Deutschland und die Komödie. Lange Zeit gingen sowohl Filmkritiker, als auch ein großer Teil der Bevölkerung davon aus, dass diese Kombination an den Kinokassen bis auf ein paar Ausnahmen nicht vom großen Erfolg gekrönt sein kann, einfach weil der Deutsche an sich deutschen Humor nicht adäquat und vor allem humoristisch auf die Leinwand transformieren könne. In Deutschland lachte man lieber über Filme aus dem Ausland, der Deutsche konnte das nicht mal halb so gut. Aus heutiger (kommerzieller) Sicht und in Zeiten von Michael „Bully“ Herbig kann man dem mit Leichtigkeit widersprechen, zieht dieser doch mittlerweile mit jedem seiner Filme ein großes Publikum in die Lichtspielhäuser. Anfang der 90er Jahre sah das noch ein wenig anders aus, und so musste erst der damalige mit dem Achtungserfolg „Kleine Haie“ gekrönte Shooting-Star unter den deutschen Regisseuren, Sönke Wortmann, kommen, um mit „Der bewegte Mann“ nach zwei Comicvorlagen von Ralf König die Komödie 1994 abzuliefern, die seinerzeit 6,6 Millionen Menschen in die Kinos lockte.
Der Lebemann Axel (Til Schweiger) wird nach seinem letzten Seitensprung nun endgültig von seiner langjährigen Freundin Doro (Katja Riemann) aus der gemeinsamen Wohnung rausgeworfen. Frustriert und auf sich allein gestellt lernt er durch Zufall den schwulen Walter (oder auch: Waltraud, Rufus Beck) kennen, und prompt sieht sich Axel auf eine Art „Homoball“ wieder, auf dem ihm angesichts lauter Männer in Frauenkleidern nichts anderes übrig bleibt, als sich hemmungslos zu betrinken. Er landet nach durchzechter Nacht schließlich in der Wohnung von Walters ebenfalls schwulem Bekannten Norbert (Joachim Król) und dessen Metzgerfreund (unbeschreiblich: Armin Rhode). Die beiden freunden sich im Laufe der Zeit an, woraufhin Axel bei Norbert einzieht. Doch dies bildet erst den Anfang lauter komplizierter Verwicklungen und Missverständnisse zwischen Homos und Heteros, Axel und seinem Versuch, Doro zurück zu gewinnen. Die ist ihrerseits auf der Suche nach Axel, um von ihrer Schwangerschaft zu berichten, und muss ihn und seine neuen Freunde stattdessen immer wieder in prekären Situationen vorfinden und sich langsam fragen, ob Axel sie überhaupt jemals wirklich geliebt hat, oder gar wieder was mit der plötzlich auftauchenden Ex-Freundin Elke (Antonia Lang) angefangen hat, oder nicht sogar in der Zwischenzeit ganz zum anderen Ufer gewechselt ist.
Natürlich ist er das nicht, aber Ralf Königs Comics widmen sich bekanntermaßen seit jeher fast ausschließlich den schwulen Subkulturen, die er pointiert, mit einem gewissen politischen Hintergrund und in radikalen Karikaturen skizziert, und ihm im Laufe seines Schaffens international einen Namen eingebracht haben. Auch in Wortmanns Filmadaption der beiden Comics „Der bewegte Mann“ und „Pretty Baby“ wird ganz tief in die Klischeekiste gegriffen was die Charakterzeichnungen anbelangt, um sie dann teilweise bis auf die Spitze der Parodie zu treiben. Wer damit generell ein Problem hat und schon an Königs Comics außer ein paar schlecht gezeichnete Nackedeis nichts finden konnte, wird es erst recht langsam leid sein, auf der Leinwand zum x-ten Mal Witzchen über homosexuelle Menschen (Bully lässt grüßen) über sich ergehen lassen zu müssen, und wird sich bei all dem derben Humor nur kopfschüttelnd abwenden.
