Eine Konfliktlösung ohne Verlierer zu erarbeiten, das ist ein schwieriges Unterfangen. Kommt es jedoch zu einer Einigung, von der alle Parteien profitieren, wird dieser Ausgang als „Win-Win-Situation" bezeichnet. In Thomas McCarthys dritter Regiearbeit (nach „The Station Agent" und „Ein Sommer in New York - The Visitor") macht der Filmemacher den Titel zum Programm. McCarthy konzentriert sich weniger auf die Auflösung eines Konflikts als vielmehr auf den mühsamen Prozess der Konfliktlösung. Dabei nimmt er sich viel Zeit, auf die Wünsche und Bedürfnisse der Figuren einzugehen. Eine hochklassige Besetzung um Indie-Ikone Paul Giamatti („Sideways", „Barney's Version") und eine einfühlsame Inszenierung der täglichen Höhen und Tiefen des Lebens lassen „Win Win" zu einem Film werden, der trotz vorhersehbarem Handlungsverlauf bestens unterhält.
Mike Flaherty (Paul Giamatti) ist in einer Sackgasse angekommen. Seine Anwalts-Kanzlei läuft mehr schlecht als recht, sein Ringer-Team, in dem er als ehrenamtlicher Trainer arbeitet, hat seit geraumer Zeit keinen Sieg mehr eingefahren und gesundheitlich ist er ein Wrack. Um ein paar Dollar extra zu machen, übernimmt er die Betreuung seines senilen Klienten Leo (Burt Young), der zwar lieber in seiner Wohnung bleiben würde, aber von Mike schnurstracks in ein Altersheim verfrachtet wird. Als Leos Enkel Kyle (Alex Shaffer) vor dessen Wohnung auftaucht und sich weigert, zu seiner drogenabhängigen Mutter und ihrem prügelndem Freund zurückzukehren, ist Mike gezwungen, ihn erst einmal bei sich einzuquartieren. Langsam wird der stumme Teenager ein Teil der Familie – als sich herausstellt, dass er auch ein brillanter Ringer ist, schwebt Mike in Glückseligkeit. Doch plötzlich steht Kyles Mutter Cindy (Melanie Lipsky) vor der Tür...
Regisseur und Drehbuchautor Thomas McCarty zeichnet melancholische Figuren: die kleinen Helden und gescheiterte Idealisten einer modernen Gesellschaft, die mit den alltäglichen Tücken des Lebens zu kämpfen haben. So auch Mike; der erfolglose Anwalt ist zwar im Grunde seines Herzens ein aufrechter Mensch, kann der Versuchung des schnellen Geldes aber nicht widerstehen. Einen Fehltritt später verläuft sein Leben bereits in neuen Bahnen. Leider wirken diese Bahnen stets durchkonstruiert und bleiben vorhersehbar, weswegen „Win Win" phasenweise wie eine überlange Sitcom-Folge wirkt. Diese Schwäche bügelt McCarty jedoch mit seiner liebevollen Figurenzeichnung aus. So ist es ein Vergnügen, dem Treiben der vom Leben gebeutelten Freizeit-Ringkampftrainer Mike (Paul Giamatti), Terry (Bobby Cannavale) und Stephen (Jeffrey Tambor) am Spielfeldrand zuzuschauen.
Ihr kindliches Gerangel und die überschäumenden Freudenstürme bei einem der raren Siege übertrifft sogar die Ausgelassenheit der siegreichen Sportler. Für kurze Augenblicke sind Sorgen und Ängste da wie weggeblasen, Lebensgeister blühen wieder auf. Nach „Ein Sommer in New York - The Visitor" beweist McCarthy einmal mehr sein Casting-Gespür. Paul Giamatti ist in seiner Paraderolle als Jedermann von nebenan zu sehen, die er gewohnt brillant verkörpert. Erinnert sein Mienenspiel zeitweilig etwas an den übel gelaunten Harvey Pekar aus „American Splendor", kann er im nächsten Moment eine solche Freude und Gelöstheit ausdrücken, dass man ihm kaum wieder erkennt. An seiner Seite: die bezaubernde Amy Ryan („Dan - Mitten im Leben") als fürsorgende Mutter, die sich nach anfänglichen Schwierigkeiten rührend um den mundfaulen Teenager Kyle kümmert.
Kyle wurde großartig besetzt mit Newcomer Alex Shaffer, der hier ein starkes Leinwanddebüt gibt. Großartig, wie er den Teenager auf dem Höhepunkt seiner Unerreichbarkeit gibt: verschlossen und desinteressiert; und das so lebensnah, dass man sich unwillkürlich an seine eigene „schwierige" Phase erinnert fühlt. Dennoch oder gerade deswegen entwickelt sich der zurückgezogene Teenager während der 106 Minuten Spielzeit zum Publikumsliebling und heimlichen Attraktion des Films. Besonders originell sind diese Minuten zwar nicht, jedoch verkaufen McCarthy und sein spielfreudiger Cast Altbekanntes auf eine frische Art.
Fazit: „Win Win" bietet einen angenehm unaufgeregten Einblick in Freud und Leid der amerikanischen Mittelschicht, der nicht nur Freunden des Independent-Kinos ans Herz gelegt sei.