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    Mission: Impossible - Phantom Protokoll
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mission: Impossible - Phantom Protokoll
    Von Carsten Baumgardt

    Die phänomenale Karriere des Tom Cruise rauschte 2006 in ein tiefes Tal - ausgerechnet mit „Mission: Impossible III". Der dritte Teil des Action-Franchises war zwar ein Erfolg, gemessen an den hohen Erwartungen nach den beiden Vorgängern fiel der finanzielle Lorbeer diesmal aber weit bescheidener aus. Nebenbei ging Cruise dem Kinovolke mit seinen bizarren öffentlichen Liebesbekundungen für Katie Holmes gehörig auf die Nerven. Aber Hollywood bleibt ein schnelllebiges Geschäft. Cruise hat seine Lehren aus dem Selbstdarstellungs-Overkill gezogen und über die Jahre hinweg ein Comeback aufgebaut, das jetzt mit „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" als abgeschlossen und gelungen bewertet werden darf. Unter der Regie von Pixar-Maestro Brad Bird („Ratatouille", „Die Unglaublichen") zeigt sich Tom Cruise nicht nur als Schauspieler in Topform, sondern auch als Produzent. Der vierte Teil der Reihe komprimiert das Beste aus den Vorgängern und bleibt dennoch eigenständig. Nach dem soliden, aber kaum in Erinnerung gebliebenen dritten Teil von J.J. Abrams schaltet Bird in „Mission: Impossible 4" zwei Gänge hoch und legt einen fulminanten Agenten-Action-Thriller vor, der mit der „Bourne"-Reihe und den aktuellen James-Bond-Filmen locker mithalten kann.

    Auf einer Informationsbeschaffungsmission in Budapest erlebt die US-Geheimorganisation „Impossible Missions Force" (IMF) ein Desaster, bei dem Agent Hanaway (Josh Holloway) ums Leben kommt. Hanaways Partner, Agentin Jane Carter (Paula Patton) und der bei Außeneinsätzen unerfahrene Computerexperte Benji Dunn (Simon Pegg), sind düpiert. Die beiden folgen der Spur nach Moskau, wo sie aber erst einmal IMF-Legende Ethan Hunt (Tom Cruise) aus einem russischen Gefängnis befreien müssen. Ein gewisser „Cobolt" (Michael Nyqvist) hat Abschlusscodes für Nuklearwaffen der Russen in seinen Besitz gebracht und droht, diese zu starten. Hinweise darauf sollen sich im Kreml befinden. Doch Cobolt, der als schwedischer Soziopath namens Kurt Hendricks identifiziert wird, kommt dem Team zuvor und jagt einen Teil des Gebäudes in die Luft. Dumm nur, dass Hunt dort bereits aufgeflogen war und der Terroranschlag nun ihm in die Schuhe geschoben wird. Der US-Präsident startet das „Phantom-Protokoll": Fortan verleugnet die Regierung die Existenz der Organisation, die IMF ist auf sich allein gestellt. Gemeinsam mit dem Innendienstler William Brandt (Jeremy Renner) heftet sich das Trio an Hendricks Fersen und bricht gen Dubai auf. Derweil erreicht das politische Klima zwischen den USA und Russland einen neuen Tiefpunkt...

    Reboot? Remake? Oder doch nicht? Die Verwirrung vor dem Start von „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" war einigermaßen groß und der Informationsfluss spärlich. Erstmals trägt ein Film der „Mission: Impossible"-Reihe offiziell keine Zahl im Titel, so dass das Publikum auf ein eigenständiges Werk schließen könnte. Selbst Regisseur Brad Bird windet sich im FILMSTARTS-Interview um eine klare Aussage. Dabei ist eine Kategorisierung doch so einfach. „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" ist der vierte Teil der Action-Reihe, der auf den Handlungen der ersten Teile aufbaut und mit einigen neuen Figuren angereichert wird. Aber Bird und sein Drehbuchduo Andre Nemec und Josh Appelbaum („Alias - Die Agentin") haben die neue Mission so geschickt konstruiert, dass man Teil 4 auch ohne Vorwissen folgen kann, die treuen Fans des Franchises aber dennoch im Vorteil sind, weil einige ironische Anspielungen und Running Gags sonst unbemerkt vorbeirauschen.

    Fluch und Segen von „Mission: Impossible" ist seit jeher die Tatsache, dass sich die einzelne Regisseure der „M:I"-Filme inszenatorisch relativ frei austoben dürfen und ihrem Film den eigenen Stil aufdrücken können. Jeder Teil hat seinen eigenen Charakter, wie aus einem Guss wirkt das Franchise so jedoch nicht. Während Brian De Palma im besten Teil, „Mission: Impossible" (1996), einen klassischen Agentenfilm schuf, inszenierte John Woo mit „Mission: Impossible II" (2000) eine völlig überkandidelte Action-Kirmes, die das Spektakel zum Abheben brachte. Durch J.J. Abrams' gradlinigen Action-Thriller „Mission: Impossible III" (2006) wurde die Reihe wieder geerdet. Bird kombiniert nun mit sicherer Hand die Stärken aus Teil 1 und 3. Obwohl die Geschichte recht kompliziert klingt, ist die Handlung problemlos nachvollziehbar.

