Für einen guten Horrorfilm bin ich, leidenschaftlicher Blogger und Filmesehender, auch gerne in Richtung Grusel, immer zu haben. Diese Art von Filmen hat, meiner Meinung nach, noch viel höhere Ansprüche an sich zu setzen, als es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war, da sich dieses Genre im wahrsten Sinne des Wortes „unheimlich“ weiterentwickelt hat, und es heute mehr als nur einige Jumpscares benötigt, um eine wahrlich gelungene Geschichte zu erzählen. Ein Film, der seine eigene Rolle sehr ernst nimmt und trotz seiner zunächst recht abgenutzt klingenden Grundhandlung eine wahre Perle unter den Horror-Thriller-Psychoschockern ist, möchte ich im Folgenden vorstellen: „Orphan – Das Waisenkind“.
Der Streifen startet sofort mit einer seiner wenigen schwächelnden Szenen, die aus dem einfachen Grund nicht überzeugen kann, als dass mir es als Zuschauer schwer gefallen ist, sie zunächst in die sonstige Rahmenhandlung einzuordnen. Das Motiv der Filmemacher, das wahre Grauen hinter einer Totgeburt und der damit verbundenen psychischen Belastung drastisch als Form einer Albtraumsequenz darzustellen, macht hierbei durchaus Sinn, vermittelt dem Publikum jedoch eher den Eindruck, man würde hier unnötig blutige Bilder verwenden, um die Aufmerksamkeit mit einem ausufernden Winken aufzusaugen. Das hat der Film nicht nötig – seine Stärken liegen nicht in brutaler Härte, sondern in seiner fiesen Hinterlistigkeit, mit der er seine Zuschauer um den Finger wickelt und eine eisige Gänsehaut beschert.
Was sich überaus positiv anmerken lässt, ist die spannungsaufbauende Gliederung des Filmes. Von Szene zu Szene schafft es „Orphan – Das Waisenkind“ eine dermaßen dichte und scharfe Atmosphäre aufzubauen, dass man sie mit dem Messer zerschneiden könnte. Der Streifen steigert sein Spannungsniveau stetig staffelnd, bis er zu einem – und das möchte ich hier betonen – grandiosen Finale, welches es in sich hat und mir sicherlich noch länger im Gedächtnis bleiben wird. Die unvorhergesehene und brachiale Wendung, der Clou, der Plot-Twist, enttäuscht zu keiner Sekunde, deckt alle offenen Fragten ab und lässt sein Publikum schockiert zurück.
So überzeugen in dem Streifen die überragenden Figurenschauspieler, die es schaffen, die beklemmende Handlung jederzeit glaubwürdig auf ihren Schultern zu tragen und die Ängste des Zuschauers auf die Leinwand zu übertragen. Isabelle Fuhrman verkörpert ihre Rolle Esther mit einer Boshaftigkeit und Intensität, dass man nie hinter die steinharte und eiskalte Fassade dieses Mädchens blicken kann. Dass sie bei dem Dreh des Films erst zwölf Jahre alt war, zeugt über die Tatsache, dass sich diese Schauspielerin nicht verstecken muss, und ihr riesiges Talent schon in frühen Jahren spätestens hiermit bewiesen hat. Aber auch beispielsweise Vera Farmiga als verwirrte, besorgte Adoptivmutter oder Peter Sarsgaard als ihr Ehemann sind bei mir lediglich auf positive Resonanz gestoßen. Bedeutsam ist für mich auch der Fakt, dass in diesem Horrorfilm (endlich) einmal keine unterdurchschnittlich intelligenten Figuren auftauchen, die sich in jeder möglichen Szene unverständlich und dumm verhalten, sondern sind hier die Motivationen der Figuren zu jeder Zeit nachvollziehbar und verständlich dargestellt. [Zudem finde ich die Rolle von Aryana Engineer als kleine, taub-stumme Max äußerst charmant, und verleiht „Orphan“ zugleich eine unschuldige, kindliche Note, die uns Zugang zu dem Innenleben der jugendlichen Figuren verschafft.]
Leider verliert sich der Film in seinem großen Showdown ein wenig in bereits aus anderen vergleichsbaren Genrevertretern bekannten Motiven, was hier nicht hätte sein müssen. „Orphan – Das Waisenkind“ schafft es zwar, aus dem Szenario des weißgekleideten, teuflischen Mädchens eine atmosphärisch dichte und innovative Geschichte zu erzählen, driftet am Ende kurzzeitig in eine ungleiche Katz-und-Maus-Jagd wieder, die man schon oft so gesehen hat, wie auch erst neulich in dem kürzlich erschienenen „Halloween“. Zusätzlich kann ich mir beispielsweise keinen Reim auf die einnehmende Rolle der Großmutter machen, die zwar über die gesamte Lauflänge des Films im Hintergrund zu sehen ist, jedoch bis auf einen Dialog am Anfang keine richtig essenzielle Rolle für den Streifen übernimmt. So wie man den anderen Charakteren den nötigen Tiefgang verliehen hat, so wird die Rolle der Oma vernachlässigt und quasi „übersprungen“.
Die Stärken von „Orphan – Das Waisenkind“ lassen sich schnell zusammenfassen: Der Film schafft es innerhalb weniger Minuten, eine intensive Atmosphäre aufzubauen, die den Zuschauer bis zum Ende nicht mehr loslässt, mit einer Hauptdarstellerin, die vor Bösartigkeit kaum zu übertreffen ist und ihrem Publikum den letzten Nerv raubt, und einem staffelnden Tempo, dass ich sagen muss: Der Film hat mich sehr gut unterhalten und wird mir noch länger im Gedächtnis bleiben. Innerhalb seines Genres kann er aus diesem Grund glänzen, aber auch im Vergleich mit allen Streifen der Welt bleibt mir ein äußerst positiver Nachgeschmack auf der Zunge haften, da nicht jeder Film eine solch intensive Spannung und Atmosphäre aufzubauen weiß, wie es hier geschafft wurde.
„Orphan – Das Waisenkind“ ist ein nervenaufreibender und intensiver Horror-Thriller-Psychoschocker, der durch seine pure Boshaftigkeit, unvorhergesehene Handlung und herausragende Charakterdarsteller glänzen kann und gruselig-spannende Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bieten kann.
Gerne vergebe ich sehr gute vier von fünf möglichen Sternen.