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    Sleepless Night - Nacht der Vergeltung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sleepless Night - Nacht der Vergeltung
    Von Mathias Will

    Ein Mann, der die französische Unterwelt auf den Kopf stellt, um sein entführtes Kind zurückzuholen – wenn das mal nicht nach Liam Neesons später Action-Auferstehung „96 Hours" klingt! Nun folgt auch Frédéric Jardin mit „Sleepless Night - Nacht der Vergeltung" eben diesem Muster. Der Clou: Während Neeson als Bryan Mills die Entführer durch ganz Paris hetzte, spielt „Sleepless Night" fast durchgehend in einer Großraumdisko. An Pierre Morels Feuerwerk reicht Jardins Action-Thriller nicht heran, dafür bietet er unterm Strich zu wenig Action und zu wenig Groove. Trotzdem überzeugen das hohe Tempo und eine genreuntypische, gewissermaßen „realistische" Prämisse: Einer offenen Konfrontation mit seinen übermächtigen Widersachern muss Jardins Antiheld nicht selten schleunigst aus dem Weg gehen...

    Der Polizist Vincent (Tomer Sisley) und sein Partner Manu (Laurent Stocker) wollen sich nebenbei etwas dazu verdienen und überfallen einen Drogentransport. Als Vincent im Eifer des Gefechts ein Messer in den Bauch gerammt bekommt, seine Maske verliert und dann auch noch einer der Gangster entkommt, gerät die Aktion zum Desaster. Abends darauf klingelt Vincents Telefon, am Apparat: Drogenboss Marciano (Serge Riaboukine). Der hat Vincents Sohn Thomas (Samy Seghir) entführt und will ihn nur gegen die zuvor abgezogenen zehn Kilo Kokain wieder freigeben. Zur Übergabe treffen sich die beiden in Marcianos Großraumdisko, wo auch dessen Geschäftspartner warten. Unwissentlich wird Vincent außerdem von internen Ermittlern verfolgt. Als er das Koks verliert, muss er sich in dem überfüllten Nachtclub einer schießwütigen Übermacht stellen, der Gefahr aus den eigenen Reihen entkommen und vor allem seinen Sohn retten...

    „Sleepless Night" bietet genau den Stoff, aus dem Action-Legenden gemacht sind: Indem er seinen ersten „Stirb langsam"-Film auf ein einziges, klaustrophobisches Gebäude als Schauplatz reduzierte, leitete John McTiernan eine neue Genre-Phase ein, weg vom schlichten Action-Machismo der 1980er, hin zum Schmerzensmann à la John McClane. Entführte Kinder als Antrieb für Actionhelden hat sich derweil vom trashigen Arnie-Vehikel „Das Phantom Kommando" bis zur furiosen Neeson-Rampage in „96 Hours" bewährt. Dennoch gewichtet Jardin seinen Film etwas anders: Vincent ist kein aktiver Held, der gegnerische Bastionen stürmt. Vielmehr vermeidet er offene Konfrontationen und versucht, in der Masse unterzutauchen. Vincent agiert irgendwo in der weiten Grauzone zwischen kriminellem Egozentrismus und einem klaren Gerechtigkeitssinn. Die archetypische Überhöhung, mit der das Genre-typische Massenmorden der Heroen normalerweise handhabbar gemacht wird, bleibt hier aus.

    Dennoch hat Hauptdarsteller Tomer Sisley mit seinem rauen Charme keine großen Probleme dabei, das Publikum auf seine Seite zu ziehen; zumal er gelegentlich sogar richtig verletzlich, sozusagen menschlich, daher kommt – hier wirkt sogar die Beziehung zwischen einem distanzierten und dennoch liebevollen Vater Vincent und seinem Sohn authentisch. Der aufmüpfige Sprössling dagegen ist zwar nicht unbedingt sympathisch, aber das muss er als junger Rebell in einer furchtbar überfordernden Situation, anders als der eigentliche Protagonist, ja auch gar nicht sein. Der Rest der Besetzung spielt durch die Bank solide und schafft es, die mitunter klischeebeladenen Figuren nicht zu Karikaturen ihrer selbst werden zu lassen.

    Da Vincent in dem atemlosen Katz-und-Maus-Spiel eher die Maus ist, kommt es nicht allzu oft zu ausufernden Action-Szenen. Bei einer so flotten Inszenierung wäre hier mehr ausnahmsweise tatsächlich mehr gewesen. Wie bei der Figurenzeichnung wählt Jardin einen verhältnismäßig realistischen Ansatz und lässt die intensiven Kampfszenen wuchtig und brutal über seinen Protagonisten hereinbrechen. Dabei geht er nicht so radikal wie beispielsweise David Cronenberg („Tödliche Versprechen") oder Nicolas Winding Refn („Drive") vor, setzt sich aber locker vom Genre-Einerlei ab. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran hat Clint Eastwoods Stamm-Kameramann Tom Stern, der mit seiner Handkamera meist ganz nahe am Protagonisten bleibt, aber stets und vor allem in den Action-Szenen Übersicht wahrt.

    Leider gelingt es dem Filmteam nicht, aus dem interessanten Szenario hinreichend Kapital zu schlagen. Gelegentlich könnte man glatt vergessen, dass sich Vincent noch in der labyrinthischen Diskothek befindet – zu hell und statisch fällt etwa die Beleuchtung des Tanztempels aus. Verlässt Vincent den Tanzbereich, ist phasenweise nicht mal mehr der dumpfe Bass durch die Wände zu hören. Sicher, rund anderthalb Stunden in Blitzlicht und Gewummer wären ziemlich anstrengend geworden. Dennoch: Verglichen mit den überwältigenden Club-Sequenzen aus Michael Manns „Collateral" oder „Miami Vice" wird hier deutlich weniger aus dem Szenario herausgeholt. Das gilt auch für die Musikauswahl, die großteils aus generischem Drum'n‘Bass besteht. Auch diesbezüglich hat Mann mit seinen treibenden Disco-Soundtracks, etwa Paul Oakenfolds „Ready Steady Go", die Nase vorn.

    Fazit: „Sleepless Night" ist ein rasanter Thriller mit sehenswertem Hauptdarsteller und unterhaltsamer bis packender Geschichte. Schade bleibt dabei, dass Frédéric Jardins das interessante Setting nicht optimal ausnutzt und die Action-Szenen zu rar streut.

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