Die bekannteste Arbeit von Regisseur und Drehbuchautor Peter Hedges ist wohl noch immer die Adaption seines eigenen Romans für das Drama „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa” mit Johnny Depp und dem jungen Leonardo DiCaprio. Mit „Pieces of April – Ein Tag mit April Burns” wechselte der Roman- und Drehbuchautor 2003 dann erstmalig auf den Regiestuhl, wo er sich mit seinem neuen Film „Das wundersame Leben des Timothy Green” nun einen Traum erfüllt: Schon lange wollte Hedges nach eigener Aussage einen Familienfilm mit phantastischen Elementen a la „E.T. der Außerirdische” drehen, ein Genre, das er heutzutage für unterrepräsentiert hält. Mit dem für Kinder- und Familienfilme bekannten Disney-Konzern hat Hedges das ideale Studio für solch einen Stoff gefunden. Das Ergebnis ist eine phantastische Geschichte, die einerseits äußerst schön, andererseits aber auch ausgesprochen kitschig geworden ist.
Das junge Ehepaar Cindy (Jennifer Garner) und Jim Green (Joel Edgerton) wohnt in der idyllischen Kleinstadt Stanleyville, der selbsterklärten „Bleistifthauptstadt der Welt”. Jim arbeitet in der Bleistiftfabrik, die gerade mit Umsatzschwierigkeiten zu kämpfen hat, Cindy in dem zur Fabrik gehörenden Museum. Abgesehen von der wirtschaftlich unsicheren Lage fehlt nur eins zum Glück der Familie: Ein Kind. Doch alle Versuche scheitern und ein Arzt teilt den Greens schließlich mit, dass sie keine eigenen Kinder bekommen können. Eines Abends notieren sie alle ihre Vorstellungen von einem Traumkind und begraben den Zettel in einem Holzkistchen im Garten, um endgültig mit diesem Thema abzuschließen. Doch in der Nacht tobt ein schweres Gewitter über ihrem Haus und im Garten wächst etwas Außergewöhnliches heran: Es ist ein kleiner Junge (Cameron `CJ´ Adams), dem oberhalb der Fußgelenke Blätter aus den Beinen wachsen und der Cindy und Jim ganz selbstverständlich als Eltern betrachtet.
„Das wundersame Leben des Timothy Green” ist ein modernes Märchen, das von Beginn an durch seine traumhafte Atmosphäre und die erlesenen Bilder von Kameramann John Toll (“Braveheart“, „Cloud Atlas”) besticht. Doch anders als etwa in David Lynchs „Blue Velvet” lauern unter der perfekten Oberfläche dieser Kleinstadt nicht Perversion und Verbrechen, sondern nur die ganz normalen Probleme ganz normaler Familien. Wie selbstverständlich nehmen Cindy und Jim ihr unverhofftes Glück an. Dass dem Jungen Blätter aus den Beinen wachsen, ist zwar etwas merkwürdig, aber da kann man ja einfach lange Kniestrümpfe drüberziehen. Denn so lange der Junge nicht als andersartig erkannt wird, gibt es auch kein Problem. Hauptsache die Liebe der Eltern ist echt und das ist bei den herzensguten Greens unzweifelhaft der Fall. Vor allem Jim, der als Kind wenig Liebe von seinem Vater (David Morse) bekam, möchte Timothy der perfekte „Dad“ sein. Selbst wenn sein Sohnemann beim Sport kein Talent besitzt, wird Jim für ihn kämpfen und den missbilligend dreinschauenden Opa mitreißen.
Andersartigkeit zu akzeptieren: Das ist das ebenso gesellschaftsrelevante, wie politisch korrekte Thema des Films. Und diese Aussage wird wie so vieles in „Das wundersame Leben des Timothy Green” dem Zuschauer auch überdeutlich vor Augen gehalten. Zu einem anständigen Märchen gehört schließlich auch eine explizite Moral. Die unverhohlene konservative Spießigkeit, die daneben steht, passt dagegen nicht. Niemals wird etwa der Wunsch der Eltern hinterfragt, einen makellos perfekten Sohn haben zu wollen. Und der einzige kleine Makel Timothys - die aus den Beinen wachsenden Blätter – fällt nichts Gewicht, solange es niemand merkt. Selbst die tendenziell bedrohliche Abweichung ist hier stets so harmlos, dass ihre Akzeptanz keine wirkliche Hürde darstellt. Und so scheint die eigentliche Moral des Films zu sein, dass eine geringfügige Andersartigkeit akzeptabel ist, solange das Gesamtbild nicht wirklich beeinträchtigt wird. Somit werden schließlich doch die konservativen Werte einer auf Konformität basierenden Gesellschaft bestätigt.
Fazit: „Das wundersame Leben des Timothy Green” ist ein phasenweise wunderschöner Familienfilm, der besonders durch seine zauberhaften Bilder besticht. In seinen besten Momenten verströmt Peter Hedges‘ fantasievolles Abenteuer wahre Kinomagie, offenbart hinter seiner vermeintlich progressiven Haltung jedoch überdeutlich eine konservative, spießige Moral.