Judd Apatow ist momentan Hollywoods Komödien-König. Nicht nur mit seinen beiden Inszenierungen Jungfrau (40), männlich, sucht... und Beim ersten Mal, sondern auch als Produzent und Autor hat er eine besonders in den USA nicht nur kommerziell extrem erfolgreiche Mischung aus derbem Humor mit einer Prise Realismus und ein wenig Sentimentalität etabliert. Thematische und personelle Kontinuitäten sorgen für eine hohe Wiedererkennbarkeit der Filme, das ist auch bei der neuesten Apatow-Produktion „Ein Mann für alle Unfälle“ nicht anders. Co-Autor Seth Rogen etwa war unter anderem bereits als Hauptdarsteller an Beim ersten Mal beteiligt und hat danach am Drehbuch zu Superbad mitgeschrieben. Auch Regisseur Steven Brill, mit dem Apatow 1995 das Skript zum Ben-Stiller-Vehikel „Pfundskerle“ verfasste und Star Owen Wilson haben schon vorher mit dem Tausendsassa zusammengearbeitet. So strahlt „Ein Mann für alle Unfälle“ das angenehm Unernste von Scherzen unter Freunden aus und profitiert dazu von Wilsons unverwechselbarem komischen Gespür. In der Dichte der gelungenen Gags und in der Charakterzeichnung bleibt der Film allerdings deutlich hinter den besten Werken der Beteiligten zurück.
Der erste Tag an der Highschool: Die beiden Kumpel Wade (Nate Hartley) und Ryan (Troy Gentile, Nacho Libre, Die Bären sind los) verkalkulieren sich und tragen das gleiche Shirt. Als Wade dann auch noch Emmit (David Dorfman, The Ring 2) gegen den Rowdy der Schule, Filkins (Alex Frost), hilft, ist das Schicksal der drei Außenseiter besiegelt. Bei jeder Gelegenheit werden sie drangsaliert, gegängelt und angegriffen, bis sich das Trio nicht mehr anders zu helfen wissen: Ein Leibwächter muss her. Die Jungs geben eine Annonce auf und bald stellt sich eine Reihe schillernder Charaktere vor. Der Einzige, den sie sich leisten können, ist allerdings der Obdachlose Drillbit Taylor (Owen Wilson), der der phantasievollen Schilderung seiner Vergangenheit als Army Ranger zum Trotz nicht die geringste für den Personenschutz relevante Erfahrung besitzt. Er sieht in den Kindern leichte Opfer, denen er das Startkapital für die Verwirklichung seiner Auswanderungspläne nach Kanada abnehmen kann. Nach einigen weiteren Konfrontationen besinnt sich Drillbit, der sich inzwischen als Hilfslehrer in die Schule eingeschlichen hat und heftig mit seiner „Kollegin“ (Judd Apatows Ehefrau Leslie Mann, Beim ersten Mal) flirtet, eines Besseren. Ihm sind die Jungs ans Herz gewachsen und Filkins soll eine verdiente Abreibung bekommen.
Anfang des Jahrtausends erzielte Judd Apatow mit der kurzlebigen Highschool-Sitcom „Freaks And Geeks“ einen Kritikererfolg. Ihr Titel bezeichnet viele seiner Figuren, oft stehen die Außenseiter und Unbeliebten im Zentrum der Geschichten. Dies gilt für „Ein Mann für alle Unfälle“ wie auch schon für Superbad. Für diese Figuren haben die Macher ein gut entwickeltes Gespür, es genügen ihnen wenige Details, um die nervöse Spannung vor dem ersten Tag an der Schule spürbar zu machen. Was die Neulinge dort erwartet, übertrifft dann schnell die schlimmsten Albträume. Ihre Nemesis entpuppt sich als reinrassiger, ohne Aufsicht in einer riesigen Villa aufwachsender Psychopath, als brutaler Schläger und Sadist. Besonders Regisseur Brill überspannt den Bogen hier deutlich, Filkins' Attacken sind nicht komisch, vielmehr wirkt er wie eine allzu reale Variante des Amokläufers, den Alex Frost in Gus van Sants Elephant gespielt hat. Auch die Figur des Schuldirektors, die Filkins mit allem durchkommen lässt, verleitet kaum zum Lachen, was klar beabsichtigt ist, sondern verweist auf ein ganz und gar nicht lustiges, wirkliches Problem. Der rein funktionale Umgang mit der Gewalt bringt einen deutlichen Misston in den Film, speziell der Showdown zwischen Drillbit und Filkins ist enttäuschend. Natürlich sorgt es für Genugtuung, wenn der böse Bube etwas auf die Nase bekommt, aber es ist schon befremdlich, dass kein Ansatz einer anderen Form der Konfliktlösung ernsthaft verfolgt wird.
