Dysfunktionale Charaktere scheinen zurzeit "in" zu sein. Kein geringerer als "Silver Linings" schwimmt zuoberst auf der Welle dieses neuen Trends. Verwunderlich ist das gar nicht so sehr, wie es sich vielleicht zunächst anmutet, denn kaum ein Genre nutzt sich qualitativ so schnell ab, wie die romantische Komödie. Das Fach bietet schließlich kaum Überraschung, mag man zumindest meinen, wenn man die gewaltige Flut an Jennifer Aniston und Co. - Filme jedes Jahr aufs Neue auf sich zustürmen sieht. Und es ist immer wieder schön, so inszenatorisch frische und thematisch interessante Werke zu sehen, wie es "Take this Waltz" ist.
Schon zu Beginn wird das Augenmerk auf die Figur gelegt mit der der ganze Film steigt und fällt, mit der unnachahmlichen Präsenz von Michelle Williams. Sie verkörpert ein fast völlig unbekanntes Frauenideal, naja zumindest wurde ihr Charakter noch nicht todgefilmt. Sie steht zwischen ihren verschiedenen Einrücken um sich herum und ist selber äußerst labil und schwer zu entschlüsseln. Immer wieder wird mit der Kamera auf ihre Kindlichkeit draufgehalten, ein Charakter, der äußerst vorsichtig zu behandeln ist, vor allem von ihrem Mann. Und den bekommt sie mit Seth Rogen's verkörperter Figur auch zunächst. Er ist geduldig und weiß um die Eigenschaften an seiner Frau, betont aber auch immer wieder, dass es die sind, die ihm an ihr gefallen. Williams's Margot hängt allerdings schon von Anfang des Films an auch zwischen der Figur Daniel und ihrem Mann Lou. Daniel fordert von ihr, aus sich hinauszugehen und ihr Leben zu leben, wenn auch äußerst geduldig und abwartend, somit erscheint es auch lange als sei Daniel der Mann für's obligatorische Happy - End. Dennoch wird immer wieder gekonnt angedeutet, dass vor allem die humoristischen Eigenschaften ihres Mannes Margot gefallen, sie steht zwischen zwei Seiten, die sie schwer gegeneinander abwegen kann und vor allem will. Somit ist es nur logisch, dass sich das Schicksal quasi durch die Postkarte selber fügt.
Daniel selbst ist erfreulichweise nie platt gezeichnet, er steht zwischen dem obligatorischen Arschloch oder eben klischeeüberladenen Sympathieträger genauso wie Ehemann Lou, ein erfreulicher Kniff des starken Drehbuch. Das liegt auch damit zusammen , dass auch Daniel psychisch nicht einwandfrei ist.
Dennoch liegt gerade in Sarah Polley's Inszenierung die wahre Stärke des Films. Polley geht bedacht vor, statt irgendetwas zu erzwingen. Sie umschifft locker sämtliche Klischees und spielt in der Leuchtturmszene zeitweise sogar mit ihnen, ehe Margot dann aus ihrem Traum erwacht und den Zuschauer vor den Kopf stößt. Im Übrigen nicht die einzige Szene, die den Zuschauer aufzucken lässt. Immer wieder sind es sehr emotionale und gekonnte Szenen, wie die Fensterszene zwischen Margot und Lou, aber auch deren Blödeleien wirken so lebensecht und formschön, dann aber wieder auch fast schon provokant groteske Szenen, die in einer Kamerafahrt in Daniel's neuer Wohnung gipfelt und den Zuschauer immer wieder aus filmischer Eintönigkeit herausreißt.
Meisterlich ist schlussendlich dann noch die Performance von Michelle Williams, die für die Rolle der Margot prädestiniert, ja geradezu eine Unerlässlichkeit ist. Denn ihr noch so jugendliches und kindliches Aussehen verschmelzen mit ihrem Charakter in eine perfekte Symbiose. Dagegen können die anderen Darsteller nichts machen, wollen sie aber auch nicht. Die restlichen Darstellungen sind ruhig um Williams herumgesponnen, agieren dann aber überzeugend geradezu auf Knopfdruck. Erfreulich ist vor allem der ungewohnt seriöse Seth Rogen, aber auch Luke Kirby und nochmal besonders erwähntenenswert, Sarah Silvermann, sie alle sowie der eigentlich gesamte Cast ergeben ein großartig stimmiges Gesamtbild ab.
Fazit: Sarah Polley zeigt mit "Take this Waltz", was alles möglich ist, im so von Heerscharen von Frauen geforderten Premiumgenre. Sehr innovativ, realistisch und lebensecht inszeniert sie ein Werk, das gefühlvoll und romantisch anmutet und doch noch so sehr viel mehr birgt, als es auf den ersten Blick erscheint. Wenn Michelle Williams dann zu "Video kills the Radio Star" in einem Karussel umherfährt, lässt sie alles, aber wirklich alles vergessen, das sich merkwürdig anfühlt, wie die beispielsweise absurden, aber witzigen Einzelszenen, die sich irgendwie doch gut ins Geschehen eingliedern, oder auch die Tatsache, dass man eigentlich garnicht weiß, wie irgendjemand in diesem Film auch nur einen einzigen Penny besitzen kann.