Männer sind von Natur aus polygam. Zumindest behauptete das kürzlich niemand Geringeres als Til Schweiger (Keinohrhasen), der erfolgreichste deutsche Regisseur 2008. Während Männer dem Schweiger’schen Gusto zufolge häufig mehrere Damen an ihrer Seite bevorzugen, wird ihnen jedoch bei dem Gedanken ganz unwohl, dass sich auch Frauen ihre Freiheiten herausnehmen könnten. Um die mit dem Fremdgehen verbundenen Komplikationen dreht sich auch die slowakische Tragikomödie „Muzika“ von Regisseur Juraj Nvota. In der Slowakei avancierte der Film zur erfolgreichsten einheimischen Kinoproduktion seit der Staatsgründung. Ein Erfolg, der die Erwartungen in die Höhe sprießen lässt. Doch die Hoffnung auf ein Filmhighlight aus dem noch jungen osteuropäischen Land wird enttäuscht. Trotz einiger vielversprechender Ansätze überzeugt „Muzika“ nicht, weil er sich zwar voll auf seine Charaktere konzentriert, diese aber nicht sonderlich interessant sind.
Martin (Lubos Kostelny) fühlt sich vom sowjetischen System zusehends eingeengt. Der Sozialismus lässt ihm nur wenig Raum für seine Jazz-Leidenschaft. Und selbst sein Schwiegervater belegt ihn mit Verboten. So ist es Martin etwa untersagt, bei Vollmond Sex mit seiner Frau zu haben. Die interessiert ihn aber sowieso immer weniger. Als er die lebensfrohe Anca (Dorota Nvotová) kennen lernt, verliebt er sich Hals über Kopf in deren offenes und wildes Gemüt. Mit seinem Kumpel Hruskovic (Jan Budar) gründet Martin eine Band. Dank einer geplanten Tournee bekommen die beiden die Chance, in die Schweiz - und damit in die Freiheit - zu fliehen. Doch Martin hat Angst, Anca zu verlieren…
Die Langeweile ist in langjährigen Beziehungen ein gängiges Problem. Aus der Liebe ist längst Gewohnheit geworden, der Sex erinnert an eine Wiederholung im Fernsehen. So geht es auch Martin. Demensprechend sollte es eigentlich nicht allzu schwer fallen, Verständnis für den Protagonisten aufzubringen. Doch dessen Charakterzeichnung ist so minimal, dass eine Identifikation trotzdem ausbleibt. Martin ist im Grunde ein liebenswerter Trottel, der auf der Suche nach mehr Freiheit ist. Doch so sicher er dabei in jedes Fettnäpfchen tritt, so sicher nimmt die Bereitschaft des Publikums ab, sich für seine Eskapaden zu erwärmen. Mit der Zeit schwindet daher zunehmend das Verständnis für sein häufig nur schwer nachvollziehbares Handeln.
Die Geschichte konzentriert sich größtenteils auf die Figuren. Die eigentliche Story schleppt sich nur mühsam voran, die Erzählung läuft praktisch in Zeitlupe ab. Wenn der Fokus auf den Charakteren liegt, sollten diese aber auch demensprechend spannend sein. Anca ist die perfekte Gelegenheit für Martin, aus seiner langweiligen Ehe auszubrechen. Als er sich in sie verliebt, schert er sich kaum noch um sein bisheriges Leben. Doch Anca ist selbst beständig auf der Suche nach Abenteuern, wobei sie nicht immer Rücksicht auf das Ego ihrer Affären nimmt. Von ihren sexuellen Ausflügen ist Martin selbstredend wenig begeistert. Die Erkenntnis, dass Männer von Frauen - ungeachtet ihres eigenen Verhaltens - stets Treue erwarten, ist alles andere als neu. Deshalb muss ein Film, der diese These ins Zentrum stellt, noch mehr bieten. Doch Drehbuchautor Ondrej Sulah verzichtete, als er die Novelle von Peter Pistanek adaptierte, weitgehend auf Spannungsmomente. Stattdessen hat er den Film als Charakterstudie angelegt, obwohl die Figuren nicht sonderlich studierenswert sind. Ein gelangweilter Ehemann betrügt seine Frau und wird dann von seiner Geliebten betrogen. Diese altbackene und zudem noch sehr langatmig ausgeführte Moral ist das Kernstück von „Muzika“.
Hauptdarsteller Lubos Kostelny ist Mitglied des Ensembles des Slowakischen Nationaltheaters. Es ist ganz sicher nicht seine Schuld, dass „Muzika“ nicht überzeugt. Er holt das Beste aus seiner Rolle als liebenswerter Loser heraus. Es ist eben nicht die Darstellung, sondern die Anlage der Rolle, an der der Film scheitert. Anca-Darstellerin Dorota Nvotová ist nur selten im Kino zu sehen, zuletzt 2002 in Benjamin Tuceks „Mädchen“. In der Hauptsache ist sie Rocksängerin. Trotz mangelnder Schauspielerfahrung fällt es ihr wohl auch deshalb so leicht, die nötige Lebenslustigkeit auszustrahlen, die Martins Leben aus der Bahn wirft.
Fazit: „Muzika“ ist ein melancholisches Jazz-Drama, dem es an Spannung und Unterhaltungswert mangelt. Dabei ist der Kern, die Langeweile einer beständigen Beziehung, durchaus interessant. Doch es hapert an der Aufbereitung. Die Charaktere sind nicht aufregend genug, um ihre Studie in den Mittelpunkt zu stellen. Die Story vom schleppenden Aufstieg der Band gibt auch nicht genug her, um dieses Manko auszugleichen. Immerhin ist der Jazz-Soundtrack hörenswert, was über manche Durststrecke hinwegtröstet.