Eifrige Rhetoriker, Filmkritiker, gar Deutsch-Lehrer werden sich schwer mit der schier unmöglichen Aufgabe tun, die Handlung des Films widerzugeben. „Inception“ benötigt entweder keine oder viele Worte. Nach Besuch des Kinos dürften unzählige Gedanken, Zweifel, Ideen durch den Kopf des Zuschauers getanzt sein, dass er sie wahrscheinlich nur mühselig ordnen und zum Stillstand bringen konnte. Einige von ihnen tanzen wohl noch immer – wie ein ewig rotierender Kreisel. Um so bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Christopher Nolan aus einer ursprünglich simplen Idee, ein komplexes Philosophie-Labyrinth über Bewusstsein, die Wechselwirkung Traum und Realität, Verlust und Existenz erschaffen hat, in welchem sich jeder verirren und ebenso zurechtfinden kann. Die Logik, die physikalischen Regeln und Rahmenbedingungen des „Inception“-Universums sind innerhalb eigener Definitionen schlüssig. Das mag besonders daran liegen, dass Nolan sein Universum auf der Leinwand schablonenhaft von Träumen abzeichnet. Was auf der Leinwand entsteht, sind Traumfantasien, sind Visionen und Illusionen. Aber sie sind unsere, sie sind vom menschlichen Individuum ausgehend. Nolan berührt uns damit schlagartig. Wir haben es selbst alle schon erfahren, wie wir die Rolle eines Architekten in den facettenreichen Dimensionen des Unterbewusstseins einnehmen und uns willkürlich Konstruktionen erbauen, sie renovieren und schließlich einreißen. Wir kennen all jene Charakterzüge, die ein Traum für sich beansprucht: Das Aufwachen nach Sterben innerhalb des eigenen Traumes, das unlogische Drehen und Wenden von Gegenständen, gar Gebäudekomplexen oder ganzen Städten, das Paradoxe und Unerklärliche. Und wir wissen ebenso gut, dass wir auch im Traum fühlen können. Wir packen in unserem Rucksack jede Emotion menschlichen Daseins ein und nehmen sie auf traumhafte Reisen stets mit. Nolans Universum birgt damit viel mehr Realismus, als wir vielleicht glauben und wahrhaben wollen.
Unser Unterbewusstsein hat das während des Films bereits kapiert.
Somit kann dem Drehbuch ausschließlich Bewunderung und Faszination entgegen gebracht werden, da man es mit einem der innovativsten, vielseitigsten und klügsten Skripts zu tun hat, die jemals verfilmt worden sind. Nebenbei entsteht eine ungemeine Spannung, der man sich wie ein Sog beim besten Willen nicht entziehen kann – auch wenn manch einer nicht immer weiß, in welcher Traumebene er gerade wandelt. Und das Großartigste ist wohl, dass Nolan uns nicht mal eine absolute Idee aufzwingt, sondern reichlich Freiraum für Interpretationen und faszinierende Unsicherheit lässt, die den Zuschauer noch lange packt. Selten wurde bereits während des Abspanns in einem Kinosaal von allen Seiten getuschelt und gerätselt. Was kann ein Film schon mehr erreichen, als Dialoge zu suggerieren und zu manipulieren? Besonders in einer Zeit, in der wir glauben alles Erstaunliche zu kennen?
Doch funktioniert das erfolgreiche Ausrollen des Identifikationsteppichs nicht nur mit Hilfe abstrakt-authentischer Drehbücher. Erst ein auftrumpfendes Ensemble gibt der Schaffung von Authentizität im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht und eine Stimme. Es versammelt sich ein Cast mit Rang und Namen, der sich jedoch der Mindfuck-Story des Jahres klar unterordnen muss. Leonardo DiCaprio hat sich längst aus seinem Ruf des Titanic-Milchbubis gespielt und überzeugt in ausnahmslos jeder Szene. Nicht ohne Grund zählt er in seiner Generation zu den besten seines Faches. Wie er Dom Cobb, einem wandernden Schlaflosen zwischen den Welten der lähmenden Trauer und entschlossener Willensstärke physisch verkörpert, ist glaubhaft und nebenbei äußerst charismatisch. Jungtalent Ellen Page ist nicht nur seit einer wunderbaren Darbietung in „Juno“ eine der coolsten Säue in der Branche, sondern auch eine verdammt ernstzunehmende Schauspielerin. „Klug-sexy“, gibt der erprobte Schüler bei Wikipedia ein, um Ellen Page zu finden. Der relativ unbekannte Tom Hardy konnte anschließend seinen Hollywood-Durchbruch feiern, Joseph Gordon-Levitt hat ohnehin eine große Zukunft im Vorgarten seiner Villa stehen. Beide spielen ungemein konzentriert, gehen akribisch ans Werk und streiten sich förmlich um die Sympathiepunkte des Zuschauers. Um die Gunst des Publikums kämpfen ferner eine wie immer grandiose Kinolegende Michael Caine und Ken Watanabe. Neben DiCaprio sticht besonders eine neue Kinogöttin hervor: Marion Cotillard. Die Französin wurde wegen ihrer außergewöhnlichen Präsenz in „La vie en rose“ von der Welt auf Händen getragen. Seit ihrem endgültigen Durchbruch küsst ihr Hollywoods Elite die Füße, und das wird sich nach „Inception“ nicht ändern. Cotillard spielt die Ehefrau Cobbs mit einer emotionalen Wucht, dass sie Magengrube und Herz zugleich berührt, nein, faustdick trifft. Sie ist der gefühlsbetonte Mittelpunkt des Films und ihr Zusammenspiel mit DiCaprio verleihen einem vermeintlichen Blockbuster eine seltene Tiefe und (endlich) eine angemessene Würde. Die freigesetzten Emo