In Osteuropa geben sich die einstigen Actionstars die Klinke in die Hand. So regelmäßig wie Steven Seagal, Jean-Claude Van Damme, bis zu seinem Ausreiseverbot auch Wesley Snipes, und all die anderen in Rumänien, Bulgarien und Co. tätig waren, müsste es fast mit dem Teufel zugehen, wenn der eine nicht mal im Nachbarstudio des anderen gedreht hätte. Auch Dolph Lundgren kennt sich dort bestens aus und hat seine ersten beiden Regiearbeiten The Defender und „The Mechanik“ in Osteuropa inszeniert. Doch für seine dritte Arbeit hinter der Kamera ging er überraschend in die USA und drehte in Texas. Das ist auch der passende Ort für einen Western, denn ein solcher ist „Missionary Man“ geworden. Schauplatz ist zwar eine Kleinstadt in der Gegenwart und statt Pferden werden Motorräder geritten, aber im Übrigen erweisen sich Geschichte und Inszenierung als klare Reminiszenzen an Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar und Clint Eastwoods Ein Fremder ohne Namen. Von deren Qualität ist Lundgren natürlich weit entfernt, aber der Schwede zeigt mal wieder, dass er im Vergleich zu einigen alten Kollegen unterschätzt wird. Ein großer Schauspieler ist er nach wie vor nicht, aber ein ordentlicher Regisseur und ein durchschnittlicher Autor. Und das reicht für ein Gesamtwerk, das immerhin alles, was die Kollegen Snipes und Seagal in diesem Jahrtausend fabriziert haben, in die Tasche steckt.
Auf einem Motorrad kommt ein blonder Hüne (Dolph Lundgren) in eine texanische Kleinstadt in einem Indianerreservat, wo gerade ein alter Kriegskamerad beerdigt wird. Er trägt die Bibel immer bei sich, liest aus ihr vor und trinkt Tequila ohne lästiges Beiwerk wie Zitrone und Salz. Und den örtlichen Schlägern heizt er auch gleich erst einmal eine Runde ein. Deren Boss John Reno (Matthew Tompkins) kontrolliert den Ort, dealt mit Drogen und plant ein großes Casino, an dem die Indianer nicht partizipieren sollen. Die werden von ihm und seinen Mannen unterdrückt, ausgebeutet und verprügelt. Doch der namenlos Blonde wechselt bald immer öfter Lese- gegen Sonnenbrille und Bibel gegen Fäuste und fängt an, im Ort aufzuräumen.
Nachdem Dolph Lundgren in seiner heute wohl auch noch bekanntesten Rolle als böser Russe Ivan Drago 1985 mit Rocky IV der Durchbruch gelang, war sein Bild in der Öffentlichkeit ein für alle Mal festgelegt. Ein mächtig großer Muskelprotz, wortkarg und nicht viel in der Birne. Dass der Schwede, der kurz vor seinem Auftritt als Rocky-Gegner in Roger Moores überfälligem „James Bond“-Abschied Im Angesicht des Todes sein Schauspieldebüt feierte, in Wirklichkeit sehr wohl recht viel in der kantigen Rübe hat, interessierte kaum jemanden. Dass er nicht nur einen Studienabschluss hat, sondern statt dem Weg ins Filmbusiness auch eine wissenschaftliche Karriere hätte einschlagen können, wurde von den Filmvermarktern totgeschwiegen. Ein Actionheld/Bösewicht mit Grips brauchte zu jener Zeit niemand. Dass er etwas auf dem Kasten hat, nutzt Lundgren heute. Wohl wissend, dass die große (und auch die kleine) Kinokarriere für ihn nicht mehr drin ist, macht er Filme, die seine Fans unterhalten und ihm Spaß machen. Und um die Kontrolle über alles zu halten, macht er nun bei „Missionary Man“ sogar Hauptdarsteller, Regisseur, Autor und Produzent in Personalunion. Die Bewältigung dieses Aufgabenbündels gelingt ihm dabei durchaus ordentlich.
Die Geschichte von Lundgrens Neo-Western lockt natürlich niemand hinter dem Ofen hervor. Aber die zusammengeklaubten Storyelemente reichen für ein solides B-Movie rund um den Kampf für Gerechtigkeit allemal. Als mysteriöser Reiter auf dem Motorrad mit überirdischer Ausstrahlung gibt Lundgren zudem eine coole Frontsau, bei der es gar nicht so verkehrt ist, dass die mimische Darstellungsbreite des Schauspielers ein beschränktes Niveau aufweist. Denn sein steinerner Blick kann verdammt abgeklärt wirken, dazu hin und wieder ein Oneliner und ein paar Arschtritte für die Bösewichte. Wenn sich Lundgren darauf beschränkt, macht sein Film Spaß und der bei Eastwood abgeschaute Mysterytouch erweist sich als nette Ergänzung. Inszenatorisch überzeugt „Missionary Man“ zudem. Komplett in ausgebleichten Farben gehalten, kommt ein bisschen trostloses Western-Feeling auf und der Held wirkt gleich mal noch eine Spur cooler. Die Actionszenen kommen kurz und schmerzlos daher. Mit ein bis höchstens zwei Schlägen schickt Lundgren seine Gegner auf die Bretter. Von überflüssigem Rumgepose hält er nichts. Die unvermeidbare Zeitlupe kommt zwar auch zum Einsatz, darf aber meist in einem annehmbaren Rahmen das Finale des Schlages begleiten. Das Schießeisen lässt er übrigens, ganz Western-unlike, bis zum Ende stecken, um es dann im Finale aber gleich so richtig einzusetzen.
Nur eins hätte Lundgren bei seinem Mystery-Western-Revenge-Trip nicht unbedingt machen müssen. Sein Plädoyer für die Indianer in allen Ehren, doch die Momente in denen diese Rahmenstory vorangebracht wird, stören einfach nur. Genauso hätte er die Szenen, in welchen sich seine Feinde beratschlagen, um die Hälfte kürzen können und dem Zuschauer damit einen Gefallen getan. Matthew Tompkins (Living & Dying) ist in der Rolle als Bösewicht sowieso nicht die beste Wahl.