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    Jungs bleiben Jungs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Jungs bleiben Jungs
    Von Christian Horn

    Mit seinem Kinodebüt „Jungs bleiben Jungs" ist Riad Sattouf ein großer Wurf gelungen: Seine Jugendkomödie über die Wirren der (männlichen) Pubertät avancierte nicht nur beim französischen Publikum, sondern auch bei den heimischen Kritikern zu einem veritablen Erfolg. Dabei finden Letztere für Pubertäts-Komödien nur selten lobende Worte. Kein Wunder: Zwischen ausgedrückten Pickeln und erstem Samenerguss offeriert die Bebilderung des Erwachsenwerdens viele derbe Kalauer, die von etlichen Filmemachern allzu gerne für den aufgesetzten Gag zwischendurch genutzt werden. Riad Sattouf greift zwar auch auf die klassischen Höhepunkte aus dem Leben pubertierender Jünglinge zurück, inszeniert diese aber in einer herrlich skurrilen Art und vor allem mit einer ironischen Distanz. Hinzu kommen glänzend verschrobene Hauptdarsteller, die ebenfalls einen Gutteil zum unverkennbaren Charme der erfrischenden Komödie beitragen.

    Wer Zungenküsse vor einem Spiegel übt, ist entweder stark angetrunken oder er befindet sich mitten in der Pubertät. Auf den 14-jährigen Hervé (Vincent Lacoste) trifft Letzteres zu: Zwischen Schulaufgaben, nervend-neugieriger Mutter und alltäglicher Langweile entdeckt er seinen Sexualtrieb – und der bahnt sich, wie das eben so üblich ist, mit unbeirrbarer Nachhaltigkeit den Weg an die Oberfläche. Gemeinsam mit seinem besten Freund Camel (Anthony Sonigo) verfolgt Hervé daher nur das eine Ziel: Endlich mal einem Mädchen an die Wäsche gehen – oder zumindest mal eines knutschen. Als sich dann urplötzlich die Schulschönheit Aurore (Anthony Sonigo) für Hervé interessiert, stellt das nicht nur seine Freundschaft mit Camel auf die Probe, sondern auch die eigenen Nerven: Wer nämlich gestern die ersten Schamhaare entdeckt hat, ist heute noch lange nicht sicher im Umgang mit dem anderen Geschlecht...

    Riad Sattoufs Konzept hätte leicht in die Hose gehen können: Über eine Story verfügt „Jungs bleiben Jungs" nicht wirklich. Vielmehr wirft Sattouf pointierte Schlaglichter auf die Lebensnöte seiner Figuren, wagt Exkurse, die zu nichts führen, und entwirft so eine Dramaturgie mit recht unverbindlichem Episodencharakter. Dass sich aber dennoch keine Beliebigkeit einstellt, liegt in erster Linie an der Perspektive, die der Regisseur – der auch als Comiczeichner arbeitet – seinem Stoff gegenüber einnimmt. „Jungs bleiben Jungs" geht es um eine ironische Überzeichnung – letztlich liefert Sattouf eine Persiflage auf die Pubertät, oder besser: auf das Klischeebild einer Pubertät, die nichts auslässt und in der der Protagonist einfach alles erlebt, was diese Lebensphase an Skurrilem zu bieten hat. Dass die Komödie trotz dieser gewissermaßen überlebensgroßen Darstellung nicht das Alltägliche und den Kontakt zur Realität aus dem Blick verliert, markiert die eigentliche Leistung des Regisseurs. So missbraucht Hervé einen alten Versandhauskatalog zu Onanie-Zwecken, und die Lehrerin, die mit überschlagenen Beinen und Rock auf dem Lehrerpult sitzt, avanciert zum Highlight des Tages.

    Nicht zuletzt Vincent Lacoste und Anthony Sonigo, beide in ihrer ersten Kinorolle, tragen einen Gutteil zum Gelingen bei. Derart anti-heroische und ungelenke Helden hat das Kino selten gesehen: beide von der Pubertät mehr als überfordert und gezeichnet, der eine mit unsicherer Haltung und schiefem Gesichtsausdruck, der andere schlaksig und mit absurder Vokuhila-Frisur. Es war ein glückliche Entscheidung, diese beiden Rollen mit unerfahrenen Schauspielern zu besetzen. Lacoste und Sonigo statten ihre Figuren mit der nötigen Portion Glaubhaftigkeit und Verve aus, mit Charisma und einem guten Gespür für das komische Potenzial: Für den Erfolg beim Publikum ist das Hauptdarsteller-Gespann wohl keinen Deut weniger verantwortlich als die vitale Inszenierungsweise.

    Die gelungene Mischung aus unverhohlen überspitzter Darstellung und großer, aufrichtiger Nähe zum Alltäglichen, zur Welt jenseits des Kinos, macht den Reiz von „Jungs bleiben Jungs" aus. Somit ist Sattoufs Erstling nicht nur in seinem Genre der Pubertäts-Komödie, sondern auch ganz allgemein ein sehr interessanter Film, eine Komödie auf hohem inszenatorischen und darstellerischen Niveau: ungeschminkt und wahrheitsgetreu, gleichzeitig den fiktiven Charakter ausstellend – getragen von der beherzten Performance zweier Schauspielneulinge.

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