Nachdem er mit der Splatter-Komödie 2001 Maniacs einen beachtlichen Erfolg landen konnte, entschloss sich Regisseur und Drehbuchautor Tim Sullivan, in eine andere Richtung voranzuschreiten. Entgegen allen Erwartungen wechselte er das Genre und drehte dem eingeschlagenen Pfad den Rücken zu. Ihm war der Trend aufgefallen, dass in den Vereinigten Staaten immer mehr Eltern ihre verhaltensauffälligen Kinder in privat betriebene Erziehungslager stecken, die den berüchtigten Boot Camps für Straftäter ähneln. Nicht zu unrecht hielt Sullivan diese Entwicklung für bedenklich und beschloss, ein Drama daraus zu schneidern. Ihm schwebte dabei vor, Einer flog über’s Kuckucksnest oder „Der Unbeugsame“ mit Teenagern als Protagonisten zu verfilmen. Geld- und leider auch Ideenmangel führten letztlich aber dazu, dass die ursprünglich richtig gute Idee nicht konsequent umgesetzt wurde.
Der junge David Forrester (Ricky Ullman) ist sauer. Nicht nur muss er mit dem Drogentod seines älteren Bruders fertig werden, nein, seine Eltern haben zu allem Überfluss auch noch Angst davor, dass er sich etwas antun könnte, und stecken ihn deshalb in ein Umerziehungscamp für Jugendliche im tiefsten Florida. Ohne mit der Wimper zu zucken, opfern sie dafür die Rücklagen, die eigentlich Davids spätere Ausbildung sichern sollten. Das Camp wird von dem Hünen und ehemaligem Marine „Captain“ Kennedy (Dallas Page) mit harter Hand (oder sollte man sagen: Faust?) regiert. Schläge, Demütigungen und alle erdenklichen Repressalien sind die Mittel, mit denen der „Captain“ sich widerspenstige Insassen gefügig macht. Wer spurt, rückt in ein höheres Level auf, bis hin zum Junior-Aufseher. David kommt in eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, die alle erdenklichen Minoritäten umfasst: einen Drogenkonsumenten, einen Schwarzen, einen Latino, einen Homosexuellen und so weiter. Schon in der ersten Nacht geschieht etwas Merkwürdiges. David sieht einen Jungen (Connor Ross), der angeblich geflohen und in den Sümpfen ums Leben gekommen ist. Der Junge, dessen Gesicht fürchterlich entstellt ist, erscheint ihm in der Folge immer wieder. David erkennt, dass in dem Lager etwas geschieht, das dem Toten keine Ruhe lässt...
Um es gleich vorwegzunehmen: „Driftwood“ ist langweilig, vorhersehbar und daher eine herbe Enttäuschung. Die Darsteller sind schlecht geführt, außerdem ist das Geschehen äußerst uninspiriert fotografiert. Das Drehbuch offenbart zudem zahlreiche Schwächen. Die Geistergeschichte wirkt aufgesetzt und letztlich unstimmig. Im Bonus-Material der DVD erzählt der Co-Drehbuchautor/Regisseur, dass es ursprünglich nur um das Umerziehungslager gehen sollte. Da aber der geplante dritte Akt um einen Aufstand der Insassen zu teuer geworden wäre, wurde flugs der Geister-Plot oben draufgesetzt. Hierdurch konnte die Geschichte mit wesentlich geringerem Budget erzählt werden. Dies hat allerdings zur Folge, dass der Film sich nicht entscheiden kann, ob er nun ein hartes Knast-Drama oder ein Gruselthriller sein will. So kommen letztlich beide Aspekte zu kurz.
Die Figuren scheinen der Klischeekiste für Genrefilme entnommen: der coole, aber ausgestoßene Protagonist; der riesige, gewalttätige und völlig durchgeknallte Gefängnisdirektor; der gutwillige, aber schwächliche Arzt; der unfähige und reaktionäre Psychologe; und alle denkbaren Minoritäten bevölkern diesen Schmelztiegel. Davids Mutter kommt aus der Schublade „gutwillig, aber blöd“, sein Vater ist dagegen uneinsichtig und seiner Familie gegenüber betriebsblind. Garniert wird das Ganze mit einer Prise blondes Gift in Form der Geschäftspartnerin und der Tochter des „Captains“. Die schauspielerischen Leistungen reichen von „okay“ bis hin zu „unterirdisch“. Besonders der ehemalige Wrestling-Star Dallas Page chargiert sich als Bösewicht ungeniert durch den Film. Aber auch die übrigen erwachsenen Darsteller bekleckern sich nicht gerade mit Ruhm. Wenn der bis dahin völlig passive Arzt plötzlich zur Waffe greift, wirkt das gar unfreiwillig komisch, so schlecht ist diese unvermittelte Wandlung gespielt.
