Kaum ein Film ist vor dem Kinostart derart mit positiven Kritiken überschüttet worden wie Inception. Und nachdem ich den Film gesehen habe, hat jede einzelne davon Recht gehabt und ich habe bereits Termine ausgekundschaftet, wann ich ihn ein zweites Mal sehen kann. Inception ist (etwas ungewöhnlich im aktuellen Kinogeschehen) etwas komplett Neues und ich weigere mich, jegliches Prädikat unter "Meisterwerk" zu vergeben.
Die Handlung des Films ist hochkomplex. Jede Minute Unaufmerksamkeit (speziell gegen Ende) kann bedeuten, dass man komplett den Überblick verliert. Es geht - grob skizziert - um den Kriminellen Cobb, der sich darauf spezialisiert hat, in das Unterbewusstsein von Geschäftsleuten einzudringen und ihnen wertvolle Informationen zu stehlen. Dies nennt man "Extraction". Dann erhält Cobb einen neuen Auftrag, diesmal soll er keinen Gedanken extrahieren, sondern einen einfügen. Er soll den Millionenerben Fischer dazu bringen, die Firma seines Vaters aufzuteilen. Dazu stellt er ein Team zusammen und macht sich während eines Fluges daran, in die Psyche von Fischer einzudringen. Mehrere Traumebenen werden aufgebaut, also ein Traum im Traum. In der tiefsten Traumebene soll der Gedanke eingepflanzt werden, so tief, dass der Erbe nachher nicht mehr seinen Ursprung wird rekonstruieren können. Doch je weiter sich das Team in Fischers Unterbewusstsein begibt, desto mehr erfahren wir auch über Cobb und dessen ganze Vergangenheit.
Inception geht tief in die menschliche Psyche. Es tun sich geistige Abgründe auf und die Riege der Schauspieler versteht es hervorragend, dies umzusetzen. Leonardo DiCaprio spielt den innerlich gebrochenen Cobb so hervorragend, als wäre ihm die Rolle auf den Leib geschnitten. Ist sie vielleicht sogar.
Christopher Nolan hat einen Film geschaffen, der von etwas lebt, was kein Film zuvor ähnlich vollbracht hat. Es ist die ständige Überraschung, das immerwährende Gefühl des Zweifels (Was ist Traum und was nicht?) und vor allem eine der ersten glaubhaften Begründungen, die physikalischen Gesetze auf den Kopf stellen zu können. Inception ist gespickt mit Geniestreichen, der Kreisel, die unendliche Treppe, Paris im 180° Winkel. Ein Wow-Effekt nach dem Anderen und dadurch, dass die Handlung kleine Lücken hat, die der Zuschauer selbst ausfüllen muss, lassen sich die verschiedensten Interpretationen anfertigen. Entsprechende Diskussionen sind im Internet schon heftig im Gange.
Der visuelle Hammer sind zweifellos die Spezialeffekte, die nur dann eingesetzt werden, wenn sie auch wirklich nötig sind, aber einen dann geradezu umhauen. Vor allem die Schwerelosigkeitssequenzen in der zweiten Ebene sind einfach irre.
Würde man auf Teufel komm raus nach einem Minuspunkt im Film suchen, könnte man eventuell noch die Einseitigkeit der anderen Charaktere benennen, aber selbst das soll es ja geben: Menschen ohne Geheimnisse. Hätten diese in der ganzen Vorgeschichte auch noch eine Rolle gespielt, sähe das Ganze viel zu konstruiert aus.
Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, alle auszulachen, die noch nicht drin waren und denke, dass ich nicht besonders falsch liege, wenn ich Inception einfach mal mindestens fünf Oscars für bester Film, beste Regie, beste Spezialeffekte, bestes Drehbuch und den besten Hauptdarsteller zuteile. Weniger hat Nolan nicht verdient.