Filmbetitelung ist eine Kunst – eine, die vor allem deutschen Verleihern mit ihren albernen Titelspielchen absolut unbekannt sein muss. Beim Selena-Gomez-Vehikel „Plötzlich Star" liegt aber nicht nur der deutsche Verleih-, sondern auch der amerikanische Originaltitel schräg: „Monte Carlo" gibt den Film nur insofern wieder, als dass die zweite Filmhälfte eben dort angesiedelt ist, ohne dass Regisseur Thomas Bezucha dem Schauplatz jemals mehr als eine Sequenz direkt aus dem Tourismus-Katalog entlehnter Hochglanz-Impressionen abgewinnen kann: Sonne, Meer, Yachten, Geldadel und dekadente Architektur.
Wo der Originaltitel lediglich bedeutungslos ist, führt der deutsche wiederum in die Irre. Denn Highschool-Absolventin Grace (Selena Gomez) wird auf ihrer lang herbeigesehnten Paris-Reise bei einer Verwechslung keineswegs für einen Star, sondern für eine Society-Schnecke, ein It-Girl gehalten. Und zwar für die Britin Cordelia Winthrop Scott, verwöhnte Tochter aus neureichem Hause. Zusammen mit ihrer Freundin Emma (Katie Cassidy) und ihrer neuen Stiefschwester Meg (Leighton Meester) wird sie ruckzuck via Privatflugzeug nach Monte Carlo verfrachtet, wo Cordelia auf einer Auktion eine Halskette zu wohltätigen Zwecken versteigern soll. Aufgeregt stürzen sich die drei jungen Texanerinnen ins Glamour-Treiben; Grace legt sich gar einen britischen Akzent zu – bis sie zu tief in die Situation verstrickt sind, um einfach wieder gehen zu können...
So sehr „Plötzlich Star" auch als leichtfüßige Komödie verkauft wird, so wenig zielt Regisseur Thomas Bezucha auf das komische Potential der Verwechslungsgeschichte ab – diese liefert eher die Grundlage für eigenartige, gelegentlich peinliche Notlagen, in die seine Protagonistinnen immer wieder schlittern. Vielmehr wird hier seichtes und biederes Romantic-Comedy-Handwerk mit keimfreier, konservativer Botschaft zelebriert. Hier ist bereits nach Sekunden klar, dass die drei jungen Damen ihr moralisch sauberes Glück trotz unterschiedlicher Verhaltensweisen und Erlebnisse schon finden werden. Die großmäulige und freiheitsliebende Emma sehnt sich eigentlich nach einem beschaulichen Heim und ihrem schlichten Provinz-Freund Owen (Cory Monteith), während Meg nach dem Tod ihrer Mutter von einem freigeistigen Weltenbummler (Luke Bracey) in die Welt zurück gelockt werden muss. Auf Grace kommen da schon etwas vertracktere Abenteuer zu, verliebt sich doch der Millionenerbe Theo (Pierre Boulanger) nicht in sie, sondern in Cordelia, die sie ja bloß impersonifiziert.
Graces Verwechslungs- und Liebesgeschichte ist kaum mehr als eine Variation der Erzählung vom Aschenputtel und ihrem Prinz (sprich: großbürgerlichen Erbe) für ein neureiches Publikum – ganz im Sinne des amerikanischen Traumes von allen Fragen sozialer Herkunft abgelöst, dabei aber eben auch frei von jedwedem Zauber. Die Ähnlichkeit des deutschen Verleihtitels zu „Plötzlich Prinzessin", dem milde erfolgreichen Film mit Anne Hathaway, ist sicher nicht unbeabsichtigt; in der aller Adelsfragen ledigen Bezucha-Version aber tritt vor allem eine merkwürdige Beliebigkeit zutage: Graces Geschichte handelt von einer ergriffenen Gelegenheit, nicht von erarbeitetem Erfolg.
Damit bedient „Plötzlich Star" vor allem die Bilderwelt einer spezifischen aber zahlreichen Zielgruppe weiblicher Teenager, die Glamour und Liebesglück per Zufall, manchmal auch Schicksal, erhoffen. Die drei Stars aus Produktionen des Disney-Channels (Gomez) sowie aus den CW-Serien „Gossip Girl" (Meester) und „Melrose Place" (Cassidy) sind in den USA enorm populär; eine Unbekannte dürfte Gomez auch hierzulande nicht mehr sein, seit sie angeblich mit Teenie-Popstar Justin Bieber liiert ist. Mit Paris liefert der zentrale Sehnsuchtsort romantischer Popkultur den Postkartenhintergrund für ein Drittel der Lauflänge – wobei der Eiffelturm äußerst penetrant in den Vordergrund gerückt wird.
„Plötzlich Star!" folgt ausgetretenen Pfaden ähnlich ausgerichteter Komödien und ist garantiert jugendfrei und im Einklang mit konservativen Familien(unterhaltungs)werten. Selbst die wenigen Momente, in denen Cordelia Winthrop Scott als eine Art europäische Paris Hilton eingeführt wird, beschränken sich auf zahmste Andeutungen. Das sonstige Liebesgemurmel bleibt nicht nur oberhalb der Gürtellinie, sondern gleich oberhalb der Schultern. Nur manchmal versucht Bezucha, der vor „Plötzlich Star" den unterhaltsameren „Die Familie Stone" inszeniert hatte, der Produktionen ein wenig Selbstironie einzuhauchen, einen vorsichtigen Kommentar dazu, wie wenig das neureiche USA vom Rest der Welt Notiz nimmt. Und wozu denn auch, wenn es in der eigenen Welt doch so wunderbar märchenhaft zugeht! „Plötzlich Star!" ist durchkalkuliert, oberflächlich, schrill, vor allem harmlos – und wird sein Publikum finden.