„Assault On Precinct 13“, in Deutschland schon unter den Titeln „Assault - Anschlag bei Nacht“ (Kino- und DVD-Titel der Special Edition) und „Das Ende“ (DVD- und Video-Titel) erschienen, ist eine Hommage an einen Film von Howard Hawks, dem Lieblingsregisseur von John Carpenter. Wie in seinem Vorbild Rio Bravo erzählt der ewige Hollywood-Außenseiter Carpenter vom Kampf einer letzten, belagerten Gruppe von Aufrechten in einer verwahrlosten Gegend. Vor den Türen ihres Gebäudes, eine wilde gesichtslose Masse, fest entschlossen, sie alle zu töten. Hier zeigt sich der Einfluss von George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten, der als Inspiration ähnlich bedeutsam war, wie der Hawks’. Doch der mit minimalistischen Mitteln realisierte Großstadt-Western ist kein Plagiat, erschöpft sich auch nicht in seinem Zitatenschatz, sondern ist ein perfektes Exempel für hochspannendes, perfekt fotografiertes und beeindruckendes Genrekino.
Die Handlung ist zwar nicht wie beim großen Vorbild „Rio Bravo“ im Wilden Westen angesiedelt, aber in einer ähnlich trostlosen Umgebung. Im Los Angeles der 70er Jahre versetzen Banden die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Polizei hat zwar gerade erfolgreich einen Einsatz hinter sich gebracht, doch es gibt einen Umstand, der den Beamten Kopfzerbrechen bereitet: Ein großer Bestand von automatischen Waffen wurde gestohlen. In den Händen einer gut organisierten Bande wird dieses Arsenal eine unbeschreibliche Bedrohung darstellen.
Vor diesem Hintergrund bekommt der Zuschauer mehrere Figuren vorgestellt. Da ist der Polizist Ethan Bishop (Austin Stoker, Schlacht um den Planet der Affen), dem eine besonders langweile Nachtschicht bevorsteht. Er soll ein Polizeirevier bewachen, das umgesiedelt wird. Ein Job, der eigentlich eine geruhsame Nacht verspricht, doch es kommt alles anders als er denkt. Denn dieses Polizeirevier wird gleich der Anlaufpunkt mehrerer Gruppen. Ein Gefangenentransport, der drei Häftlinge, darunter ein brutaler Mörder mit dem klangvollen Namen Napoleon Wilson (Darwin Joston, Eraserhead), Richtung Todeszelle bringen soll, steuert das Revier an. Einer der Gefangenen zeigt Anzeichen einer schweren Krankheit. Man will ihn ärztlich untersuchen lassen, bevor man die noch sechs Stunden dauernde Fahrt fortsetzt. Doch kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse. Der verstörte Lawson (Martin West) stürmt auf das Revier. Er wird verfolgt, mehr ist ihm nicht zu entlocken. Nur der Zuschauer weiß, dass er mit ansehen musste, wie seine kleine Tochter und ein Eiscremeverkäufer von einer Gang über den Haufen geschossen wurden. Mit der Pistole des Eismannes erschoss er den Anführer und nun sind die restlichen Mitglieder der Bande hinter ihm her. Es handelt sich um jene Gang, die im Besitz der gestohlenen automatischen Waffen ist.
Kurz nach Lawsons Ankunft ist das Telefon tot, dann fällt der Strom aus. Sowohl der einzige noch anwesende Polizist der ursprünglichen Revierbesetzung als auch der Gefangentransport werden beim Verlassen des Reviers beschossen. Nur mit Mühe und Dank des Einsatzes von Bishop überleben Napoleon Wilson und sein Mitgefangener Wells (Tony Burton, Shining, Rocky II). Die erste Bestandsaufnahme fällt verheerend aus. Vor dem Revier beziehen immer mehr Gangmitglieder Stellung, die fest entschlossen sind, ihr Leben zu opfern, um den Tod ihres Bosses zu rächen. In dieser ausweglosen Situation trifft Bishop die einzige Entscheidung, die ihr Leben retten kann. Er lässt Wells und Wilson aus ihren Zellen und gibt ihnen Waffen...
