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    Die Kunst zu lieben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Kunst zu lieben
    Von Tim Slagman

    Emmanuel Mouret, das französische Multitalent, das bei seinen Filmen oft nicht nur als Regisseur, sondern auch als Autor und sogar Darsteller auftritt, fährt in seiner neuesten Arbeit scheinbar schwere Geschütze auf: Der Titel seiner romantischen Ensemble-Komödie „Die Kunst zu lieben" ist von niemand Geringerem als dem römischen Klassiker Ovid geborgt. Angesiedelt ist die episodische Handlung in Paris. Die Île de la Cité mit der imposanten Fassade von Notre Dame liefert dabei genauso atmosphärische Bilder wie die kleinen, verspielten Gässchen der Arondissements. Auf der Speisekarte stehen Champagner und Toastbrot. Und gleich zwei Hauptfiguren arbeiten als Buchhändler in kleinen, sympathisch-unordentlichen Charakter-Lädchen. Doch Mouret erweist sich als sehr geschickt im Spiel mit all diesen Frankreich-Klischees, er hält sich fern von Kitsch und bleierner Schwere - stattdessen zeigt er ein assoziatives Panorama der Liebes- und Lebensweisen, das ernst und augenzwinkernd zugleich daherkommt.

    Achille (François Cluzet, „Ziemlich beste Freunde") ist ein Charmeur der alten Schule. In seine Versuche, am Handy ein Rendezvous klarzumachen, platzt seine attraktive und frisch getrennte Nachbarin (Frédérique Bel) in seine Wohnung. So einfach ist es aber nicht – die Versuche von Achille und der neuen Auserwählten, miteinander ins Gespräch und ins Bett zu kommen, erweisen sich von Gespräch zu Gespräch als zunehmend kompliziert. Isabelle (Julie Depardieu) derweil lebt seit einem Jahr enthaltsam, als sie von ihrer Freundin Zoe (Pascale Arbillot) ein merkwürdiges Angebot erhält. Dann ist da noch Amélie (Judith Godrèche), deren Kumpel Boris (Laurent Stocker) gerne mehr als nur ihr Kumpel wäre – während die Angehimmelte wiederum auf Isabelle trifft, und zwar mit haarsträubenden Folgen. Außerdem mit dabei: die zwei Pärchen Emmanuelle/Paul (Ariane Ascaride, Philippe Magnan) und Vanessa/William (Elodie Navarre, Gaspard Ulliel), die damit kämpfen, wie einander am besten der nötige Freiraum zu schaffen ist...

    Im Prolog von „Die Kunst zu lieben" ist die Rede von der Musik der Liebe, die jeder in einem anderen Moment zu hören bekäme; eine verträumte und von elegischen Streichern getragene Musik sei das. Kein Wunder also, dass ein einsamer Pianist da vergeblich auf sein Glück warten muss. Über intime Großaufnahmen und natürlich über die Melodien erzählt Mouret diesen Anfang, der abrupt und ein wenig rätselhaft endet. Viel geerdeter dann die Geschichte von Isabelle und Zoes Einladung, doch einmal mit ihrem Mann zu schlafen. Das ist nüchtern realistisch inszeniert, entpuppt sich aber dennoch bald als Traum – bis Zoe ihre Einladung dann tatsächlich ausspricht.

    Wie die kleinen Neurosen und großen Schwierigkeiten des gemütlich im Leben eingerichteten Mittelstands hier auf die Schippe genommen werden, das hat etwas von den satirischen Surrealismen des späten Luis Buñuel („Belle de Jour"). Doch von dieser avantgardistischen Erzählweise und von eindeutigen Botschaften verabschiedet sich Mouret recht schnell. Seine Episoden verbindet er nicht mit komplexen Handlungsverzweigungen, sondern ganz leicht und verspielt. Der Verzicht auf einen übergreifenden Spannungsbogen mag die Geduld des einen oder anderen Zuschauers dabei spürbar herausfordern, zumindest der Charme der starken Darsteller sollte aber über weite Strecken bei Laune halten.

    Figuren begegnen einander, gehen ihrer Wege, spielen womöglich eine wichtige Rolle für den anderen und sehen sich vielleicht im weiteren Verlauf der Handlung wieder – oder auch nicht. Diese Unverbindlichkeit ist viel mehr noch als Ort oder Sprache das eindeutig europäische Element von Mourets Inszenierung. Denn obwohl er sein Publikum mit dem einen oder anderen Postkartenbild von Paris anfüttert, pfercht er seine Figuren ebenso gerne in enge, austauschbare Innenräume ein, wo er sie symbolisch trennen kann durch Türen, Wände oder Bücherstapel. Dabei kommen einige von ihnen zusammen oder finden wieder zum entfremdeten Partner, andere jedoch nicht. Es ist eben kompliziert mit der Liebe – und oft, wenn wir mal ehrlich sind, auch ziemlich witzig.

    Fazit: Mit großer Eleganz und bestechender Leichtigkeit erzählt Emmanuel Mouret von den Nöten und Erfüllungen der Liebe. Den großspurigen Titel „Die Kunst zu lieben" unterläuft er mit leisem Humor und schrägen Verwicklungen, die verdeutlichen, dass hier ein filmisches Spiel getrieben wird. Wenn dabei aber etwas auf die Wirklichkeit passen sollte, scheint Mouret zu sagen, dann umso besser.

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