Ihre feine Nase bringt eine Leckerschmecker-Ratte in Teufels Küche. Außerdem gibt es ganz viel Suppe. Klingt nach Ratatouille, ist es aber nicht. Für ihren Animationsfilm „Despereaux - Der kleine Mäuseheld“ haben sich die Regisseure Sam Fell (Flutsch und weg) und Robert Stevenhagen den preisgekrönten Märchenroman „The Tale Of Despereaux“ von Kate DiCamillo vorgeknöpft. Doch die komplexe Struktur der Vorlage, die sich kaum eins zu eins auf die Leinwand übertragen lässt, führt dazu, dass die Geschichte um eine Maus, eine Ratte, eine Magd und eine Prinzessin als Film nicht zündet. Zu viel wird nebeneinanderher erzählt und zu lange verschwinden Figuren zwischendurch von der Bildfläche.
Es war einmal ein Königreich, das war berühmt für seine wohlschmeckenden Suppen. Doch ein Unfall mit einer Gourmet-Ratte und einer vor Schreck gestorbenen Königin ließ den König alles, was mit Suppe zu tun hat, verbieten. Seit jenem schicksalhaften Tag schien in dem Reich nicht mehr die Sonne. Als Despereaux in der Mäusewelt, die sich in der Suppentopfabstellkammer befindet, geboren wird, ist er ganz anders als die anderen Mäuse. Er steckt voller Neugier und Tatendrang, will alles erforschen und hat vor nichts Angst. Diese Eigenschaften sind in der Welt der Nager, in der Furcht als höchstes Gut gilt, nicht gerne gesehen. Als er mal wieder besonders mutig ist, wird Despereaux deshalb in die Rattenwelt verbannt. Nur dank dem Eingreifen der schlitzohrigen Seefahrer-Ratte Roscuro fällt der kleingewachsene Mäuserich in der Arena nicht einer biestigen Katze zum Opfer. Gemeinsam mit seinem Retter macht sich der heldenhafte Despereaux daran, der traurigen Prinzessin zu helfen und den Bürgern ihre Suppe und damit den Sonnenschein wiederzugeben...
Der Vorspann von „Despereaux - Der kleine Mäuseheld“ verdeutlicht die Probleme des Films am besten. Ein bekannter Name reiht sich da an den nächsten, am Ende sind es mehr als 15 Stück. Matthew Broderick (Ferris macht blau, The Producers), Dustin Hoffman (Die Reifeprüfung, Liebe auf den zweiten Blick), Emma Watson (Harry Potter und der Stein des Weisen), Kevin Kline (Ein Fisch namens Wanda, In And Out), William H. Macy (The Cooler), Stanley Tucci (Der Teufel trägt Prada), Frank Langella (Frost/Nixon), Christopher Lloyd (Zurück in die Zukunft) und Sigourney Weaver (Alien, Der Eissturm) sind mit von der Partie, und das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Fatale daran ist nun weniger, dass man sich im Anschluss darüber ärgert, die deutsche Fassung zu sehen und all die angekündigten Starsprecher zu verpassen. Vielmehr ist es die schiere Masse an Figuren, an der die 3D-Animation scheitert.
DiCamillos Roman besteht aus vier „Büchern“. Im ersten wird die Geschichte der Maus Despereaux behandelt, im zweiten die der Ratte Roscuro, das dritte erzählt die Fabel der Magd Miggery Sow, und erst im vierten Buch treffen die Charaktere aufeinander. Diese Paralleldramaturgie lässt sich in einem Kinofilm natürlich kaum durchhalten und ein wenig haben die Macher die Handlungsstränge auch durchmischt. Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass eine der Hauptfiguren für einen längeren Zeitraum von der Bildfläche verschwindet. Zudem läuft das, was im Roman nacheinander abgehandelt wird, im Film nun nebeneinanderher: Es gibt nicht nur drei Protagonisten mitsamt eigener Story, die alle auch noch für eine andere „Moral von der Geschichte“ stehen, sondern auch noch Parallelwelten (die der Mäuse, die der Ratten, die der Menschen und die der heldenhaften Ritter), zwischen denen flott hin und her gesprungen wird. Der Überblick geht da schnell verloren, von der emotionalen Bindung an das Geschehen ganz zu schweigen.
Auf der Habenseite stehen in erster Linie die Schauwerte. Der Animationsstil ist an die Werke holländischer und flämischer Meister wie Rembrandt, Jan van Eyck, Rogier van der Weyden und Hans Memling angelehnt. Der aus Suppengemüse bestehende Kochgehilfe, der einem magischen Rezeptbuch entsteigt, erinnert an die surrealistischen Gemälde von Salvador Dali. So hat das europäisch wirkende Setting mit den bonbonbunten Welten von Madagaskar, Shrek und Co. nur wenig gemein. Sicherlich wird das die kleinen Kinogänger nicht sofort ins nächste Kunstmuseum treiben, aber dass ein wenig visueller Anspruch nicht schadet, hat ja zuletzt schon Wall-E eindrucksvoll bewiesen.
Fazit: Ambitionen sind schön und gut. Aber im Fall von „Despereaux - Der kleine Mäuseheld“ haben die Macher maßlos übertrieben. Das krude Nebeneinander von Charakteren, Handlungssträngen und Erzählebenen überfordert nicht nur junge Kinogänger.