Carpenters zweite Spielfilmarbeit nach seinem trashigen und parodistischen Low-Low-Budget Sci-Fi-Film Dark Star ist heute nicht umsonst ein Klassiker, denn er überzeugt nicht nur durch eine unglaublich hohe und dauerhafte Spannung, sondern auch durch eine für das Genrekino ungewöhnlich große Liebe zu den Figuren. Man nimmt sich relativ viel Zeit, um dem Zuschauer die handelnden Personen näher zu bringen. Es dauert eine ganze Weile, bis alle auf dem Polizeirevier eintreffen und die Schlacht beginnt. Doch von Anfang an wird eine dermaßen extreme Spannung aufgebaut, wie man sie nur selten geboten bekommt. Immer wieder sieht man zum Beispiel am Anfang die vier Gangmitglieder, die mit ihren Gewehren auf Menschen zielen, jeden Moment muss man damit rechnen, dass sie schießen, was dann aber doch nicht geschieht. Als sie dann urplötzlich den Eisverkäufer und das kleine Mädchen töten, kommt dies so unvermittelt, dass die Wirkung umso brutaler ist. Man rechnet schon gar nicht mehr damit, weil die Gruppe zuvor nie abgedrückt hat, und dann geht es Schlag auf Schlag.
Hier zeigt sich die andere Seite der Inszenierung. Sie fällt sehr schlicht, ja sogar karg aus. Carpenter reduziert alles auf das Wesentliche. Keinerlei Spielereien, keine Zeitlupen oder sonstiger Schnickschnack. Gerade die Schusswechsel sind brutal kurz, was die Wirkung gleich in zweierlei Hinsicht ungemein verstärkt. Sowohl die Spannung als auch die Intensität der Szenen wird dadurch gesteigert, denn nichts lenkt von der eigentlichen Handlung ab. Auch die Kamera verstärkt so ein klaustrophobisches Gefühl, welches sich aufgrund der Enge des besetzten Reviers, das hinsichtlich sicherer Räume immer weiter zusammenschrumpft, beim Zuschauer breit macht. Das Schlichte und Direkte lässt sich besonders an der Musik festmachen. Ein einfacher Rhythmus aus dem Synthesizer bestimmt das ganze Thema. Der Verzicht auf einen Komponisten und die Übernahme des Jobs durch den Regisseur ist so mehr als Kostenreduzierung (O-Ton Carpenter: „Ein Komponist kostet 100.000 Dollar, ich mach es umsonst.“[1]), denn diese Maßnahme erweist sich als Glücksfall.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Besetzung. Vor allem Darwin Joston, der unverständlicherweise keine große Karriere hingelegt hat, als Napoleon Wilson sticht dabei heraus. Ihm gelingt es hervorragend, von Anfang an die Ambivalenz seines Charakters umzusetzen. Dem Zuschauer wird auf der einen Seite klargemacht, dass Wilson mindestens ein brutales Verbrechen begangen hat. Die Polizisten, die ihn transportieren sollen, haben zum Teil sogar Angst vor seiner einschüchternden Art. Auf der anderen Seite geht von Wilson ein unglaubliches Charisma aus, so dass ihn schon früh die bewundernden Blicke von einer der Sekretärinnen treffen. Er leitet damit eine wunderbare Tradition des typischen Carpenter-Helden ein, denn später vor allem Kurt Russell in „Die Klapperschlange“ sowie Das Ding aus einer anderen Welt (1982) (übrigens auch ein Remake eines Hawks-Films) verkörpern sollte.
Obwohl der Neuzeit-Minimalismus-Western mittlerweile schon 30 Jahre auf dem Buckel hat, ist er so immer noch hochspannend und hochklassig. Die große Klasse zeigt sich wie so oft im Vergleich mit Remakes, die es auch zu diesem Film gibt. Der Franzose Jean-François Richet hat ein solches 2005 mit Ethan Hawke und Laurence Fishburne realisiert (Das Ende). Dieses ist zwar actionreich und durchaus unterhaltsam, schadet sich aber selbst, in dem es seine Genreherkunft verleugnet und zu viel will. 2002 gelang einem anderen Franzosen schon eine bessere Neuauflage. Florent Emilio Siri, mittlerweile nach Hollywood gegangen (Hostage), zeigte mit „Das tödliche Wespennest“, dass er nicht nur Carpenter bewundert, sondern auch dieselben Vorbilder im Westerngenre hat (neben Hawks u.a. „Die glorreichen Sieben“) und lieferte so einen echten Videotheken-Geheimtipp ab. An das unerreichbare Original kommt er natürlich trotzdem nicht heran.
[1] Zitat aus einem Interview mit John Carpenter, erschienen in Splatting Image Nr. 10 - 06/92.