Die leichtfüßig gemeinte Sommerkomödie „Marcello Marcello" ist ein Musterbeispiel für jene Art von harmlosen, konventionellen und kraftlosen Filmen, die nach dem Anschauen sofort vergessen werden, da ihr jeder Funken Originalität und jede eigene Idee abgeht. Der Regelbruch oder wenigstens ein neues Arrangement der altbekannten Elemente interessieren den Schweizer Filmemacher Denis Rabaglia („Azzurro") nämlich nicht im Geringsten. Mit seinem zweiten Spielfilm, der auf dem Roman „Marcello und der Lauf der Liebe" (2003) basiert, hat er eine naive romantische Komödie inszeniert, die sich auf Postkartenmotive von italienischen Seitengassen, von Sonnenuntergängen und hübschen Menschen verlässt, ohne althergebrachte Erzählmuster auch nur im Geringsten zu variieren.
In den Fünfzigern entscheiden natürlich noch die Väter über das Liebesleben ihrer Töchter. Die Kleinstädter auf der fiktiven italienischen Insel Amatrello pflegen einen diesbezüglichen Brauch: Am achtzehnten Geburtstag einer jungen Frau können sich alle interessierten Männer um ein Date bewerben, wobei sie die Aufwartung dem jeweiligen Vater machen müssen: Sie überreichen ihm Geschenke und er entscheidet dann, wer mit der Tochter ausgehen darf. Marcello (Francesco Mistichelli) findet das dämlich und überholt. Doch dann verliebt er sich in die umwerfende Bürgermeister-Tochter Elena (Elena Cucci) und steigt in den Liebestrubel ein. Das ultimative Geschenk – erworben in einem verschwurbelten Tauschhandel, der nach und nach auf die ganze Kleinstadt übergreift – soll den Bürgermeister von Marcellos wahrhaftigen Gefühlen überzeugen.
Ein wenig erinnert Denis Rabaglias Film an einige Pizzawerbespots oder an Imagefilmchen der Tourismusbranche. Der Regisseur arbeitet mit derselben Zuckerwatte-Romantik und zeichnet dasselbe zauberhafte Klischee-Bild einer italienischen Kleinstadt: Er zeigt uns die naiven, schönen und lieben Menschen, die dort leben, malerische, musikalisch großzügig unterlegte Sonnenuntergänge, das azurblaue Meer und die großen braunen Augen, die scheinbar alle wunderschönen Italienerinnen haben. Nun ist es an sich völlig in Ordnung, einen Liebesfilm auf dieser Folie zu inszenieren; der Kitsch war nämlich noch nie ein Problem des Kinos, er wird allenfalls durch die Art und Weise der Erzählung und Inszenierung zum Stolperstein. Denis Rabaglia tappt allerdings mit vollem Elan in diese Falle, denn er nimmt die Klischees für bare Münze und reproduziert sie nur, ohne Reflektion und ohne einen Anflug spielerischer Distanz.
Ein wenig erinnert „Marcello Marcello" an Jean-Pierre Jeunets „Die fabelhafte Welt der Amelie", der mit Paris im Prinzip dasselbe macht wie Rabaglia mit Süditalien. Wie die unzähligen anderen Amélie-Epigonen kann er seinem Vorbild jedoch nicht das Wasser reichen. Wo Jeunet originell war, mit neuen Bildern überzeugte und seine touristische Postkarten-Ästhetik etwa in der Sequenz mit dem Gartenzwerg selbst zum Thema machte, ist Rabaglia uninspiriert, konform und öde – rein technisch zwar auf kinotauglichem Niveau, aber eben kein bißchen mehr. Die teils irrwitzigen, liebenswürdigen und durchweg charmanten Figuren um Amélie, die vielen, oft absurden Details sowie die halsbrecherische Abfolge von Aktionen und Reaktionen halfen Jeunet das unansehnlich Kitschige zu vermeiden. Anders geht es Rabaglia, dessen Bemühungen stets konstruiert und oft leblos wirken: Sein verliebter Marcello überschreitet die Grenze zum Abgeschmackten mit Leichtigkeit.
„Marcello Marcello" bietet nichts anderes als das Erwartbare, also Kitsch und Altbekanntes. Dieses Suhlen im Konventionellen vollführt Regisseur Rabaglia allerdings mit großer Konsequenz. Wer also eine kleine Schwäche für das Kitschige hat und die Pizza-Alberto-Werbung mochte, seinen letzten Urlaub in Italien verbracht hat oder wem bei „Die fabelhafte Amélie" ganz warm ums Herz geworden ist, dem mögen die Liebesnöte von Marcello durchaus ein wenig Freude bereiten. Das Vergnügen ist jedoch strikt auf die Spieldauer des Films begrenzt und verpufft nach dem Abspann unverzüglich, denn einen erzählerischen Mehrwert besitzt „Marcello, Marcello" nicht.