Nahezu zeitgleich zur deutschen Welle billig produzierter Sexfilmchen etablierte sich in Japan das Genre des Pink Eiga, das Sex und Gewalt kombiniert. In der westlichen Welt erfuhren die teilweise künstlerisch wertvollen Filme (A Woman Called Abe Sada) dank Quentin Tarantino erst kürzlich eine Renaissance. So zieht etwa die Braut in Kill Bill ähnlich wie die Pink-Eiga-Heldin Sasori los, um blutige Rache an ihren Peinigern zu nehmen. Um die Verbundenheit der Figuren zusätzlich zu untermauern, verwendete der Kultregisseur das von der Sasori 1 – Scorpion-Hauptdarstellerin Meiko Keji gesungene Lied „Urami Bushi“ für den Soundtrack seiner eiskalt servierten Rachegeschichte. Nun verlegt der Filmemacher Joe Ma in „Sasori“ die Story der geschundenen Antiheldin nach Hongkong und verwurstet sie zu einem wirr-belanglosen Remake ohne Sinn und Verstand.
Eine vierköpfige Gangsterbande zwingt Nami (Miki Muzuno), die Schwester ihres Verlobten zu töten – andernfalls müsste ihr Liebster das Zeitliche segnen. Die Bedrohte ergibt sich ihrem Schicksal und wird daraufhin für das Verbrechen verurteilt. Ihre Strafe sitzt sie in dem härtesten Frauengefängnis Hongkongs ab. Um hier zu überleben, muss Nami genauso brutal und kampfesstark wie ihre Mitgefangenen vorgehen. Es ist ihr einzig verbliebenes Ziel, das sie dabei am Leben hält: die Rache an den Verbrechern, die ihr glückliches Leben völlig zerstörten…
Wäre da nicht Simon Yams (Election, Lara Croft Tomb Raider: Die Wiege des Lebens) Gastauftritt als leichensammelnder Lehrmeister, würde es wahrlich schwer fallen, etwas Positives über „Sasori“ zu sagen. Zwar sind auch diese Szenen, in denen Nami die Kampftechniken von ihrem Mentor eingebläut bekommt, völlig klischeeüberfrachtet. Aber selbst ein auf Sparflamme agierender Simon Yam lässt das restliche Ensemble erblassen.
Ansonsten ist „Sasori“ von einem der wohl unpassendsten Stilbrüche der Filmgeschichte geprägt. Zunächst erweckt Joe Mas Neubelebung den Eindruck einer düsteren Knastgeschichte, die kein Klischee auslässt. Der Gefängnisdirektor ist ein Schmierlappen sondergleichen, der Nami eine bessere Behandlung im Tausch gegen sexuelle Dienstleistungen anbietet. Und auch die anderen Gefangenen befinden sich auf direktem Weg in die Hölle: Als ehemaliges Mitglied der Oberschicht picken sie sich Nami als Opfer heraus und prügeln immer wieder auf sie ein. Die dreckigen Kämpfe sind ziemlich ereignislos inszeniert – allein das Wälzen im Schlamm dürfte den Kämpferinnen etwas Aufmerksamkeit seitens des männlichen Publikums einbringen. Das größte Ärgernis ist aber das völlige Fehlen eines nachvollziehbaren Erzählflusses. Die einzelnen Ereignisse sind vielmehr lieblos aneinander geklatscht. Wieso genau gerade etwas passiert, lässt sich häufig nur erahnen.
Nachdem Nami dem Knast – auf äußerst seltsame Art und Weise – entflohen ist, wandelt sich der nihilistische und garstige Stil völlig ins Gegenteil. Die erschlagende, farblose Szenerie weicht einer quietschbunten Comicwelt. Urplötzlich offenbaren die Kämpfer übermenschliche Fähigkeiten. Sie fliegen durch die Luft, schmeißen tonnenschwere Gegenstände auf Nami und vollführen die abgedrehtesten Nahkampftricks. Natürlich bleibt „Sasori“ die filmische Interpretation des gleichnamigen Mangas von Tōru Shinohara, weshalb eine comichafte Überzeichnung an sich völlig legitim wäre – völlig irritierend und deplatziert ist aber der Wandel des Films vom erbarmungslosen Knastalltag zum farbenfrohen Trash-Festival.
Die Handlung entgleitet endgültig ins Abstruse, wenn sich Namis Ex-Freund sein Gedächtnis löschen lässt, um nicht mehr an die Mörderin seiner Schwester denken zu müssen. Als sich die beiden nach dieser Prozedur jedoch das erste Mal wiedersehen, springen die Funken erneut über. Alleine diese Idee der vernichteten Erinnerungen hätte schon einen ganzen Film tragen können (siehe Vergiss mein nicht!), aber die elegischen Szenen zwischen dem Paar erweisen sich nur als weiterer Fremdkörper. Trotz der ästhetischen Kameraeinstellungen bremst die Liebelei den Rachefeldzug unnötig aus - und auf der dramatischen Ebene werten sie den Film ebenfalls nicht.
Fazit: Joe Ma beweist bei seiner Neuauflage der „Sasori“-Serie nicht annähernd so viel Fingerspitzengefühl wie Quentin Tarantino bei seiner Verbeugung vor der rächenden Asiatin. Völlig am Ziel vorbeischießend inszeniert Ma eine chaotische Suppe verschiedenster Genrezutaten, die selbst hartgesottenen Fans des fernöstlichen Kinos nicht schmecken wird.