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    Bronson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bronson
    Von Christoph Petersen

    Zur Jahrtausendwende setzten Regisseur Andrew Dominik und sein Hauptdarsteller Eric Bana mit Chopper dem berühmtesten Häftling Australiens, Mark „Chopper“ Read, ein Denkmal. Mit „Bronson“ bekommt nun auch Michael Peterson alias Charles Bronson, der berüchtigtste Gefängnisinsasse Großbritanniens, einen Leinwandauftritt spendiert. Die Regie des Biopics hat der Däne Nicolas Winding Refn übernommen, der mit seiner „Pusher“-Trilogie europäische Gangsterfilmgeschichte schrieb und mit „Bronson“ nach der britischen Agatha-Christie-TV-Verfilmung „Marple: Nemesis“ nun seinen englischsprachigen Kinoeinstand gibt. Dabei lässt er die faszinierende Geschichte nicht zum x-ten immer gleichen Gefängnisfilm verkommen, sondern stürzt sich ohne Rückhalt in ein brodelndes Gemisch aus Wahnsinn, Gewalt und Exkrementen, um daraus einen exzessiv-surrealen Poesierausch zu formen.

    Der 13-jährige Michael Peterson (William Darke) verkloppt nicht nur seine Mitschüler, sondern auch seinen Lehrer, und zwar mit einem Tisch. Als 19-Jähriger, er hat mittlerweile Frau und Baby, überfällt Peterson (Tom Hardy) mit einer abgesägten Schrotflinte eine Postfiliale. Der Versuch schlägt fehl, Peterson wird zu sieben Jahre Gefängnis verurteilt. Einige gewalttätige Übergriffe, Geiselnahmen und Proteste auf dem Dach der Anstalt führen dazu, dass Peterson erst im Oktober 1988 wieder entlassen wird. Er beginnt eine kurze Karriere als Straßenboxer, für die Peterson seinen Namen in Charles Bronson (nach dem Hollywoodstar aus „Ein Mann sieht rot“) ändert, bevor er nach nur 68 Tagen wegen eines Überfalls auf einen Juwelier wieder eingelocht wird. Bis heute sitzt Bronson seine Strafe ab, wobei er wegen seiner Gewalttätigkeit immer wieder verlegt wurde und inzwischen schon in mehr als 120 (!) Gefängnissen untergebracht war. Mit Ausnahme von nur vier Jahren hat Bronson sein komplettes Leben seit 1974 in Einzelhaft verbracht. Seit zehn Jahren versucht er sich zudem als Künstler und Poet. Elf seiner Bücher wurden bereits veröffentlicht und haben ihm zahlreiche literarische Preise eingebracht. Seinen Titel in der englischen Boulevardpresse, Britains most violent prisoner, hat er sich dennoch redlich verdient…

    Immer wieder steht Charles Bronson, geschminkt wie ein Pantomime, alleine auf einer Bühne. Er präsentiert dem Publikum Gedankensplitter zu seinen Taten, dem Knastalltag und seinem Leben in der Isolation. Für ihn sei seine Zelle wie ein Hotelzimmer, behauptet er. Das Publikum jubiliert, vereinzelt gibt es Buhrufe. In der nächsten Szene haut Bronson ohne konkreten Anlass einen Beamten um. Die Kollegen des Niedergeschlagenen zahlen es ihm mit ihren Schlagstöcken heim. Bronson wird blutüberströmt in einen Käfig gesperrt. Die Isolation geht weiter. Das alles wirkt vollkommen surreal und deshalb umso eindringlicher. Die intensivste Sequenz spielt in einer Irrenanstalt. Ein Zellenkumpan scheißt sich in die Hand und reibt sich mit den Exkrementen ein. Ein Pädophiler erzählt ganz offen von seinen Phantasien. In Bronsons Augen brodelt der Hass, der unbedingte Wunsch, sein Gegenüber zu töten, aber wegen der vielen Medikamente sabbert er nur vor sich hin. „Bronson“ ist alles andere als ein typischer Knastfilm. Sowohl die theaterhaft überhöhte Inszenierung als auch das psychologisch-experimentelle Element der Handlung erinnern vielmehr an Stanley Kubricks verstörendes Meisterwerk Uhrwerk Orange. Dazu passen auch die illegalen Boxkämpfe, die Bronson in der kurzen Zeit als freier Mann absolviert: Das Publikum besteht überwiegend aus gealterten Dandys, die sich an den muskulösen Körpern der Kämpfer ergötzen. Das erinnert weniger an Bloodsport und Konsorten als vielmehr an Andy Warhols legendäre Factory.

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    Genau wie sein Regisseur agiert auch Tom Hardy (Black Hawk Down, Star Trek – Nemesis, Layer Cake, Inception) ohne Netz und doppelten Boden. Mit expressivem Schnurrbart und den Muskelbergen einer Kampfmaschine stürzt er sich direkt ins Herz der Finsternis. Seine in jeder Szene eindringliche Darstellung mutet wie eine Mischung aus Daniel Day-Lewis als The Butcher in Martin Scorseses Gangs Of New York und Sid Haig als Killerclown Captain Spaulding in Rob Zombies Haus der 1000 Leichen und The Devil’s Rejects an. Dabei geht es weder dem Film noch seinem Hauptdarsteller darum, dem durch und durch ambivalenten Protagonisten, der einen Wärter kidnappt, ohne zu wissen, was für Forderungen er eigentlich stellen soll, auf die Schliche zu kommen. Charles Bronson bleibt bis zum Abspann ein undurchdringliches Rätsel, und das ist wohl auch die einzige Möglichkeit, ihm wirklich gerecht zu werden.

    Fazit: „Bronson“ ist ein Biopic der etwas anderen Art. Regisseur Nicolas Winding Refn stellt Britains most violent prisoner nicht als coolen Schlägertypen hin, sondern nähert sich seinem hochgradig verstörten Protagonisten ganz in der Historie von Uhrwerk Orange auf eine hochgradig verstörende Weise. Ein faszinierender Trip von einem Film.

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