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    Das Leben ist zu lang
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Das Leben ist zu lang
    Von Ulf Lepelmeier

    Dani Levy konnte 2006 mit seiner Komödie „Alles auf Zucker" einen Überraschungserfolg landen und genießt seitdem nicht nur eine gewisse Narrenfreiheit, sondern scheinbar auch das Vertrauen der gesamten deutschen Starriege. Auch wenn sein im Dritten Reich angesiedelter Nachfolgefilm „Mein Führer" als zu orientierungs- und harmlose Hitlerposse unterging, gaben sich die bekannteren einheimischen Darsteller regelrecht die Klinke in die Hand, um zumindest kurz einmal bei Levys neuestem Projekt „Das Leben ist zu lang" in die Kamera zu schauen. Der Schweizer Regisseur versucht sich mit dieser Komödie an einem satirischen Blick auf die deutsche Filmbranche und lässt seinen vom Unglück verfolgten Protagonisten an sich selbst und gleich auch an der ihm übel mitspielenden Realität zweifeln. Doch Levy, der sich gern als eine Art deutschsprachigerWoody Allen etablieren möchte, ist mit dieser abstrusen und gänzlich uncharmanten Komödie unerreichbar weit weg von seinem großen New Yorker Vorbild.

    Alfi Seliger (Markus Hering) versucht seit Jahren vergebens an den Erfolg früherer Jahre anzuknüpfen. In der Filmindustrie ist der Glanz seines Erfolgsfilms „Mein blaues Wunder" längst verblasst und so bemüht sich der liebenswerte Loser zunehmend verzweifelt sein neuestes Drehbuch an den Mann zu bringen. Privat ergeht es dem sich selbst als Nebbich bezeichnenden Alfi auch nicht viel besser. Die beiden Kinder empfinden ihn als peinlich und seine Pornos synchronisierende Frau (Meret Becker) würde ihren jüdischen Hypochondergatten liebend gern für ihren Boss verlassen. Auch von der Mutter (Elke Sommer) bekommt Alfi Druck, der Hausarzt (Heino Ferch) konfrontiert ihn allzu gern mit möglichen Krankheiten und sein Psychiater-Guru Tabatabai (Udo Kier) rät ihm auch schon mal zum Selbstmord. Auf einem Empfang trifft der Unglückliche dann auf die durchtriebene Natasha (Veronica Ferres), die ein Auge auf ihn und zugleich auf eine Rolle in seinem Skript wirft. Sie nötigt ihren einige Jahre älteren Produzenten-Ehemann dazu, dass Projekt umzusetzen. Doch der Deal birgt einige Tücken und das Leben hat noch einige weitere Gemeinheiten für Alfi parat...

    Er wollte einen selbstreflexiven Film drehen und einen persönlichen, ein Porträt der Filmindustrie und eine Erzählung von der Gier nach Ruhm und Geld. Levy sagt selbst, dass er mit „Das Leben ist zu lang" seinen Vorbildern Truffaut, Fellini, Almodóvar und insbesondere Allen nacheifern will, doch er überhebt sich bei diesem Unterfangen maßlos. Schon die Hornbrille des Protagonisten gemahnt an Woody Allen und damit auch an dessen Neurosen. Dass der Name von Levys Protagonisten, Alfi Seliger, sofort eine Assoziation zu der um einiges charmanteren Figur des Alvy Singer aus dem „Stadtneurotiker" hervorruft, ist dann nur noch Anbiederung an das unerreichbare Original.

    Alfis Mutter gibt ihren Sohn einmal zu verstehen, dass er weder witzig noch geistreich sei. Diese verletzende Einschätzung passt nicht nur zu ihrem Sohn, sondern umschreibt auch Levys Film vortrefflich. Der zu Beginn noch in Spuren präsente Witz verflüchtigt sich in der Folge schnell und der Film mündet in nichtige Albernheiten. Das Spiel mit den Realitätsebenen, mit einem Protagonisten, der mehr und mehr erkennt, dass sein verkorkstes Leben einfach auf einem Drehbuch basieren muss, wird viel zu uninspiriert durchexerziert, als dass es als besonders einfallsreich bezeichnet werden könnte. Auch die als satirische Spitzen geplanten Anspielungen auf das schillernde Haifischbecken der deutschen Filmbranche sind auf Grund ihrer Beliebig- und Zahnlosigkeit nur für ein gelegentliches müdes Lächeln gut.

