Alfred Hitchcock, der Meister des psychologischen Thrills war Mitte der 60-er Jahre auf dem Höhepunkt seines Schaffens und lieferte Meisterwerke und Kassenhits am Fließband. Etwas unter in seiner Vita geht dabei der Thriller "Marnie" von 1964 der wohl eher nicht so im Gedächtnis der Menschen ist wie etwa "Psycho" oder "Die Vögel". Dabei beweist der Regisseur auch hier wieder ein Näschen für labile Geisteszustände und weis wie immer gekonnt Spannung aufzubauen und mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen.
In Marnie liefern sich der damalige Bond Star Sean Connery und Tippi Hedren ein faszinierendes Kopf an Kopf Rennen wer den größeren Dachschaden hat. Sie ist eine Kleptomanin und notorische Lügnerin, er ein reicher Verleger und Playboy der gerne mal seine Tier Leidenschaft in die Tiefen Psychologie der Menschen überträgt. So versucht er auch das Geheimnis von Marnie zu entschlüsseln und das "Raubtier" in ihr zu bändigen. Das gestaltet sich aber schwieriger als Gedacht. Beim Schauen des Films fällt einem ein ums andere mal auf, wie viel man eigentlich aus heutiger Sicht bereits kennt und wie viel Moderne Filmemacher aus dieser Zeit übernommen haben. Die Story entwickelt sich langsam, die Spannung wird aus dem teils wirren Verhalten der Protagonisten gezogen. Und aus der Frage, was ist wahr und was ist Lüge? Handwerklich beweist Hitchcock hier wieder einmal das er damals outstanding war im Inszenieren. Sein kreatives Schaffen reicht von unheilvollen Farbgestaltungen (die Farbe Rot und das Blau eines Gewitters spielen eine gewichtige Rolle), unvorhersehbaren handeln der Personen und dem Einsatz von schriller Musik. Dabei ergründet er mal wieder die tiefen Abgründe des menschlichen Verhaltens.
Obwohl von Anfang an ein mulmiges unwissendes Gefühl herrscht zieht das ganze einen nicht so in den Bann wie in anderen seiner Filme. Viele Szenen gleichen eher einem Kammerspiel, es gibt lange Dialoge, die zwar allesamt interessant gestaltet sind, jedoch irgendwann auch etwas ermüden. Der Einsatz von suspense und subtilen Horror wird auch hier wieder gekonnt gestreut, jedoch nicht in der Häufigkeit anderer Werke. Gerade Sean Connery spielt zwar charmant und elegant, so wirklich nachvollziehen kann ich manche seiner Beweggründe und seine Obsession für Marnie jedoch nicht. Und auch die Auflösung des Plots, bei einem echten Hitchcock immer legendär gerät nicht so eindringlich wie erwartet.
Abschließend bleibt zu sagen, das Marnie handwerklich wie immer auf einem sehr hohen Niveau ist, die Kamera Einstellungen tragen immer wieder zur beklemmenden Stimmung bei und gekonnt wird wieder mit Farben und Geräuschen gearbeitet. Tippie Hedren ist ein Glücksgriff als neurotische Psychopathin, mit kühlem Sex Appeal, ein Vorläufer der heutigen Femme Fatale. Die Story und gerade das Ende zogen mich jedoch nicht so ganz in den Bann und erzeugten nicht so einen AHA Effekt wie in seinen anderen Werken.
Fazit: Marnie ist ein starker, handwerklich gekonnt inszenierter Psycho Thriller, ein oft vergessener in der Vita von Hitchcock, doch trotz der genannten Schwächen absolut sehenswert und verstörend.