seine ausdrucksstarke Bildsprache auszeichnet.
Bosnien-Herzegowina im Sommer 1991, kurz vor dem Ausbruch des Bosnienkriegs: In einem Mercedes und mit seiner jungen Geliebten Azra (Jelena Stupljanin) im Schlepptau kehrt der neureiche Divko (Miki Manojlovic, „Klopka - Die Falle") nach gut zwei Jahrzehnten Abwesenheit in sein Heimatdorf zurück. Kaum angekommen lässt der Mittvierziger seine Ex-Frau Lucija (Mira Furlan, „Lost") und seinen Sohn Martin (Boris Ler) aus dem vormals gemeinsam bewohnten Haus werfen, in dem er fortan mit Azra zu leben gedenkt. In der Folge besucht der 20-jährige Martin immer wieder sein altes Elternhaus, kommt dabei in engen Kontakt mit Azra und lernt seinen ihm bislang unbekannten Vater kennen. Während die familiären Beziehungen neu ausgelotet werden, zeichnet sich der Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in Ex-Jugoslawien immer stärker ab, die Krise teilt das Dorf schließlich in zwei verfeindete Parteien.
„Cirkus Columbia" beginnt als leichtfüßige Sommerkomödie. In lichten Bildern fängt Tanovic das muntere Treiben im Dorf ein, was immer wieder in skurrilen und humorvollen Szenen gipfelt. Die Annäherung des Sohnes an seinen Vater sowie dessen Geliebte erzählt der Bosnier trotz des heraufziehenden Bürgerkriegs äußerst ruhig und bedacht. Der junge Martin kristallisiert sich schon bald als zentrale Figur heraus, die familiären Konflikte laufen in seiner Person zusammen – das Erwachsenwerden des jungen Mannes ist somit das zentrale Thema - vor dem Hintergrund des heraufziehenden Kriegs. Über Divko nimmt Tanovic darüber hinaus das Zusammentreffen von kapitalistischer und kommunistischer Weltanschauung in den Blick. Seinen versnobten Heimkehrer lässt der Filmemacher als Exponat des Westens auftreten, mit den mitgebrachten D-Mark übt dieser bald gehörigen Einfluss auf die Dorfgemeinde aus. Dass die Konflikte von Tanovic recht schnörkellos behandelt werden, erweist sich als Charakteristikum des Films und fügt sich gut in die bis dahin leichtfüßige Gangart ein.
Als schließlich der Bürgerkrieg das Dorf erreicht und die Bewohner sich in zwei Lager spalten, schlägt Danis Tanovic ganz andere Töne an. Die sommerlichen Impressionen von Kameramann Walther van den Ende („Als der Wind den Sand berührte") weichen bedrückenden Bildern. Wie schon in „No Man's Land" prangert Tanovic die Hässlichkeit des Kriegs an, indem er beispielsweise aufzeigt, wie Freunde unter den entsprechenden Umständen in kürzester Zeit zu Todfeinden werden. Hierin verdeutlicht sich dann auch Tanovics persönliche Verstrickung in die Tragödie seines Landes, denn der tobende Bürgerkrieg spiegelt sich konsequent in den Familienkonflikten wieder. Und auch wenn „Cirkus Columbia" damit vor allem autobiografisch und historisch geprägt ist, besitzt er doch große Aktualität: Die Grenzstreitigkeiten zwischen Serben und Kosovaren flammen derzeit erneut auf.
Fazit: In seinem Erstlingswerk „No Man's Land" ließ Tanovic am Ende einen Soldaten regungslos auf einer Tretmine ausharren, während die Sonne hinter dem Horizont versank. Die Ausdrucksstärke des Filmemachers kommt nun in „Cirkus Columbia" erneut zum Tragen und verdeutlicht den klaren Standpunkt des Bosniers: Kriege sind absurd – und um dies aufzuzeigen, bedarf es keiner analytischer Ausschweifungen.