Alle anderen, und das dürften damals wie heute nicht wenige sein, werden sich mit einem gut aufgelegten Ensemble bestens amüsieren. Til Schweiger mag ein begrenzt fähiger Schauspieler sein, kann in diesem Film aber als etwas einfach gestrickter Axel durchaus mit den anderen mithalten. Es weiß aber vor allem Armin Rhode zu überzeugen, der seinen Metzger mit einer Vorliebe für fiese Splattermovies und fragwürdigem Essverhalten herrlich schmierig und abstoßend gibt, und dabei seltsamerweise als einziger in diesem überzeichneten Spiel im Kopf haften bleibt, was sicher auch an einigen denkwürdigen Dialogszene zwischen ihm und Norbert liegt.
Denn das Ausbreiten und Sezieren aller möglichen Klischees und Extremsituationen im Spannungsfeld von Homo vs. Hetero ist ansonsten teilweise kaum zu ertragen in seiner Albernheit, aber bringt gerade deshalb auch einige amüsante, weil in die Karikatur überspitzte Szenen hervor. Von nackten Männern im Kleiderschrank über kichernde Transvestiten bis hin zum ledertragenden S/M-Typen werden alle vereint vorgeführt. Sie erfahren allein dadurch eine extreme Zuspitzung, da diese als autonom dargestellte schwule Welt plötzlich aufgebrochen und in Gestalt des bollerigen Heteros Axel für den Zuschauer sichtbar und zum großen Teil auch lächerlich gemacht wird. Es treffen zwei unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander, die zunächst absolut nichts gemeinsam zu haben scheinen und erst in der Folge zusammengeführt werden, ohne dass es direkt darum geht, Axel irgendwie „schwuler“ zu machen. Vielmehr wird er von allen Seiten aus Norberts und Walters Umfeld als „Frischfleisch“ angegeifert und auch Norbert selbst ist sofort hin und weg von soviel geballter Männlichkeit.
Das Problem von „Der bewegte Mann“ stellt sich eigentlich eher schleichend dar, und hat nicht zwingend etwas mit der dauerhaft schwingenden Klischeekeule zu tun. Aber bei aller Bereitschaft, die man - wie bereits erwähnt - von vornherein mitbringen muss, stellt man sich nach einiger Zeit die Frage (mit der sich wohl laut Medienberichten zufolge auch Ralf König selbst in Bezug auf den Film kritisch auseinandersetzte), warum dabei allein die Seite der Schwulen in voller Klischeefülle ausgebreitet wird. So bleibt es abermals an der vermeintlichen „Minderheit“, für die Witzchen und Schenkelklopfer herzuhalten und somit das Bild der Homosexuellen in der deutschen Kinolandschaft vor allem im Bereich der Komödie bis auf wenige Ausnahmen (wobei, welche gibt es denn überhaupt?) auf der Stufe des immer Weiblichen oder immer harten Lederkerls zu halten. Hier muss man Wortmann unterstellen, dass er sich damals eine differenziertere Herangehensweise in Hinblick auf einen erfolgreichen Werdegang seines Films an den Kinokassen wohl nicht getraut hat, die die Comicvorlage aber geliefert hätte, in der nämlich auch die Heterosexuellen stärker karikiert werden. Aber er sollte bekanntermaßen mit seiner Einschätzung und dem Erfolg Recht behalten.
Obwohl diese Einseitigkeit der Blickwinkel den Film nicht per se schlecht machen und er streckenweise sehr zu unterhalten weiß, hätte man sich eine stärkere Ausgewogenheit im Spiel Homo/Hetero gewünscht, also die Vorlage von Ralf König schon noch genauer zu adaptieren. Wenn man nun wieder Bully als heutige Referenz einbindet, wird eines trotz aller Unterschiede in der Arbeit beider Regisseure und vor allem für die deutsche Komödie deutlich: Zwischen „Der bewegte Mann“ und z.B. TRaumschiff Surprise - Periode 1 sollte sich in zehn Jahren im Kern der Darstellung von Homosexuellen nicht wirklich viel ändern. Trotz nicht zu leugnender Qualitäten des Films, bleibt damals wie auch heute immer wieder ein schaler Nachgeschmack zurück.