Die moderne Wissenschaft hat in den vergangenen 100 Jahren nicht nur einen Paradigmenwechsel erlebt. Doch keiner davon dürfte so folgenreich gewesen sein, wie das Emporstreben der Informationswissenschaften. Das Kino kann davon Geschichten erzählen. Geschichten, die mittlerweile ein beachtliches Sammelsurium dystopischer Bilder ins kulturelle Gedächtnis gefräst haben. Als moderne Schreckgespenster könnte man sie bezeichnen, die „Replikanten" und „Surrogaten", jene künstlichen Alter Egos, die uns gerade deshalb das Fürchten lehren, da sie uns immer ähnlicher werden. Ihre Genesis beginnt bisweilen dort, wo uns der Computer das Wissen abnimmt – an der Stelle, an der wir uns seinen Automatismen anvertrauen. Als „Plug & Pray" ironisiert Jens Schanze diese Ambivalenz aus Skepsis und blindem Technikvertrauen. Auch sein K.I.-Dokumentarfilm wagt einen Blick in eine mögliche Zukunft, konkreter Bezug bleibt jedoch die Wissenschaftspraxis der Gegenwart. Und die sieht im Grunde wenig bedrohlich aus. Natürlich zeigt auch Schanze, wie sich mit Roboterprototypen jetzt schon verblüffende Effekte erzielen lässt, und natürlich fallen dementsprechend auch kritische Sätze. Begeisterung und Skepsis halten sich jedoch die Waage – Schanze leistet über weite Strecken also vor allem diskursanalytische Arbeit. Dass sich der Filmemacher am Ende über die Emotionalität seiner Bilder dann doch noch auf die Seite der Kulturkritik schlägt, wirkt hingegen inkonsequent.
Aufgebaut ist „Plug & Pray" auf dem Meinungsgegensatz der intellektuellen Schwergewichte Joseph Weizenbaum und Raymond Kurzweil. Der milliardenschwere Erfinder des Musiksynthesizers und Pionier auf dem Gebiet der Spracherkennung ist überzeugter Vertreter der sogenannten Singularitätsthese, nach der die Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts exponentiell bis zu dem Punkt anwächst, an dem der Mensch nicht länger an seine biologischen Zwänge gebunden ist. Die Folge wäre die Unsterblichkeit des Menschen. Weizenbaum hingegen begreift sich selbst als „Dissident und Ketzer der Informatik" und positioniert sich ablehnend gegenüber Kurzweils Wissenschaftsromantik: Computer, so sein Argument, rauben der Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes den Verstand und führen in den Untergang. In eindringlichen Plädoyers weist er deshalb auf die Gefahren einer zu optimistischen Technologiegläubigkeit hin - Dürrenmatts „Physiker" lassen grüßen. Aus dieser markanten Gegenüberstellung beider Männer extrahiert Schanze nicht nur persönliche, sondern auch kulturelle Unterschiede. Weizenbaums Argumente folgen der Tradition alteuropäischer Subjektphilosophie, während Kurzweil eine Form des anglo-amerikanischen Pragmatismus predigt. Minoru Asada, Professor an der Universität von Osaka, erklärt hingegen, dass die asiatische Kultur keinerlei Probleme mit den Robotern hätte, da man dort schon immer an die Beseeltheit jeglichen Materials glaube.
Über diese kulturwissenschaftliche Lesart hinaus bleibt „Plug & Pray" jedoch eine recht konventionelle Dokumentation, die keinerlei eigenständigen Thesen entwickelt. Das gezeigte Material ist zwar umfangreich, einer Zuspitzung über die Kurzweil/Weizenbaum-Dialektik hinaus steht dieser Pluralismus aber eher im Weg. Dabei wäre – auch im Hinblick auf den durchaus pointierten Filmtitel – mehr drin gewesen. Gerade dass scheinbar zunehmend nicht mehr zwischen Wissen und Glauben unterschieden werden kann, hätte einer weiteren Ausarbeitung bedurft. Schanze zeigt jedoch keine brüchigen Momente ekstatischer Faszination, sondern lässt die informativen Monologe unkommentiert im Raum stehen. Schade, denn für einen Zugang hätte es ein prominentes Vorbild gegeben: Werner Herzog hat mit „Encounters At The End Of The World" demonstriert, was sich aus wissenschaftlichen Sätzen an religiöser Ekstase herausschälen lässt - Neutrinos werden bei ihm zu Glaubenspartikeln, Eishöhlen zu Kathedralen und Wissenschaftler zu Gläubigen. Etwas von der Findigkeit des eigenwilligen Filmemachers hätte „Plug & Pray" enorm aufgewertet, ein herzogähnliches Gespür für das Indifferente hinter den wissenschaftlichen Rationalitäten lässt Schanze jedoch vermissen.
Ganz ohne philosophische Färbung endet der Film dann aber doch nicht. Noch während der Dreharbeiten verstarb Weizenbaum, woraufhin Schanze das letzte Drittel seiner Dokumentation fast schon biografisch auf seine Person zuschnitt. Begleitet von Impressionen, die stimmungsvoll zwischen melancholischer Naturkulisse und kühlen Industrieparks changieren, darf Weizenbaum in vor seinem Tod aufgezeichneten Besinnungen sein Leben Revue passieren lassen. Der Respekt des Filmemachers vor der Lebenserfahrung des kauzigen Philosophen durchdringt dabei jede Einstellung. Fast wirkt es, als hätte sich Schanze vom Schicksal seines Protagonisten bekehren lassen. Die Tragik hinter Weizenbaums vergeblichem Kampf gegen die Mühlen der Wissenschaft wird über die Authentizität der Bilder eingeholt, die dadurch zum Vehikel einer humanistischen Moral werden. Gegen Ende wandelt sich „Plug & Pray" dadurch doch noch zu einem ethischen Lehrstück: Weizenbraum tritt als gebrochener Don Quijote auf, der nachdenklich in einem Boot auf der Ruhr dahintreibt, dann ein leeres Arbeitszimmer und einige Umzugskisten - sie alle klagen das verlorene Erbe der großen Denker der Aufklärung ein.