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    Eine Insel namens Udo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Eine Insel namens Udo
    Von Björn Becher

    Als im Februar 2011 die fünfte und finale Staffel von „Krömer - Die internationale Show" startete, überraschte Gastgeber und Adolf-Grimme-Preisträger Kurt Krömer sein Publikum mit rauschendem Vollbart – und empfing seine Gäste mal charmant, mal schroff mit der Frage, welche Geschenke sie ihm denn mitgebracht hätten. Der Bartwildwuchs konzentrierte die Blicke auf den Berliner Komiker. Denn auch wenn er immer wieder prominente Gäste um sich schart – von Politikern wie Cem Özdemir über Schauspielerinnen wie Katja Riemann und Jasmin Gerat bis zu TV-Urgesteinen wie Hugo Egon Balder –, hat ihm doch die volle Aufmerksamkeit zu gelten. Seine erste Kinohauptrolle in „Eine Insel namens Udo" darf als weiterer Überraschungscoup gelten: Selbstdarsteller und Dauermittelpunkt Krömer spielt – meist glatt rasiert – Udo, einen nicht nur unauffälligen, sondern völlig außerhalb der Wahrnehmung seines Umfelds agierenden Mann. Natürlich ändert sich das im Handlungsverlauf und dann darf das „große Kind" Krömer auch mal die Sau raus lassen. Die Komödie des Kinodebütanten Markus Sehr ist ein charmanter Film, der altbekannte RomCom-Konstrukte kurzweilig aufbereitet.

    Sie sind unter uns, wir wissen es nur nicht: Menschen, die unter „Schwersichtbarkeit" leiden und für ihre Umwelt praktisch unsichtbar sind. Wir nehmen sie nicht einmal wahr, wenn sie neben uns stehen und uns den Kuchen klauen. Udo (Kurt Krömer) ist schwersichtbar und hat sich damit bestens arrangiert. Als Kaufhausdetektiv beobachtet er zur Freude seines finnischen Vorgesetzten Sallinen (Kari Ketonen) mehr Diebe als jeder andere und da ihn keiner bemerkt, kann er auch gleich im Kaufhaus nächtigen und sich dort verpflegen. Eines Tages begegnet er der Hotelmanagerin Jasmin (Fritzi Haberlandt) – die ihn tatsächlich direkt sieht und sich auf ein Date mit ihm einlässt. Nach der ersten Liebesnacht hat Udo den Salat: Plötzlich können ihn alle Menschen sehen. Und so stolpert er, der den Kontakt mit anderen Menschen nicht gewohnt ist, schnell von einem Fettnäpfchen ins nächste...

    Für Berliner ist Kurt Krömer als Schauspieler kein Novum. Ab Oktober 2007 stand er bereits unter der Regie von Thomas Ostermeister in der Broadway-Komödie „Room Service" auf der Berliner Schaubühne. Ab 2010 durfte er auf der Berliner Volksbühne in der TV-Farce „Johnny Chicago" einen Ex-Talkshow-Star mimen. Da ist der Schritt zur Kinohauptrolle nicht mehr weit, zumal Krömer das Ende seiner Talksendung auch damit begründete, Neues machen zu wollen. Da kommt „Eine Insel namens Udo" nach ein paar Kino-Gastauftritten („Das Leben ist zu lang", „Wo ist Fred?") und TV-Zwischenspielen („Ein starkes Team") gerade recht. Obwohl Ur-Hauptstädter Krömer, laut dem Spiegel „ohne Zweifel das Lustigste, was Berlin seit langer Zeit hervorgebracht hat", in Kölscher Umgebung einen Auswärtsmalus hat und seine Spree-Schnauze deutlich zurücknehmen muss, stemmt er die Geschichte mit Leichtigkeit.

    Dass Krömer zwar immer Zentrum des Films bleibt, seine Unsichtbarkeit für die Umwelt – abgesehen von ein paar zu billigen Gags – aber dennoch glaubhaft und amüsant vermittelt wird, zählt zu den großen Stärken von „Eine Insel namens Udo". Mit Fritzi Haberlandt hat Krömer genau die passende Frau an seiner Seite. Die meist eher für schwerere Stoffe („Kalt ist der Abendhauch" „Erbsen auf halb 6") bekannte und zu den besten deutschen Film- und Theaterschauspielerinnen ihrer Generation zählende Berlinerin ist als privat entscheidungsunfreudige, verstockte und übernüchterne Hotelmanagerin voll in ihrem Element. Obwohl gleich eine ganze Reihe weiterer skurriler Nebenfiguren aufgefahren werden, vermeidet es Kinodebütregisseur Markus Sehr glücklicherweise weitestgehend, diese für schnelle Lacher auszuschlachten, sondern platziert sie meist geschickt als Spielball für die beiden Protagonisten.

    Markus Sehr und sein Co-Schreiber Clemente Fernandez-Gil variieren die Story Kauz-trifft-Kauz nur marginal, aber meist charmant. Das fängt mit einer witzigen Schwarz/Weiß-Dokumentation über das Symptom der Unsichtbarkeit an, die bewusst surreal gehalten ist. Leider wird das noch einmal unnötig dick unterstrichen, wenn der dozierende Psychiater nebenbei als Achterbahnpionier ausgewiesen wird. Neben diesen etwas flacheren Kalauern gibt es aber lange Krömer-Sequenzen, die ein Dauerlächeln auf die Lippen des Publikums zaubern dürften – und das erstaunlicherweise oft, ohne dass der Comedian sein vorlautes Mundwerk öffnen muss. Die schönsten Passagen sind Udos Stimmungslage entsprechend gestaltete Collagen, die ihn in „seinem" Kaufhaus zeigen.

    Dabei beweist sich Markus Sehr, ein mit eindrucksvollen Kurzfilmen aufgefallener Absolvent der Filmhochschule Köln, als Regisseur, dem in Zukunft noch einiges zuzutrauen ist. Gerade die längeren Einstellungen und Collagen sind punktgenau inszeniert und bestens durchgeplant, wie man es sonst nur von den – im Übrigen grundverschiedenen - Ausnahmeregisseuren der Berliner Schule wie Thomas Arslan („Im Schatten") oder Christoph Hochhäusler („Falscher Bekenner") kennt. Auch wenn sich Regisseur und Autor Sehr Humor-Hintergrundrauschen wie ein Bibelkochbuch oder eine Anne-Frank-Verfilmung mit Hannelore Elsner nicht verkneifen kann, bleibt „Eine Insel namens Udo" immer unterhaltsam. Dass Kurt Krömer nicht den einfachen Weg einer Haudraufkomödie mit seiner bereits durch Fernsehen und Bühne etablierten Figur gewählt hat, erweist sich sogar als Trumpf: Fans entdecken eine neue Seite an ihm und Spötter könnten glatt noch bekehrt werden.

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