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    Permanent Vacation
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Permanent Vacation
    Von Matthias Ball

    Der Kontrast könnte kaum größer sein: Während entlang der überfüllten Avenues im Herzen Manhattens das Leben pulsiert, herrscht in den Häuserschluchten der Lower Eastside eine beklemmende Stille. Und doch haben die Plätze etwas Entscheidendes gemeinsam – beide präsentieren das glanzvolle New York als Ort der Einsamkeit und Isolation. Es sind die Bilder aus Jim Jarmuschs „Permanent Vacation“, einem Film über das Leben des 16-jährigen Allie Parker.

    Aloysious Parker (Chris Parker), kurz Allie, ist ein typischer Vertreter der „No Future“-Generation. Seine Mutter ist psychisch krank, sein Vater verschwunden, von zu Hause ist Allie weggezogen. Ohne Job, Geld und Ambitionen driftet er durchs Leben, wie er sagt. Die Schule hat Allie abgebrochen, seinen Zustand beschreibt er treffend als Permanent Vacation – eine Art Dauerurlaub. Weder findet er Halt im Leben, noch hat er Perspektiven, die ihn wenigstens motivieren würden. Was ihn an diesem Zustand am meisten stört, ist die schreckliche Einsamkeit. Denn so wie das Leben an Allie vorbei zieht, so sind auch die Leute, die er trifft, nur flüchtige Bekannte. Sie alle verkörpern das radikale Außenseitertum, sind einsam und leben den gleichen Lifestyle. New York als eine der vielen Stationen auf einer endlosen Reise.

    „That’s it – time to split, time to go somewhere else.” (Allie Parker)

    Das Leben hat Allie als ziemlich sinnlose Veranstaltung enttarnt. Er hat zwar keine Ahnung, was er will, ist sich aber zumindest in dem sicher, was er auf keinen Fall will: Anpassung – an ein System aus grauen Anzugträgern, in der jede Form der Rebellion bereits im Keim erstickt wird. Allie ist ein Existenzialist, der sich dem passiven Widerstand gegen den Zwang zur Anpassung hingibt. Längst hat er sich vom Mainstream und einer in seinen Augen viel zu konformen Gesellschaft losgelöst. Seinen Unterhalt bestreitet er als Kleinkrimineller, der Überdruss und die Langeweile sind ständige Begleiter, die sich in der Lakonie und Sprachlosigkeit seines Ausdrucks widerspiegeln. Was ihn prägt, ist das Lebensgefühl einer vergangenen Generation: schmuddelige Klamotten seiner Vorbilder und der Sound von Charlie Parker und dem Bebop der vierziger und fünfziger Jahre.

    Im Mittelpunkt der Handlung stehen die kleinen Details des Lebens, zufällige Begegnungen, die auf den ersten Blick so unbedeutend scheinen, dass sie kaum weiter erwähnenswert wären. Wieso auch einen Film über den Kaiser von China drehen und nicht über einen Typen, der gerade seinen Hund ausführt? Die Szene etwa, in der Allie einen Saxophonspieler trifft, über den er kurz zuvor einen Witz gehört hat, ist einer jener Momente, die erst in Verbindung miteinander eine sinnvolle Struktur ergeben. Durch das gnadenlose Reduzieren seiner Bilder schafft Jarmusch einen Stil, wie er minimalistischer nicht sein könnte. Angefangen bei den Räumen, in denen sich Allie bewegt, bis hin zu den statischen Einstellungen seiner Kamera – was zurück bleibt, ist ein schonungsloser Blick auf Allies Seelenzustand und die Suche nach einer Identität, die er womöglich nie finden wird.

    Die Arbeit als Regisseur war für Jarmusch beinahe schon beendet, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. Nach einem Literaturstudium an der Columbia University und einem Aufenthalt in Paris absolvierte Jarmusch ein Filmstudium an der Tisch School of Arts der New Yorker Universität NYU – bekam aber zunächst keinen Abschluss. Denn anstelle eines Kurzfilms, der als Abschlussarbeit vorgesehen war, drehte er mit dem Geld aus seinem Stipendium „Permanent Vacation“. Mit der Begründung, dass der Film zu schlecht sei, durfte ihn Jarmusch jedoch nicht einmal auf dem universitätseigenen Film Festival zeigen. Eher durch Zufall wurde „Permanent Vacation“ dann für das Internationale Film Festival in Mannheim ausgewählt, wo er überraschend einen Preis für den besten Film erhielt. Nachdem sich der WDR die Fernsehrechte sicherte, waren schließlich auch die finanziellen Probleme gelöst und Jarmuschs Zukunft vorerst gesichert.

    In erster Linie lebt „Permanent Vacation“ von seinem Ausdruck und der minimalistischen Ästhetik. Auf formaler Ebene verzichtete Jarmusch auf nahezu alle elementaren Bestandteile des Hollywood-Films, wie den Plot, die Action, oder auch nur den Ansatz einer Spannungskurve. Nebenbei engagierte er keine Schauspieler, sondern gute Freunde wie Chris Parker und John Lurie. Ziel war es, den Blick ausnahmslos auf Allie zu fokussieren, ihn zu beobachten und gleichzeitig die Eindrücke eines menschenleeren und tristen New Yorks einzufangen. Mit langen, ruhigen Einstellungen, einer festen Kameraposition und grobkörnigem Material entzieht er der Metropole all ihre Faszination und präsentiert sie als den Inbegriff urbaner Langeweile: alt, verfallen und hässlich. Im gleichen Atemzug fällt Allie eine nüchterne Bilanz seines bisherigen Lebens und einer in seinen Augen nur auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft, in der das Individuelle nicht mehr existieren kann.

    Das Reisen ist ein oft verwendetes, vielleicht sogar das zentrale Motiv in Jarmuschs Filmen. Ob quer durch die Sümpfe Louisianas in Down By Law oder auf den Spuren von Elvis Presley in „Mystery Train“ – seine Figuren werden auf irgendeine Art und Weise immer mit dem Gefühl konfrontiert, dass es gerade dort besser ist, wo sie nicht sind. In „Permanent Vacation“ sind es Allies Erfahrungen mit den Menschen aus seiner Umgebung, die ihn schließlich zur Flucht veranlassen. Dass diese Reise weder geplant ist, noch ein wirkliches Ziel hat, ist ganz im Sinne Jarmuschs: „Das wirkliche Leben hat auch keinen Plot, warum sollten Geschichten unbedingt einen haben?“

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