    Schon bei seinem vorherigen Film „Mein Führer" bot der Regisseur eine ganze Riege namhafter Schauspieler auf, in „Das Leben ist zu lang" hat er die Starfrequenz nun noch deutlich gesteigert, ohne dabei das Potential der Darsteller auszunutzen. Die Gastaufritte verkommen zum rein illustrativen Selbstzweck, zur Protzerei ohne tieferen Sinn. So streitet Alfi zu Beginn mit Karoline Herfurth („Das Parfum", „Im Winter ein Jahr"), stolpert dann über Katja Riemann („Agnes und seine Brüder") und geht anschließend einfach an Katrin Sass („Good Bye, Lenin!") vorbei, um Michael Herbig („Der Schuh des Manitu") ein Skript zu seinem Filmprojekt über den Karikaturenstreit mit dem Titel „Mohammed lacht sich tot" in die Hand zu drücken, das er auch schon mal unter dem Alternativnamen „Mo-Ha-Ha-med" anpreist. Die genannten Darsteller kommen anschließend bis auf Herbig überhaupt nicht mehr in „Das Leben ist zu lang" vor und haben so gut wie keinen Text.

    . War bei Levys preisgekröntem Film „Alles auf Zucker" gerade der zwanglose Umgang mit jüdischen Traditionen erfrischend und amüsant, wirken die nun in Nebensätzen eingestreuten Anmerkungen zum Judentum nur noch aufgesetzt. Das selbstreflexive Film-im-Film-Szenario soll „Das Leben ist zu lang" wohl auf eine andere Ebene hieven, sorgt aber weder für wirkliche Überraschungen noch für einen intellektuellen Mehrwert. Die zweite Realitätsebene bringt keine psychologische Tiefe und trägt auch nicht zum besseren Verständnis des Protagonisten bei. Die sinnfreie Integration eines Wahrheitsserums in die Handlung erweist sich als besonders ärgerlich. Ein solch unnötiges Gimmick kann man vielleicht in einer drittklassigen TV-Produktion einfach aus dem Hut zaubern, hier hat es definitiv nichts verloren und als wäre Levy sich dessen selbst bewusst, lässt er das Serum ohne Aufhebens schnell wieder aus seiner Story verschwinden.

    Den Schauspielern ist das Scheitern der Komödie kaum anzuhängen. Markus Hering („Whisky mit Vodka)"), der sonst vor allem am Burgtheater in Wien in Erscheinung tritt, kann in der Rolle des deutschen Woody-Allen-Klons durchaus überzeugen. Elke Sommer ist der Spaß an der Rolle der alternden Schauspieldiva, die ihren Sohn Alfi gern einmal in den Wahnsinn treibt, anzumerken und auch das hemmungslose Overacting von Veronica Ferres („Unter Bauern", „Klimt") als überambitionierter russischer Vamp hat durchaus seinen Reiz. Nach eigener Aussage hat sie ihre Natasha zwischen dem Machthunger eines Putin und der Grandezza einer Marlene Dietrich angelegt. Kombiniert mit ihrem sehr aufgesetzt anmutenden Akzent ist Ferres' komische Darstellung dann auch für ein paar der wenigen Lacher in Levys Werk gut. Langweilig präsentiert sich hingegen Yvonne Catterfeld („U-900"), die in ihrer Rolle als von Alfi völlig hingerissene Soap-Darstellerin Caro Will genauso unnatürlich und gestelzt wirkt wie in der fiktiven Soap, in der sie innerhalb des Films eine Hauptrolle innehat.

    Fazit: „Das Leben ist zu lang" erweist sich als inhaltlich ödes Schaulaufen deutscher Schauspielerstars, die Satire auf die deutsche Filmlandschaft bleibt zahnlos. Levy verheddert sich in dem angestrengten Versuch, unterschiedliche Realitätsebenen zu verknüpfen, die vom Mammon regierte Filmwelt und ihre eitlen Geschöpfe zu veralbern sowie gleichzeitig das kaputte Leben seines bemitleidenswerten Protagonisten Alfi einzufangen. Viele Storyfäden laufen ins Leere, die Witze wollen nicht zünden und so vermag das uninspirierte Neurosenuniversum des wandelnden Stadtneurotikerklons kaum zu erheitern. „Das Leben ist zu lang" ist damit als Suchspiel nach bekannten Gesichtern gelungen, als Film aber langweilig und überaus anstrengend.

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