In seinem Anti-Kriegs-Drama Full Metal Jacket setzte Stanley Kubrick knallharten militärischen Drill perfekt in Szene. Brüllend schritt ein ranghoher Soldat vor jungen Rekruten auf und ab und weihte sie so in die hierarchischen Mechanismen des Tötens ein. Ähnlicher Szenen bedient sich mittlerweile nahezu jeder Film, der sich mit der Soldatenausbildung beschäftigt. Auch der Komiker Holger Müller persifliert dieses Szenario mit seiner Bühnenfigur Ausbilder Schmidt regelmäßig. Unter der Regie von Mike Eschmann (Tell) entstand nun der erste Ausbilder-Schmidt-Kinofilm „Morgen, Ihr Luschen!“. Doch der Umzug von der Bühne auf die Leinwand scheitert auf der ganzen Linie. Während Ausbilder Schmidt in seinem Programm militaristische Parolen schmettert, dass dem Publikum das Lachen im Halse stecken bleibt, verkommt er im Kino zum trotteligen Truppenkommandeur, der in jedes Fettnäpfchen tritt und so – im negativen Sinne – an die missratenen Militärklamotten der 1970er und 80er Jahre.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zerrt Ausbilder Schmidt (Holger Müller) noch vor dem Morgengrauen die Rekruten aus dem Bett. Er lässt sie auf dem Exerzierplatz Liegestütze machen und anschließend stramm marschieren, während er auf dem Fahrrad nebenher fährt. Die gewohnte Routine des Ausbildungscamps wird jedoch jäh gestört, als sich hoher Staatsbesuch aus dem arabischen Kalluschistan ankündigt. Ausbilder Schmitt wittert einen Terrorakt. Tatsächlich wurde der Prinz von Kalluschistan (Fahri Ogün Yardim, Keinohrhasen, Chiko) von seinem eigenen Bruder (ebenfalls Yardim) entführt, weil dieser dem Erstgeborenen das Recht auf die Krone abluchsen will. Nur Prinzessin Shirin von Kalluschistan (Collien Fernandes) bemerkt den Schwindel. Just im richtigen Moment eilt ihr Ausbilder Schmidt zur Hilfe…
Das Konzept von „Morgen, Ihr Luschen!“ erinnert verdächtig an Mike Eschmanns Rohrkrepierer Achtung, fertig, Charlie!. Von Kritikern wurde die Militär-Klamotte wegen Gags aus der untersten Schublade und einem banalen Skript abgestraft. Trotzdem verbuchte der Schweizer Regisseur in seinem Heimatland – im Gegensatz zu Deutschland - einen riesigen Publikumserfolg. Somit war er zumindest aus Produzentensicht der ideale Kandidat, um auch den Ausbilder-Schmidt-Film in einen kommerziellen Erfolg zu verwandeln. Nun sind genretypische Abstriche bei der Story verzeihlich. Doch das gesamte Ausbildungs- und Entführungsszenario ist ein lieblos verkappter Vorwand, um Ausbilder Schmidt in nur scheinbar amüsante Situationen zu bringen. Der Humor ist dabei derart vorhersehbar und gleichzeitig so aufdringlich, dass das Publikum such für die Macher andauernd fremdschämt. Was soll daran witzig sein, wenn Schmidt eine Blindenschule für ein verstecktes Terrorcamp hält und die Schüler vermöbelt? „Morgen, Ihr Luschen!“ kitzelt die Zuschauer nicht mit der Feder, sondern bewirft sie mit den dazugehörigen Truthähnen. Zwar ist die Abwesenheit jeglicher politischer Korrektheit ein Markenzeichen von Schmidt, aber der Film ist so schlecht und ohne jedes Timing inszeniert, dass er nicht einmal zu provozieren vermag.
Unter einer ähnlichen Problematik litt jüngst auch der Publikumserfolg Männersache von Mario Barth. Genau wie Holger Müller alias Ausbilder Schmidt hat Mario Barth sein Handwerk an der Kölner Comedy-Schule gelernt. Dort lehrten unter anderen „Quatsch Comedy Club“-Moderator Thomas Hermanns und Brachialkomiker Ingo Appelt ihren Schützlingen, wie sie die Lachmuskeln des Publikums am besten malträtieren. Mittlerweile wurde die ehemals von RTL und vom WDR geförderte Schule wegen Finanzproblemen geschlossen. Als Absolvent der Kölner Komikerschmiede schuf Holger Müller die Figur des sonnenbebrillten, Zigarre paffenden Militärliebhabers. Er machte den Gruß „Morgen, Ihr Luschen!“ zu seinem Markenzeichen und karikierte gutbürgerliche deutsche Tugenden. In seinem Bühnenprogramm erzählte er von Schützengräben im Sandkasten seines Sohnes Ruck-Zuck und zieht ausdauernd über die verweichlichten Zivildienstleistenden her. Das ist ganz sicher nicht weniger originell als andere Comedy-Shows und Witze über die Zivildienstliebe der Deutschen sind sowieso dankbar.
Auf der Bühne funktioniert dieses Konzept, wie auch der Erfolg des zweiten Ausbilder-Schmidt-Albums „Blümchensex“ beweist: 2005 avancierte es zur erfolgreichsten Comedy-CD des Jahres. Doch das Medium Film ist ein vollkommen anderer Schnack. Auf der Bühne lenken höchstens die Lichteffekte das Publikum ab, das ansonsten an den Lippen des Komikers hängt. Und hier liegt der Knackpunkt von „Morgen, Ihr Luschen!“: Auf der Leinwand mutiert Ausbilder Schmidt plötzlich zum unsympathischen Trottel, der kein denkbares Maleur auslässt. Statt als egozentrisches Ausbilderarschloch fungiert Müller im Kino als gescheiterte Dick-und-Doof-Imitation in einer Person. Das langweilt schnell und ist noch schneller durchschaut. Natürlich finden sich in den gefühlten drei Stunden Laufzeit ein paar ganz ordentliche Gags. Doch insgesamt liegt die Trefferquote so niedrig, dass sie schon beinahe Tieffliegeralarm auslöst.
Mike Eschmann hat wenig aus den Fehlern von „Achtung, fertig, Charlie!“ gelernt. Immerhin bietet „Morgen, Ihr Luschen!“ dank diverser, wenn auch sehr mäßig inszenierter Actionszenen und ständig wechselnder Schauplätze jede Menge Abwechslung. Wirklich gelungen ist jedoch allein der tuckige Auftritt von Ingo Appelt, der seinem ehemaligen Schüler unter die Arme greift und zur Hochform aufläuft. Die übrigen Darsteller wie etwa Axel Stein (Knallharte Jungs, Mord ist mein Geschäft, Liebling) erinnern an Schultheater oder wurden wie Collien Fernandes (Die Nacht der lebenden Loser, Autobahnraser) offensichtlich nur besetzt, um hübsch auszusehen. „Morgen, Ihr Luschen“ scheitert an der Herausforderung, einen erfolgreichen Bühnencharakter auf die Leinwand zu transportieren. Wer sich nicht als Hardcore-Fan von Ausbilder Schmidt bezeichnet, sollte sich deshalb an der Kinokasse besser selbst ausmustern.