Etwas besser funktioniert die Chemie zwischen den jugendlichen Darstellern, aber die zu erwartende Gruppendynamik (von offener Ablehnung über Verständnis bis hin zu Teamwork) schält sich letztlich doch zu selten heraus. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Tim Sullivan hätte einen viel besseren Film abgeliefert, wenn er die Gruppe als Team hätte agieren lassen. Dazu hätte es noch nicht einmal viel teurer Action bedurft. Hätten sie versucht, mit List und Tücke die verbrecherischen Aktivitäten der Anstaltsleitung publik zu machen, hätte ein richtig guter Film daraus werden können. Leider ist keiner auf die Idee gekommen, in diese Richtung voranzuschreiten. Stattdessen werden die Jugendlichen zu Schlachtvieh degradiert und haben an der Lösung des Konfliktes keinen echten Anteil. Der Gespensterplot verkommt zu einem bloßen „deus ex machina“, mit dem sich der junge David aus dem Griff der Soziopathen befreit.
In Bezug auf vergeltungssüchtige Tote ist man ja mittlerweile einiges gewohnt. Seit The Sixth Sense sind diese sogar im Mainstream-Kino angekommen. Es wäre aber wünschenswert gewesen, sich innerhalb des Plots diesbezüglich Grenzen zu setzen. Stattdessen kann sich das Drehbuch nie entscheiden, ob nur David den Geist sehen soll, oder ob auch andere zu diesem zweifelhaften Vergnügen kommen. Im dritten Akt wird auch nicht klar, ob der Tote von David Besitz ergreift oder wieso andere plötzlich den Verstorbenen sehen, wenn sie auf David blicken. Und warum hat David plötzlich Kenntnisse über den Aufbewahrungsort der Leiche, die er gar nicht hätte haben dürfen?
Doch damit nicht genug. Die Geschichte selbst ist löchrig wie ein Schweizer Käse und weist Logikfehler auf, die kaum mehr fassbar sind. Zunächst ist da die „Geschäftspartnerin“ zu nennen, die dem „Captain“ in einer Szene einen Besuch abstattet. Ihre Figur ist für die Handlung völlig unnötig und dient offensichtlich nur dazu, den kurzen Rock und die langen Beine einer notgeilen Blondine vorzuführen. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Figur der Tochter, die – selbstverständlich! - ebenfalls blond ist. Ohne zu viel zu verraten, dient sie den Interessen ihres Vaters in einer Art und Weise, die schlicht und einfach nicht plausibel ist. Sogar eine leicht inzestuöse Note klingt in einer Szene an. Diese Figur driftet irgendwo zwischen Tochter, Ersatzfrau und Hure hin und her, ohne sich darum zu scheren, ob dies für den Zuschauer nachvollziehbar ist. Ferner macht es keinen Sinn, einen Leichnam praktisch in Griffweite zu deponieren, obwohl das Anwesen verkauft werden soll und es doch angeblich rund um das Camp nur so von Sümpfen wimmelt. Und dass sich das Hauptbeweisstück des Verbrechens an bzw. in diesem praktisch in Griffweite befindet. Der Oberhammer aber ist, dass doch tatsächlich ein Psychologe präsentiert wird, der auf Nachfrage der Insassen unumwunden zugibt, dieses Fachgebiet nicht studiert zu haben, und anschließend dennoch damit fortfährt, über die Kurierung einer Krankheit namens Homosexualität zu referieren – und dabei wie alle Erwachsenen im Camp eine Waffe am Gürtel trägt, die er sich mit Lichtgeschwindigkeit abnehmen lässt.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem – schon früh verratenen - Plan des „Captains“, die Insassen dazu zu missbrauchen, das ehemalige Gefängnis aufzumöbeln, um es später gewinnbringend zu verkaufen. Mal ehrlich: Wer sollte Interesse an einem hübsch hergerichteten Gefängnis haben? Und nebenbei ganz ketzerisch gefragt: Was ist dagegen zu sagen, wenn sich eine Anstalt ihrer eigenen Leute bedient, um sich herauszuputzen? Das machen Justizvollzugsanstalten auf der ganzen Welt seit je her. Im Gegenteil, die Steuerzahler würden Zeter und Mordio schreien, wenn Gefängnisse für Werkarbeiten bezahlen würden, die sie zu leisten selbst imstande sind. Der Unterschied ist hier nur, dass die Eltern dafür bezahlen, dass ihre Sprösslinge diese Leistungen erbringen dürfen. Aber hey: Das ist Marktwirtschaft! Übrig bleiben damit die Vorwürfe der Gewalt in den Anstalten auf der einen Seite und die Erziehungsunfähigkeit und –willigkeit der Eltern auf der anderen. Doch auf eine Aufarbeitung dieser Probleme verzichtet das Drehbuch großzügig zugunsten der dümmlichen Geistergeschichte. Und das alles nur, weil der Film nicht mehr als ein bis zwei Millionen Dollar kosten durfte.