Waisenkinder - was einem da in den Sinn kommt sind wohl gleich behütenswerte und schutzbedürftige junge Wesen die Obdach und Halt in einer Familie bedürfen. Kinder, die man mit Unschuld gleichsetzt und Waisendasein, was für ein leidenswertes Schicksal spricht.
Waisen, so meint man doch eher, sind entgegengesetzt dem Bösen und Üblem, was sie letztendlich elternlos gemacht hat.
Das genau hier etwas "Böses" zu finden ist, ist für das Horrorgenre nicht unüblich - was ja mit atypischen Darstellungen und Interpretationen kokettiert (z.B. Clownsfigur).
Problematisch kann es dann nur werden wenn es zu aufgesetzt und übertrieben unlogisch wirkt und auch ich habe etwas Bammel gehabt einen Klischeehorrorfilm vorgesetzt zu bekommen - was ich dann aber sehen durfte ist ein erstklassiger Psychothriller!
Ein Ehepaar, Kate und John mit Sohn Daniel und Tochter Maxine bilden hier die Ausgangsposition, die für die Familie von vornherein schwierig ist. Kate - eine Totgeburt und anschließende Alkoholsucht hinter sich, sowie ein dadurch resultierender Beinahetod durch Ertrinken der einzigen Tochter, die zudem gehörlos ist. Sichtlich mitgenommen von den Ereignissen ist da auch der Ehemann John.
Eine neue lichtbringende Etappe soll da die Adoption der Waisin Esther sein, die von vornherein durch ihre andere unoberflächliche und sehr reife Art auffällt.
Und so wird Esther in die Familie aufgenommen...
Und von da an entwickelt sich aus dem anfänglichem schönen Einstand der Weg in ein Albtraum.
Die intelligente Esther - wunderbar überzeugend gespielt von Isabelle Fuhrman - bezaubert mit ihrem prinzessinnenhaften aber bodenständigem, höflichem Benehmen, und die die ganze Familie, außer Sohn Daniel, schließt sie in ihr Herz ein. Auch als Zuschauer ist man zu Beginn entzückt von dem Auftreten dieser Person und sympathisiert mit ihr.
Aber relativ abrupt zeigt sich dann auch eine andere Seite des Waisenmädchens und die Vorkommnisse sind dann nicht mehr dem Charakter einer "normalen" Neunjährigen zuzuordnen.
Eine gewisse Zeit mag man auch weiterhin noch fasziniert sein von der resoluten "coolen" Esther, mit der sie sich behauptet und ihren derben Weg fortsetzt. Auch da sie stets wieder in die "angenehm nette" Esther schlüpft.
Was aber dann schnell klar wird ist, dass sie einen perfiden Plan ausheckt und ein düsteres Geheimnis birgt... Mehr und mehr spielt sie die Familie gegeneinander aus, weiß raffiniert -eher unscheinbare- Ereignisse des Ehepaars für sich zu nutzen und die Familie in Richtung Verzweiflung und letztendlich in Gefahr zu bringen.
Kompromisslos, berechnend und kaltblütig - ein Auszug aus der Filmbeschreibung der Bluray zum Charakter der Waisin - absolut gerissen und - ja: "böse" - füge ich hinzu.
Die Handlung des Films ist mit Hinblick auf die Charaktergestaltung und Interaktionen der verschiedenen beteilgten sehr gelungen. Trotz kleinerer Logiklöcher der agierenden Personen, über die man aber aufgrund des enorm hohen Spannungsbogens gerne hinwegsieht,und ein oder zwei horrortypischer Klischeeszenen wird man von den Ereignissen sehr mitgenommen und fiebert mit den unterschiedlichen Protagonisten mit. Da kann die Entwicklung sich schon (wie es sich für Psychofilme gehört) verstörend auf den einen oder anderen auswirken!
Schauspielerisch kann ich hier absolut nichts aussetzen, allen voran eben oben erwähnte Isabelle Fuhrman als bittere fiese Esther, die wunderbar überzeugend sowohl die süße zuvorkommende Prinzessin als auch das dämonenhafte "Monster" in dunklen Farben verkörpert.
Auch passt die Umgebung und Outfit, wie z.B. das Zimmer, zum Charakter der "dunklen" Esther - beinahe psychedelisch - teils auch optisch passend zur Gothickultur.
Aber auch Vera Farmiga als geplagte und den Boden unter den Füßen verlierende Ehefrau Kate spielt bestechend stark und ihr Leiden und ihre Desillusioniertheit und Benehmen in Hinblick auf Esther ist Motor um die Spannung mehr und mehr in die Höhe zu treiben.
Peter Sarsgaard als angestrengten Ehemann John, der eher mit obligatorischer Ruhe und Vernunft das Geschehen angeht und Klarheit ins Familienleben bringen möchte kann man auch nicht behelligen - solide.
Zuletzt die beiden leiblichen Kinder Daniel (Jimmy Bennett) und Maxine (Aryana Engineer) - ersterer macht seine Sache gut als pubertierender Junge und zweitere jedoch wirklich hervorragend als gehörlose Tochter, die eine Schwester in Esther findet, dann aber in die Abgründe mit hinuntergezogen wird. Sie kann als stille Heldin angesehen werden, da hier die pure Unschuld mit ihrer Person dann wirklich vertreten ist.
Wie es oft in so Filmen ist steigert sich alles bis zum Showdown und abgesehen von bereits erwähnter kleinerer klischeebehafteter Storybeeinflussung ist auch dieser sehr gelungen, fesselnd und stilvoll, wenn am Ende auch etwas unnötig ausufernd. Der Knackpunkt und das Geheimnis rundet das Geschehen dann auch noch zum positiven ab.
Zusammenfassend sei gesagt: Hochspannend, gute Darsteller - super Leistung der Hauptdarstellerin des Waisenmädchens - ungewöhnliche Handlung im Gegensatz zu dem typischen Horrorfilmeinerlei - ein Psychothriller zum Mitfiebern (auch trotz kleinerer Logiklöcher/Stereotypen).
Achja, einen schaurig-schönen Abspann mit sehr passender Musik gibt's auch noch!