Ein vergoldetes Mobiltelefon bewegt sich über einen Tisch, vorwärtsgetrieben durch seinen Vibrationsalarm. Kurz von Kokain-Resten aufgehalten, landet es schließlich auf dem durchtrainierten Hinterteil einer silikonverstärkten Dame. Daneben liegen zwei weitere leichte Mädchen - und ein verkaterter Kerl. „Love Hangover" von Diana Ross und der Einsatz hysterischer Clip-Ästhetik inklusive Splitscreen tun ihr Übriges, um in die Welt des titelgebenden Protagonisten der Komödie „Le Mac" („Zuhälter") einzuführen. Die Titelsequenz steht exemplarisch für die Vorgehensweise von Kino-Debütant Pascal Bourdiaux. Mit sichtlicher Freude am inhaltlichen und formalen Zitat werden nahezu sämtliche maskulinen Filmgenres verspottet, insbesondere Gangsterfilm und Western. Anders als etwa beim Spoof à la „Die nackte Kanone 33 1/3" oder „Scary Movie" geht es allerdings weniger um Nachstellungen einzelner Sequenzen, als vielmehr um die Karikierung und Vermischung von Popkulturklischees. Dabei ist die Geschichte eines Bankangestellten, der seinen Zuhälter-Bruder im Auftrag der Polizei verkörpern muss, zwar vollkommen nebensächlich, doch die souveräne Regie und ein bestens aufgelegtes Ensemble gleichen die trivialen Passagen gekonnt aus. Zwar verliert Bourdiaux auf die Zielgeraden seinen kreativen Drive, für witzige Unterhaltung ist bis dahin aber allemal gesorgt.
Ace (José Garcia) lebt seinen Traum. Als erfolgreicher Zuhälter hat er alles unter Kontrolle – nur Gangsterboss Tiago Mendès (Gilbert Melki) bereitet ihm Sorgen. Da letzterer ihn verdächtigt, als Polizeispitzel tätig zu sein, bekommt es der Kleinkriminelle mit der Angst zu tun - er arbeitet tatsächlich mit den Behörden. Als er plötzlich untertaucht, sind die ermittelnden Beamten schockiert, denn so scheint die Chance dahin, Aces Boss auf frischer Drogendeal-Tat ertappen zu können. Dann wird bekannt, dass Ace einen Zwillingsbruder namens Gilbert Chapelle hat, ein überkorrekter Bankangestellter und Spießer. Gilbert wird dazu angehalten, sich binnen kürzester Zeit in einen furchterregenden Luden zu verwandeln - was nicht nur aufgrund der zahlreichen Tattoos des Vorbildes recht schmerzhaft ausfällt. Nach seiner notdürftigen Ausbildung findet er sogar Gefallen an der neuen Rolle. Vor allem Stripperin Luna (Catalina Denis) hat es ihm angetan. Mendès jedoch ist auf der Hut...
„Pimp the Loser" – so könnte das Konzept hinter „Le Mac" umrissen werden. Dem Entwurf des auf den Kopf gestellten Bildungsromans, vom verklemmten Philister zum wagemutigen Rotlicht-Macker, ist seine Effektivität kaum abzusprechen. Wenn Gilbert von seinem „Lehrer" eine Backpfeife nach der anderen verpasst bekommt, durch die Wälder gehetzt wird – natürlich, „Rocky" lässt grüßen, in einer mustergültigen Montage mit Musikuntermalung – oder einen selbstbewussten Gang erlernen muss, dann werden die Lachmuskeln ordentlich strapaziert. Dass die Gags selten mal originell sind und abseits der Genre-Persiflage häufig in simplen Slapstick abgleiten, stört dabei kaum.
Bourdiaux hält das Erzähltempo hoch und beweist ein beachtliches Stilbewusstsein. Hier macht sich der Einfluss des stylischen „Cinéma du look" à la Luc Besson („Nikita") deutlich bemerkbar, von dem das französische Mainstream-Kino noch heute stark beeinflusst ist. Der funkige Soundtrack passt bestens zum schwülen, schummrigen Ambiente und sorgt für gelegentlich aufblitzendes Tarantino-Feeling. Das Interesse an der Verballhornung der 70er Jahre scheint ungebrochen. Bunte Kleidung, Glamour, Hedonismus – das ist der Stoff, aus dem (Kino-)Träume sind. Wie Bourdiaux derweil gefühlt zahllose virile Phantasien plündert, vom Mexican Standoff bis zur Palmentapete im Stil von „Scarface", das dürfte vor allem bei Cineasten für gute Laune sorgen. Zudem liefert José Garcia sowohl in ruhigeren Momenten als auch in brachialen Szenen eine hervorragende Leistung als Zwillingspaar ab.
Das gilt auch für Gilbert Melki („Angel-A"), der nicht nur im Halbdunkel Al Pacinos Michael Corleone („Der Pate") verdächtig ähnlich sieht, und speziell Almodóvar-Veteranin Carmen Maura („Volver"). Sie lässt die Stimmungsschwankungen der Gangster-Mutti zwischen Liebe und Misstrauen plausibel und absurd-komisch zugleich erscheinen. Schön, dass trotz überzeichneter Figuren und Situationen allzu Albernes ausbleibt und „Le Mac" damit immernoch Erzählung statt pure Parodie bleibt. Zusammen mit der amüsanten Grundidee und sicheren Inszenierung machen diese Merkmale „Le Mac" zu einem lohnenden Zeitvertreib. Die Kenntnis der großen Vorbilder sei hier ausdrücklich empfohlen – denn damit legt Bourdiaux' Popkultur-Achterbahn erst richtig los.