    Bird legt mit seinem Film ein irres Tempo vor, das er aber immer wieder geschickt an den richtigen Stellen abbremst, um nicht beliebig zu werden. Waghalsigen Stunts und rasanten Verfolgungsjagden folgen Dialogpassagen, in denen die Geschichte Tiefe bekommt. Was den vierten Teil gegenüber dem ersten ein wenig abfallen lässt, ist das Fehlen eines doppelten Bodens – unter De Palmas Regie agierte Ethan Hunt permanent im Unklaren über Freund und Feind. Bei „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" sind Gut und Böse eindeutig definiert, nur eine einzige Figur wird diesbezüglich in der Schwebe gehalten. Bird hat durchaus zwei Wendungen in Gepäck, die mit Wirkung einschlagen - die kühne Fallhöhe des Ur-Films erreicht er jedoch nicht.

    Die Actionszenen sind abgehoben und halten im Extremfall keinem Abgleich mit der Realität Stand, sind aber innerhalb des Genre-Konstrukts schlüssig. Die Übertreibung nimmt kein Übermaß an und der Einsatz der ausgefallenen Gadgets macht eine Menge Spaß. So hangelte sich die unermüdliche Rampensau Tom Cruise tatsächlich für die halsbrecherischen Aufnahmen einer besonders beeindruckenden Szene in luftiger Höhe am 828 Meter hohen Burj-Khalifa-Hochhaus in Dubai entlang – allerdings gesichert durch ein kompliziertes Seil- und Flaschenzugsystem, das natürlich nicht zu sehen ist. Auch mit der Sandsturm-Sequenz in Dubai beweist Bird Ideenreichtum und schickt Hunt auf eine Verfolgungsjagd, die so bisher noch nicht auf der Leinwand zu sehen war.

    Der Regisseur nutzt sein 140-Millionen-Dollar-Budget fast immer sichtbar optimal aus. Nur bei den wenigen computeranimierten Elementen zeigt „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" erstaunlicherweise leichte Schwächen. Die Explosion des Kremls zum Beispiel ist bestenfalls ordentlich umgesetzt, die Künstlichkeit der Sequenz nicht zu übersehen. Aber Bird setzt sowieso viel mehr auf klassische handgemachte Action. Nicht nur die physischen Schauwerte des Films sind grandios, der gesamte Look ist exquisit. Der Filmemacher führt seine Protagonisten um die halbe Welt, von Budapest über Moskau und Dubai nach Mumbai und Seattle. Dieser Ansatz erinnert auffallend an „Das Bourne Ultimatum", wohingegen die Handlung sich an den modernen Bond-Filmen orientiert und trotz dieser Anleihen eigenständig „Mission: Impossible" bleibt.

    Im vierten Abenteuer ist Ethan Hunt zum ersten Mal nicht allein im Kampf gegen das Böse, der notorisch misstrauische Einzelgänger muss ein Team führen und selbstredend transportiert Tom Cruise diese Neuausrichtung ohne Mühe. Der Hollywoodstar ist in seinem einzigen Franchise in seinem Element und mit dem neuen Einsatz absolut auf der Höhe der Zeit. Cruise ist der Dreh- und Angelpunkt, aber auch seine Sidekicks leisten gute Arbeit. Während Cruise bierernst spielt, steuert Simon Pegg („Star Trek - Die Zukunft hat begonnen", „Paul - Ein Alien auf der Flucht") als nerdiger Computerexperte mit einem Augenzwinkern den humoristischen Anteil bei. Dieser neue Aspekt fügt sich erstaunlich harmonisch ein, ohne die Action auszubremsen. Paula Patton („Precious", „Déjà Vu") ist als knallharte Agentin Carter ebenso glaubhaft und überzeugend wie die Französin Léa Seydoux („Inglorious Basterds", „Midnight in Paris") als klassische Femme Fatale des Agentengenres gefällt.

    Jeremy Renner („Tödliches Kommando - The Hurt Locker", „The Bourne Legacy"), der als neue, starke Figur etabliert wird und dessen Agent William Brandt so einige Geheimnisse mit sich herum trägt, passt sich gut in die Reihe ein und glänzt mit starker Präsenz. Ein Sonderlob verdient sich Vladimir Mashkov („15 Minuten Ruhm"), der der klischeehaft angelegten Figur eines russischen Ermittlers trotz begrenzter Leinwandzeit einiges an Charaktertiefe verpasst. Ausgerechnet Michael Nyqvist („Millenium"-Trilogie) kann da als Cobolt nicht ganz mithalten. Der Schwede bleibt als soziopathischer Erzbösewicht recht blass. Seine Handlungsmotive sind dünn und erinnern an die Bond-Filme der Sechziger- und Siebzigerjahre, selbst wenn es diesmal nicht direkt um die Weltherrschaft geht.

    Fazit: Brad Bird gelingt mit dem extrem kurzweiligen Agenten-Action-Thriller „Mission: Impossible - Phantom Protokoll" ein furioses Realfilm-Debüt. Der Regisseur führt die beliebte Filmreihe nicht nur erfolgreich in die Gegenwart, sondern auch auf Augenhöhe mit der direkten Konkurrenz aus dem Hause „Bourne".

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