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    Die Tränen meiner Mutter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Die Tränen meiner Mutter
    Von Christian Schön

    In gewisser Hinsicht liegt „Die Tränen meiner Mutter“, der neue Film des argentinischstämmigen Regisseurs Alejandro Cardenas Amelio, voll im Trend. Narrative rund um die Familie sind wieder wichtig geworden. In diesem Fall umspannt die Geschichte zwei Generationen einer dreiköpfigen argentinischen Familie, die vor der Militärjunta nach West-Berlin geflohen ist. Dass das Drama nun gerade für seine Machart, genauer gesagt Kameramann Florian Schilling in der Kategorie „Best Cinematography“, mit dem Golden Goblet Award ausgezeichnet wurde, spricht Bände. Denn leider weiß die Geschichte selbst nicht viel zu sagen, obgleich viel erzählt wird.

    Carlos (Rafael Ferro), der Vater von Alex (Fabian Busch; als Kind: Adrian Goessel), liegt im Sterben. Auf Bitten seiner Mutter Lizzy (Erica Rivas) ist Alex nach Buenos Aires gekommen, um seinen Vater ein letztes Mal zu sehen. Wenn es nach Alex ginge, käme das Treffen nicht zustande. Seit seiner Kindheit hat er mit seinem Vater abgeschlossen. Damals ist die junge Familie nach West-Berlin geflohen, da die politische Situation in Argentinien einen weiteren Aufenthalt unsicher machte. Die Drei landeten in einer Kommune, die hauptsächlich aus (Lebens-)Künstlern bestand. Alex‘ Kindheit wurde dadurch zu einem kleinen Abenteuer. Außerdem entdeckt er seine Fähigkeit, mit Gedanken Dinge bewegen zu können, die er jedoch beschließt, für sich zu behalten. Erst als Alex‘ Mutter, die als Journalistin Auslandsreportagen macht, immer öfter weg ist, gerät die heile Welt ins Wanken. Carlos, den es als einzigen zurück in die Heimat Argentinien zieht, geht zu allem Überdruss eine Affäre ein. Als diese ans Tageslicht gerät, bricht die kleine Familie auseinander…

    Die Handlung des Films, die zum größten Teil die Kindheit von Alex erzählt, ist eingespannt in einen Rahmen, der in der „Jetztzeit“ des Erzählers – Alex selbst – verortet ist. Die Exposition stellt zum einen den Anlass, die Familiengeschichte überhaupt zum Thema zu machen, und schließt den Film etwas platt mit der Lösung des Konflikts des Protagonisten ab. Dazwischen liegt, neben vielen kleinen und kleinsten Verstrickungen der WG-Mitbewohner, die Geschichte der Jugendjahre von Alex. Das sehr einfache, psychologische Erklärungsmuster, das dieser Anordnung zugrunde liegt, bedeutet nichts weiter, als dass die Konflikte, die wir als Erwachsene mit unseren Eltern austragen, ihren Ursprung in der vergangenen Familiengeschichte haben. Die Lösung solcher Probleme liegt demnach in der Konfrontation mit der Vergangenheit, was der Film in der Folge dann auch exerziert.

    „Die Tränen meiner Mutter“ in ein gängiges Genre einzuordnen, ist nicht ganz einfach, da viele verschiedene Elemente zusammenkommen, ohne dass sie jedoch richtig zusammen passen. Natürlich ließe sich das Werk als klassisches Familiendrama abhaken. Doch würde man damit dem Film über weite Strecken nicht ganz gerecht. Nach dem Einstand konzentriert sich die Handlung hauptsächlich auf die Ereignisse um Alex. Dabei schlägt der Erzählgestus unmittelbar um, und man glaubt eher einen Kinderfilm zu sehen, der ein wenig Aufklärungsarbeit leisten möchte. Frei nach dem Motto: Wie ergeht es einem Kind, dessen Eltern politische Flüchtlinge sind, mit den normalen Problemen eines Heranwachsenden. Doch diesbezüglich hat „Die Tränen meiner Mutter“ nichts Wesentliches zu sagen. Ambitioniert, aber leider singulär im Film ist hier eine Comicsequenz, in der spielerisch die Gefühlswelt des Jungen symbolisch repräsentiert wird.

    Während man in dieser Phase zwar etwas allein gelassen, aber durchaus bereit ist, sich auf die kindliche Perspektive einzulassen, legt der Film mit einem märchenhaften Element nach. Die Fähigkeit von Alex, mit seinen Gedanken Dinge zu bewegen, mutet zunächst wie eine Harry-Potter-Light-Version an. Allerdings wird dieser Faden nicht aufgegriffen und verkommt zu einem der größten Ärgernisse. Nachdem Alex seine Fähigkeit entdeckt hat, passiert jedes Mal, wenn er sie anwendet, etwas Verhängnisvolles. Stets gibt er sich selbst die Schuld dafür und schwört sich, nie wieder etwas mit seinen Gedanken zu bewegen. Bis er es wieder tut, um sich wieder zu schwören, es nie wieder zu tun. Bis er… Das Ärgerliche dabei stellt gar nicht einmal die Tatsache dar, dass sich Regisseur Amelio nicht dazu durchringen konnte, ein Märchen aus seiner Geschichte zu machen, sondern dass die wunderliche Fähigkeit des Kindes schlicht überflüssig ist. Jede Situation käme ohne Alex‘ telekinetische Begabung aus und bleibt so letztlich unmotiviert.

    Der damit seltsam anmutende Stilmix führt zum Kern der Schwierigkeiten, mit denen „Die Tränen meiner Mutter“ zu kämpfen hat. Der Film ist der zweite Teil der Dilogie, in der Regisseur Alejandro Cardenas Amelio seine eigene Lebensgeschichte „aufarbeiten“ möchte. Der erste Teil, die Dokumentation „Alias Alejandro“, widmet sich dem Verhältnis zu seinem Vater, der nun mit dem Spielfilm und der Beziehung zur Mutter ergänzt werden sollte. Das Erzählwirrwarr erklärt sich schließlich, da einerseits die Biographie des Regisseurs den Stoff zum Film liefert, andererseits aber versucht wurde, daraus ein funktionierendes Drama zu machen. Leider schreibt das Leben in den seltensten Fällen perfekte Drehbücher. In diesem Fall wurde gar versäumt, dem Leben nachträglich auf die Spur zu helfen. Als Resultat wird in „Die Tränen meiner Mutter“ zu vielen Kleinigkeiten Platz eingeräumt, die letztlich vielleicht tatsächlich so gewesen sein mögen, deren Auftauchen im Film sich aber nicht erschließt.

    Besonders schwer wiegt dieser Lapsus in diesem Fall, da über die übrigen beteiligten Kräfte des Films nur Positives zu berichten wäre. Die Atmosphäre der 80er Jahre in der West-Berliner Kommune erscheint rundum gut in Szene gesetzt, glänzt mit interessanten Kameraperspektiven und die, vorwiegend fürs Fernsehen tätigen, Schauspieler lassen kaum Raum für Kritik. So bleibt nur zu hoffen, dass Regisseur Alejandor Cardenas Amelio, nachdem er nun seine Familiengeschichte aufgearbeitet hat, den Blick frei hat für neue Geschichten jenseits des eigenen Bauchnabels.

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