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    A Gang Story - Eine Frage der Ehre
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    A Gang Story - Eine Frage der Ehre
    Von Robert Cherkowski

    „Gefälligkeiten bringen dich schneller ins Grab als eine Kugel", das wußte schon Al Pacino in „Carlito's Way". Anders als ihre realen Pendants sind Filmgangster ihrem Ehrenwort verpflichtet, was eine Identifkation mit derart ambivalenten Figuren erheblich erleichtert – zumal ihr Verhaltenskodex in den meisten Filmen als verlockender Gegenentwurf zu spießbürgerlicher Verschlagenheit dargeboten wird. Von Jean-Pierre Melvilles „Der eiskalte Engel" über Sergio Leones „Es war einmal in Amerika" bis zu den Antihelden des Heroic-Bloodshed-Kinos à la John Woo („The Killer", „A Better Tomorrow") sind die großen Film-Gangster immer Überzeugungstäter, die für ihre Kumpanen bis zum Äußersten gehen und dafür beizeiten den höchsten Preis zahlen. Auch Edmond, der Protagonist von Olivier Marchals 2011 erschienenem Crime-Thriller „A Gang Story – Eine Frage der Ehre", sieht sich seinen kriminellen Treueschwüren bedingungslos verpflichtet. Eine besonders spannende Variation hat Marchal dem klassischen Gangster-Motiv jedoch nicht abgerungen. Trotz handwerklicher Finesse und knallharter Action fühlt sich das Macho-Märchen über weite Strecken wie eine kühle Genre-Fingerübung an.

    Einst war die Bankräuber-Gang um Edmond Vidal (Gérard Lanvin) und Serge Suttel (Tchéky Karyo) eine der meistgesuchten Diebesbanden Frankreichs. Bekanntlich soll man ja aber aufhören, wenn es am schönsten ist – mit mehr als genug Geld auf der hohen Kante fällt es Edmond also leicht, seinem kriminellen Lifestyle den Rücken zu kehren. Mit dem ruhigen Lebensabend am Pool ist es jedoch bald Essig als Ex-Kollege Serge vom ehrgeizigen Kommissar Brauner (Patrick Catalifo) verhaftet wird. Nun ist es an Edmond, seinen alten Treueschwur einzuhalten und Serge aus dem Gefängnis zu befreien. Doch dabei müssen mehrere Polizisten ihr Leben lassen, woraufhin zur Menschenjagd auf Serge geblasen wird. Als auch noch rivalisierende Gangster aufkreuzen und die Situation zu eskalieren droht, muss sich Edmond entscheiden, ob er an seinem Ehrenwort festhalten oder den Kreislauf der Gewalt stoppen will...

    Seit den Zeiten von Jean-Pierre Melville („Der eiskalte Engel") sind Gangster fester Bestandteil der französischen Filmkultur, dementsprechend unverhohlen huldigt Olivier Marchal auch dem fest etablierten Image harter Kerle und sprechender Waffen: Wer einen harten, von blutrünstiger Action getragenen Crime-Reißer sucht, wird bei „A Gang Story" fündig und auf hohem technischen Niveau unterhalten. Handwerklich wird hier ganze Arbeit geleistet – die Grande Nation kann dieser Tage mit gutem Recht stolz auf ihr hochkarätiges und popkulturell relevantes Genre-Kino sein, unter anderem dank solcher Filmemacher wie Marchal, der mit „36 - Tödliche Rivalen" und „MR 73" schon zwei Thriller-Höhepunkte abgeliefert hat. Was der Filmemacher als Stilsicherheit von dort mitbringt, das geht ihm hier allerdings an erzählerischem Feingefühl ab. Mit trantütigen Rückblenden, bei denen wieder einmal ein Gelbfilter gute alte Zeiten signalisiert, soll eine Geschichte zum Epos aufgeblasen werden, die kaum mehr als verschmuste Männerfreundschaften und exzessive Gewalt beinhaltet – dabei wird schnell sicht- und spürbar, wie kühl kalkuliert „A Gang Story" ist und wie reaktionär sein Entwurf.

    Da helfen weder die stylishe Fotografie noch der düster-treibende Soundtrack, da können noch so viele Kehlen durchgeschnitten, Gesichter eingeschlagen und Körper von Maschinengewehrkugeln durchsiebt werden: Das Schicksal der eitel und unnahbar entworfenen und gespielten Figuren bleibt einem weitgehend gleichgültig. Zumal die Mär vom Ehrenwort, das ein echter Kerl aus der guten alten Zeit gegeben hat und das in einer neuen Zeit mit neuen Regeln nichts mehr gilt, nur so vor gehässigem Altherren-Machismo strotzt. Hauptdarsteller Gérard Lanvin („Point Blank – Aus kurzer Distanz", „Secret Defense") ist ohne Zweifel ein charismatischer Charakterkopf und mag kraft seiner schieren Leinwandpräsenz Blicke auf sich ziehen – einen Protagonisten, mit dem man sich trotz oder gerade wegen seiner Ambivalenz gerne auseinandersetzt, erschafft der gegerbte Dressman mit seinem Auftritt vor Marchals Kamera nicht. Da hilft auch der schönste Ehrenkodex nicht mehr!

    Fazit: „A Gang Story" soll ein ruppig-dramatisches Ganovenstück der alten Schule sein, ist aber bei all seinen handwerklichen Qualitäten zu formelhaft aufbereitet und zudem inhaltlich fragwürdig.

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