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    Die Entdeckung der Currywurst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Entdeckung der Currywurst
    Von Christian Roman

    Wer kam eigentlich auf die Idee, Curry mit Tomatenketchup zu mixen und das Gemisch auf einer Bratwurst zu servieren? Soviel vorweg: Die Berliner waren es nicht. Die Antwort liefert Regisseurin Ulla Wagner nun in „Die Entdeckung der Currywurst", einer werkgetreuen Adaption der gleichnamigen Novelle, nur ganz nebenbei. In der Hauptsache präsentiert sie dem Zuschauer ein grundsolides Drama über die gefährliche Liebe eines ungleichen Paares zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Dieses ist dank des tollen Zusammenspiels der beiden Hauptdarsteller äußerst unterhaltsam, kommt stellenweise aber auch einen Tick zu naiv daher.

    Hamburg im Frühjahr 1945: Die Mittvierzigerin Lena Brücker (Barbara Sukowa) lernt im Kino den jungen Marinesoldaten Hermann Bremer (Alexander Khuon) kennen und lädt ihn prompt in ihre Wohnung ein. Eine falsche Krebssuppe („Ich hab' früher gar nicht so gern gekocht, erst jetzt, wo's nichts mehr gibt.") und eine verstaubte Pulle Schnaps, mehr hat der Krieg nicht übrig gelassen. Es kommt, wie es kommen muss: Beide verbringen die Nacht miteinander und Lena bietet ihrem Seemann an, ihn für den Rest des Krieges in ihrer Wohnung vor den Nazis zu verstecken. Hermann liefert sich einer Frau aus, die er erst wenige Stunden kennt und willigt ein. Zwischen der reifen Frau und dem jungen Hermann entwickelt sich eine gefährliche Liebesbeziehung, die in Friedenszeiten undenkbar wäre. Das wird auch Lena schnell bewusst, als Hamburg von den Alliierten befreit wird. Aus Angst, ihren Liebhaber zu verlieren, unterschlägt Lena ganz einfach das Ende des Krieges...

    Die Regisseurin Ulla Wagner landete bereits im Jahr 2000 einen Erfolg mit dem einfühlsamen Drama „Anna Wunder", das von der Sehnsucht einer Elfjährigen nach ihrem Vater erzählt und beim Filmfest in Vancouver als Bester Film ausgezeichnet wurde. Damals bewies Wagner erstmals ihr Talent, neben dem Regiestuhl auch den Autorensessel in Beschlag zu nehmen. Ihr Drehbuch zu „Die Entdeckung der Currywurst" hält sich dabei nahe an die Vorlage von Uwe Timm, nur die Rahmenhandlung, die die Entdeckung der titelgebenden Wurst behandelt, wurde abgewandelt. Lena erzählt nicht wie in Timms Novelle als alte, erblindete Frau von ihren Erlebnissen mit dem fahnenflüchtigen Hermann. Stattdessen versetzt Wagner die Rahmenhandlung in eine Imbissbude, die Lena Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges führt und wo sie schließlich die erste Currywurst der Welt verkauft.

    Uwe Timms Bestseller aus dem Jahr 1993 wurde bis heute in mehr als 20 Sprachen übersetzt, als Comic adaptiert und auf die Theaterbühne gebracht. Sein Werk ist deshalb so erfolgreich, weil es ihm gelingt, die intime Liebesgeschichte um Lena und Hermann wunderbar unaufdringlich in die politischen Ereignisse um den Zerfall des Nazi-Regimes einzubetten. Das ist Ulla Wagner weniger gut gelungen, was letztlich das größte Problem der Kinoadaption ist. Die Regisseurin deutet die politischen Umstände nur gelegentlich an – zu wenig, um dem Anspruch der Buchvorlage gerecht zu werden, zu viel, um die Anhänger seichter Romanzen nicht zu verschrecken. Während Deutschland in Trümmern liegt und Menschen auf offener Straße ermordet werden, wirken Lena und Hermann auf ihrer „Matratzeninsel" wie auf einem fremden, flauschig-weichen Planeten. Die unmittelbare Gefahr, von den Nazis entdeckt zu werden, wird fast ausgeblendet. Wenn der durch und durch braune Hausmeister dann seine wöchentliche „Verdunklungskontrolle" durchführt, wirkt das schon fast zu amüsant. Plagen Hermann, der noch immer an den „Endsieg" der Deutschen glaubt, gelegentlich noch Zweifel, wirkt Lenas Sicht der Dinge vollkommen verklärt. Während die einheimische Bevölkerung den Einmarsch der Alliierten als Erlösung feiert, plagt sie die Angst, von ihrem Liebhaber verlassen zu werden. Die Beweggründe der Protagonisten sind für den Zuschauer oft aber nur schwer nachzuvollziehen.