Während das soziale Umfeld an der Schule unterbelichtet ist und ungewöhnlich lieblos wirkt – niemand außer den Neuen hilft, als Filkins Emmit in einen Spind sperrt - erhält das Opfertrio zum Glück ein differenzierteres Profil. Die kleine Romanze zwischen Wade und Brooke (Valerie Tian, Juno), die den Verliebten sogar in einen Kurs über asiatische Kultur und Geschichte führt, in den er ethnisch nun gar nicht hineinpasst, gibt dem ganzen Treiben einen süßen Touch. Und das Rapduell („wie in 8 Mile“), bei dem Ryan Filkins furchtlos gegenübertritt, ist einer der komischen Höhepunkte des Films. Den drei Außenseitern gehören die Sympathien, aber ihre Probleme sind letztlich nur der Vorwand für die Auftritte Drillbits. Owen Wilson eignet sich diesen Nachfahren von Jean Renoirs „Boudu“, einem Charakter, der in neueren Verfilmungen auch von Nick Nolte („Zoff in Beverly Hills“) und von Gérard Depardieu (Boudu) verkörpert wurde, auf bewährte Weise an. Sein eigenwilliger Sprachrhythmus verleiht auch wenig komischen Dialogzeilen das gewisse Etwas – man muss hören, wie er etwas von „unauthorized heroism“ nuschelt, um seinen Abschied von der Armee zu begründen - und die Kombination von Bedächtigkeit und Unverschämtheit, mit der er mit einer Kaffetasse als „Verkleidung“ das Lehrerzimmer infiltriert, zeigt wieder einmal, dass Wilson zu den originellsten Komödiendarstellern Hollywoods zählt. Leider wirkt er in „Ein Mann für alle Unfälle“ manchmal etwas orientierungslos, in der Haupthandlung bleibt er ein Fremdkörper, dessen Nummern wie die unerlaubten Heldentaten des Charakters gelegentlich aus dem Rahmen fallen - nicht immer mit dem gewünschten komischen Effekt.
Im Gegensatz zu Wes Anderson (Die Royal Tenenbaums, Die Tiefseetaucher, Darjeeling Limited), in dessen Filmen Wilsons Qualitäten uneingeschränkt zur Geltung kommen, ist Steven Brill kein besonders feinfühliger Schauspieler-Regisseur, und auch sonst ist er sehr von seinem Material abhängig. Seine Arbeit mit Adam Sandler (Mr. Deeds, „Little Nicky“) zeigt, dass er ein stringenteres Drehbuch insgesamt auch angemessen umzusetzen versteht. Demgegenüber ist „Ein Mann für alle Unfälle“ nicht missraten wie etwa Trouble ohne Paddel, aber Brill gelingt es alles in allem nicht, die Ausgangssituation, die stark an „Die Schulhofratten von Chicago“ orientiert ist - und dessen Leibwächter Adam Baldwin (Serenity) hier einen Cameo-Auftritt absolviert -, und den Drillbit-Charakter organisch zusammenzuführen. Dieser „Mann für alle Unfälle“ ist trotzdem nicht verunglückt, sondern trotz einiger Pannen oft wirklich komisch. Es ist nicht alles Gold, was Judd Apatow anfasst, aber etwas zu lachen gibt es immer.