Che - Revolucion, der erste Teil von Steven Soderberghs ambitioniertem „Che“-Projekt, war die Chronik einer Revolution nach Maß. Aus der Perspektive des Films erwies sich der gut zwei Jahre andauernde Guerillakrieg, in dessen Verlauf Fidel Castro und seine Männer das herrschende Militärregime unter Fulgencio Batista trotz einer enormen zahlenmäßigen Unterlegenheit bezwungen haben, als Musterbeispiel für einen gelungenen Befreiungskampf. Castro und seinem engen Vertrauten Ernesto „Che“ Guevara glückte in dieser Phase einfach alles. Trotz der schmerzlichen Verluste, die sie im Lauf der Kampagne zu beklagen hatten, entwickelten sich die Ereignisse ganz nach der Vorstellung der Revolutionäre. Che gab zwar das Motto „Sieg oder Tod“ aus, doch letztlich standen die Vorzeichen von Anfang an auf Sieg. In „Che – Guerilla“, dem zweiten Teil dieses nahezu spiegelbildlich aufgebauten Biopics, herrscht dagegen von Anfang an eine ganz andere Atmosphäre. Über Ches Versuch, zehn Jahre nach Beginn der kubanischen Revolution, die Verhältnisse in Bolivien umzustürzen, liegt der kalte Schatten des Todes. Was auf Kuba gelang, wird sich nicht wiederholen lassen. Daran lässt Steven Soderbergh nie den geringsten Zweifel. So legt sich eine fatalistische Stimmung über seine Bilder und verleiht dem zweiten Teil eine stärke emotionale Dichte. Doch letztlich ähnelt er seinem Vorgänger den umgekehrten Vorzeichen zum Trotz viel zu sehr. Auch er bleibt ein faszinierendes Experiment, das nicht ganz aufgeht.
Im Frühherbst 1965 hat Ernesto Guevara in einem Brief an Castro all seine Ämter in dessen Regierung niedergelegt und die ihm für seine Verdienste verliehene kubanische Staatsbürgerschaft wieder zurückgegeben. Die Revolution war in seinen Augen an einem Punkt angekommen, an dem sie ihn nicht mehr brauchte. Von nun an will er den bewaffneten Freiheitskampf in anderen (süd- und mittelamerikanischen) Ländern weiterführen. Am 3. November reist er schließlich verkleidet und unter falschem Namen in Bolivien ein, um dort eine Guerilla-Bewegung nach kubanischem Vorbild zu organisieren. Damit beginnt eine knapp elf Monate andauernde Kampagne, die am 9. Oktober 1967 mit der Erschießung Ches endet. Seine Versuche gemeinsam mit einigen kubanischen Weggefährten und ein paar ausländischen Sympathisanten, zu denen auch der französische Schriftsteller Regis Debray (Marc-André Grondin, C.R.A.Z.Y. und C’est La Vie) und eine Deutsche namens Tanja (Franka Potente, Lola rennt Anatomie und Die Bourne Identität) gehören, scheitern am Misstrauen der bolivianischen Landbevölkerung. Anders als Batista verstehen es Präsident Barrientos (Joaquim de Almeida, Desperado und Sweat), seine Militärs und seine Berater von der CIA, die Arbeiter und Bauern mit einer Mischung aus Propaganda und Gewalt unter Kontrolle zu halten.
Natürlich lassen sich die beiden „Che“-Teile letztlich nicht voneinander trennen, und es ist mehr als bedauerlich, dass sie in Deutschland mit Abstand von sechs Wochen in die Kinos kommen. Dadurch wird es praktisch unmöglich sein, sie möglichst nahe beieinander zu sehen. Dabei würde Soderberghs radikal gegen den Strich gebügeltes Biopic gerade davon enorm profitieren. Je geringer der zeitliche Abstand ist, der zwischen dem Sehen dieser beiden Filme liegt, desto deutlicher zeichnen sich sowohl die Gemeinsamkeiten wie die Unterschiede zwischen ihnen ab. Steven Soderbergh hat die beiden so komponiert, dass sie zusammen wie zwei Seiten einer Medaille wirken. Beide erzählen sie von beispielhaften Guerilla-Kriegen. Nur das im zweiten Teil eben alles gegen Che und seine Männer läuft. Aber genau das ist nun einmal das Risiko einer jeden revolutionären Bewegung. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, wenn das Volk nicht mitzieht oder die bestehenden Machthaber die Zügel noch fest in der Hand halten, ist ein Scheitern unvermeidlich. Während Ches Bolivien-Kampagne greift genauso wie zuvor auf Kuba eins ins andere, nur eben spiegelverkehrt. Der Ausgang des Unternehmens zeichnet sich schon früh ab, trotzdem gibt der von Benicio del Toro extrem zurückgenommen gespielte Che nicht auf. Er versucht erst gar nicht, sich zu retten. Diese Unbeirrbarkeit und Konsequenz sind vielleicht sogar der Schlüssel zu Soderberghs Projekt.
„Che – Guerilla“, für den Soderbergh im Gegensatz zum ersten Teil das klassische amerikanische Breitwand-Format gewählt hat, ist eben nicht nur der weitaus dichtere und düstere der beiden Filme. Er wirkt in seinem Aufbau auch viel konventioneller. Zum einen rückt Che nun viel stärker in den Mittelpunkt des Geschehens. Immer wieder zeigen Soderbergh und del Toro ihn als einen Mann am Ende seiner Kräfte und Möglichkeiten, der aber trotz allem immer weiter macht, für den es nur einen Weg gibt, und der führt ihn nach vorne, seinem immer unvermeidlicher werdenden Schicksal entgegen. Zugleich gewährt Soderbergh diesmal auch Ches Gegenspielern, dem Präsidenten, seinen Handlangern wie den amerikanischen Agenten und Diplomaten, Raum. So entsteht eine klassische antagonistische Konstellation, die er in zwei parallelen Erzählsträngen auflöst. Vor allem im letzten Drittel nähert sich der Film damit fast schon einem Thriller an, der ständig zwischen dem Gejagten, Che, und seinen Jägern hin und her springt.
Diese nun klar herausgearbeitete Frontstellung mit ihren deutlicheren Individualisierungen rückt den Film aber nicht nur näher an andere Biopics heran. Sie verankert ihn zugleich noch viel stärker in Steven Soderberghs Gesamtwerk. Ein Großteil seiner Filme erzählt von Menschen, die sich ohne Rücksicht auf persönliche Verluste gegen große Organisationen und Systeme stemmen. In diesen Individualisten und Rebellen spiegelt sich immer auch ihr Regisseur, dem es im Verlauf seiner Karriere nie gelungen ist, Frieden mit Hollywood und seinen Manager-Typen zu schließen. Seit seinem ersten großen Erfolg mit „Sex, Lügen und Video“ befindet auch er sich in einem permanenten Guerilla-Krieg, den er Mitte der 90er Jahre schon fast verloren gegeben hatte. Nur kommt für Soderbergh wie für Che eine Kapitulation nicht in Frage. Dieser autobiographische Aspekt erklärt ohne Frage die Entstehung der beiden „Che“-Filme. Nur kann er sie letzten Endes eben auch nicht alleine tragen. Eigentlich sollte er nur Beiwerk, Subtext, sein. Doch aufgrund ihrer distanzierten Haltung zu den politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, in denen Ches Leben für den bewaffneten Kampf zweifellos steht, bleiben die beiden Filme ausgerechnet auf ihrer Oberfläche viel zu vage.