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    Loose Change: Second Edition
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Loose Change: Second Edition
    Von Stefan Ludwig

    Amerika hat sich am 11. September 2001 selbst attackiert. Das Pentagon wurde von einer Cruise Missile getroffen, das World Trade Center nach den Flugzeugeinschlägen gezielt gesprengt und Flug 93 ist nicht in Pennsylvania abgestürzt, sondern in Cleveland evakuiert worden. Das sind die Behauptungen, die Regisseur David Avery in der Laien-Dokumentation „Loose Chance Second Edition Recut“ dem Zuschauer suggeriert. Der mit pulsierendem Hip-Hop-Beat unterlegte Film fasst die bereits bekannten Verschwörungstheorien gut strukturiert zusammen und ist ohne Frage sehr unterhaltend. Dennoch bleibt er dem Zuschauer tatsächliche Beweise für seine Theorien schuldig.

    David Avery beginnt seine Dokumentation mit einem kurzen Vorspann über eine Kuba-Verschwörung, in der von einem ferngesteuerten Flugzeug die Rede ist. Im eigentlichen Film beschäftigt er sich zunächst mit Flug 77, der am 11. September 2001 ins Pentagon einschlug. Er wundert sich über fehlende Flugzeugteile, fragt, warum das Einschlagsloch nur fünf Meter breit ist und weshalb die Flügel keine Spuren hinterlassen haben. Schließlich schlussfolgert er, dass vermutlich eine Cruise Missile und kein Flugzeug das Gebäude getroffen habe. Die Flugzeugteile sind jedoch von 50 FBI-Beamten aufgesammelt worden, widerspricht ein Bericht auf Spiegel Online der Behauptung, vom dem Flugzeug gäbe es keine Spur. Die Boeing 757 ist beim Aufprall regelrecht pulverisiert werden, deshalb haben auch die Flügel keine Einschlagslöcher hinterlassen. Der rechte Flügel war bereits zumindest teilweise abgerissen, sagten Augenzeugen aus. Viele berichteten außerdem explizit von einer großen Passagiermaschine.

    Als nächstes setzt Avery sich mit dem Einsturz der beiden Türme des World Trade Centers auseinander. Da zahlreiche Augenzeugen von Explosionen berichteten, legt er seinen Fokus dabei auf eine mögliche kontrollierte Sprengung. So sei Ground Zero von einem professionellen Sprengunternehmen untersucht worden. In verschiedenen Videos vom Einsturz zeigt er die kleinen Explosionen, die zu dem Kollaps der Wolkenkratzer geführt haben sollen. Denn das Feuer könne dafür nicht verantwortlich sein: Der Schmelzpunkt des Stahls läge bei etwa 1500 Grad Celsius und das Feuer könnte eine solche Hitze gar nicht erreicht haben. Die Explosionen, von denen zahlreiche Augenzeugen berichteten, hat es tatsächlich gegeben. Die offizielle Version erklärt sie jedoch anders. Da durch den Einschlag der Flugzeuge der Feuerschutz des Gebäudes beschädigt wurde, war die tragende Stahlkonstruktion schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Fußböden hingen durch und die oberen Stockwerke pressten kontinuierlich auf die unteren. Explodiert ist Kerosin, das durch die Versorgungsschächte nach unten gelangte und dort auf Zündquellen traf. Zwar war das Feuer vielleicht nur etwa 1000 Grad heiß, jedoch verliert Stahl schon bei 650 Grad die Hälfte seiner Stabilität.

    Der dritte Teil von „Loose Change Second Edition Recut“ beschäftigt sich schließlich mit dem Flug 93. Die ebenfalls entführte American-Airlines-Maschine stürzte über einem Feld in Pennsylvania ab. David Avery spricht allerdings auch in diesem Fall von abhanden gekommenen Flugzeugteilen, fehlenden Leichen und einem nicht ausreichend großen Krater. Stattdessen glaubt er, die Boeing sei nach Cleveland geflogen. Dort sei sie auf einem bereits evakuierten Flughafen gelandet und die Passagiere seien dort ausgestiegen. Die Telefonate der Passagiere bezeichnet er als Fälschungen: „They were fakes, no questions about it.“ Denn die Wahrscheinlichkeit, in der Flughöhe eine Verbindung mit einem Mobiltelefon zu erhalten, läge unter einem Prozent. Damit beruft er sich auf die Untersuchung des Wissenschaftlers Kew Dewdney. Tatsächlich allerdings telefonierten die meisten Passagiere über die Flugzeugtelefone, die in jedem Sitz installiert waren.

    „Loose Change Second Edition Recut“ ist ein Vorbild für alle Hobby-Verschwörungstheoretiker. Mit schnellen Schnitten und einer eindringlichen Erzählstimme werden die wichtigsten Theorien über einen „Inside Job“ der amerikanischen Regierung aufgegriffen und MTV-gerecht aufbereitet. Dass dabei Fehler gemacht werden, stellen die Macher selbst nicht in Abrede. Im Gegenteil, sie behaupten sogar, sich beispielsweise absichtlich auf Wikipedia zu berufen, um Zweifler zu motivieren, selbst zu recherchieren. Doch die Wahrhaftigkeit dieser Absicht darf bezweifelt werden. Zwar konzentriert sich der Film vornehmlich darauf, Fragen zu stellen, doch immer wieder trifft der Zuschauer auch auf klare Aussagen, die gar nicht danach klingen, als hätten die Filmmacher noch etwas nachzurecherchieren.

    „Loose Change“ hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich: Bei Recherchen für eine fiktive Geschichte über den 11. September überzeugte sich David Avery selbst von einer tatsächlichen Verschwörung und entschied sich, statt eines Spielfilms lieber eine Dokumentation zu inszenieren. Mit Kindheitsfreund Korey Rowe und Rechercheur Jason Bermas erstellte er im April 2005 für etwa 2000 Dollar die erste Version. Bereits im November erschien eine korrigierte Fassung, die etwa das Dreifache kostete. Die „Second Recut“-Version war nötig, um eine Klage wegen Copyright-Verletzungen zu vermeiden. Inzwischen gibt es auch eine „Final Cut“-Version, die etwa eine halbe Stunde länger ist.

    Die hier rezensierte Version von „Loose Change Second Edition Recut“ ist eine äußerst unterhaltsame und spektakuläre Dokumentation. Größtenteils werden Fragen über Ungereimtheiten in Bezug auf die Terroranschläge, die schließlich zum Krieg in Afghanistan geführt haben, aufgeworfen. Derartige Fragen sind die Hauptnahrung für jede Verschwörungstheorie. Jedoch basieren viele der Behauptungen der Laien-Dokumentation – wie oben beschrieben - auf falschen Annahmen. Außerdem ignoriert Avery beispielsweise die vielen Antworten, die der 9/11-Commission-Report mittlerweile gegeben hat, und die inzwischen veröffentlichten Videoaufnahmen vom Einschlag des Flugs 77 ins Pentagon. Jeder Zuschauer sollte die aufgestellten Theorien zwar als Gedankenanregung nutzen, aber mit Skepsis betrachten und sich beispielsweise auf Spiegel Online (http://www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,435547,00.html) tiefergehend mit dem Thema auseinandersetzen.

    Der Film ist legal downloadbar: http://www.nagev.de/loose_change/

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