    Vermutlich war es aber auch nicht die Absicht der Regisseurin, dem Zuschauer ein realitätsnahes Bild des kriegsversehrten Hamburgs zu vermitteln. Vielmehr konzentriert sich Wagner ganz auf die Romanze zwischen Lena und Hermann. Darin liegt zweifellos die Stärke des Films. Zwei Fremde finden in denkbar ungünstigen Zeiten zueinander. Statt ihr Leid zu teilen, schweigen sie einander an. Hermann könnte ihr vieles erzählen: über seine Angst, entdeckt zu werden, wie sehr er darunter leidet, eingesperrt zu sein. Doch er tut es nicht. Lena hingegen, die seit Jahren keine Leidenschaft und Zärtlichkeit mehr erfahren hat, genießt die gewonnene Zweisamkeit. Dass die beiden nie offen miteinander umgehen, macht den Reiz der Geschichte aus.

    „Die Entdeckung der Currywurst" profitiert dabei von seiner erstklassigen Besetzung. Insbesondere das Zusammenwirken von Barbara Sukowa und Alexander Khuon überzeugt derart, dass die Liebe zwischen ihnen glaubhaft wird und die Unterschiede zwischen ihnen für Spannung sorgen. Die einstige Fassbinder-Schauspielerin und Sängerin Barbara Sukowa („Berlin Alexanderplatz", Lola, Romance And Cigarettes) wirkt verführerisch, ohne aber übertrieben jugendlich zu erscheinen. Ihre rauchige Stimme und kesse Art („Arsch kaum warm, Fliegeralarm.") wachsen dem Zuschauer schnell ans Herz. Dass sie knapp dreißig Jahre älter als ihr Filmpartner Khuon ist, merkt man ihr keine Sekunde an. Mit einer solchen Selbstverständlichkeit spielt sie die üppigen Reize einer reifen Frau aus. Gelegentlich auch mit viel nackter Haut. Der gelernte Theaterdarsteller Alexander Khuon (Sohn des Intendanten des Hamburger Thalia-Theaters Ulrich Khuon) kommt in seiner ersten Kinorolle nicht ganz an die Klasse seiner Kollegin heran, überzeugt aber dennoch. Gemeinsam schaffen sie es, dem Zuschauer die noch immer tabuisierte Liebe einer älteren Frau zu einem jüngeren Mann glaubhaft und als etwas Natürliches, beinahe Selbstverständliches zu vermitteln.

    Fazit: Ulla Wagners Adaption „Die Entdeckung der Currywurst" verzichtet weitgehend auf den politischen Anspruch der Buchvorlage. Stattdessen konzentriert sie sich ganz auf die romantische, aber zuweilen auch illusionäre Beziehung zwischen Lena und dem Deserteur Hermann. Das wird Anhängern von Uwe Timms Novelle sauer aufstoßen. Wer sich daran nicht stört, bekommt ein Liebesdrama serviert, dass stellenweise zu brav und unreflektiert wirkt, aber dank der starken Leistung von Barbara Sukow und Alexander Khuon dennoch mitreißt.

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