Vorneweg: Ich habe mir die um knapp 15-20 Minuten längere TV-Version angeguckt. Da mir diese schon an einigen Stellen inhaltlich zu lückenhaft erschien, kann ich allen, die sich auch für die Hintergründe interessieren, empfehlen diese Version(die auch auf DVD demnächst erhältlich sein wird)anzuschauen und auf die Kinofassung zu verzichten.
Nun zur Kritik:
"Der Baader-Meinhof-Komplex" setzt 1967 mit der brutalen Zerschlagung der Studentendemo während des Schahbesuchs und der Erschießung von Benno Ohnesorg an. Ich denke aber, dass man viel früher ansetzen müsste. Es geht ja primär um die RAF und ihren Gründerkern. Man sollte daher versuchen zu zeigen wie sich z.B. Baader und Ensslin langsam radikalisiert haben. 1967 waren beide eig schon radikal und waren gewillt Gewalt anzuwenden. Sie gehörten zu jener Zeit schon zum harten Kern an. Mich würde vielmehr interessieren wie sie sich in den Jahren zuvor verändert haben. Ensslin stammte beispielsweise aus einer Pfarrersfamilie. Da musste es schon viel früher arge Konflikte geben.
Ein weiterer Punkt im Film, der für mich zu oberflächlich behandelt wurde, ist der Beitritt von Meinhof in die RAF. Allein mit dem Sprung aus dem Fenster (als symbolischer Akt für die nun getroffene Entscheidung) bei der Befreiung Baaders ist es nicht getan. Was im Kopf Meinhofs in den Monaten zuvor vorging, wird kaum behandelt. Sie musste ja einen längeren entscheidungsprozess durchleben. Im Film wird nur gezeigt, wie sie bei den Demos dabei ist und dann später Ensslin interviewt. Ein richtiger Sinneswandel wird für den Zuschauer nicht ganz ersichtlich. Die Motivation der RAF und ihrer Mitglieder zu Beginn wird zu hohl behandelt. Gemeint sind damit Aussagen wie "...der imperialistische Krieg gegen Drittweltländer und die Ausbeutung des Proletariats". Da gibts noch mehr von im Film. Diese Parolen wirken zu gekünstelt und sind eher so, wie man sich Harcore-Kommunisten klischeehaft vorstellt. Ich glaub ihre Ideologie war doch schon etwas rhetorisch überzeugender, sonst wäre es zu der Terrorgruppe gar nicht gekommen (ist aber nur eine Vermutung, kenn die Fakten hierzu nicht genau).
Im Film folgen weitere lose aneinandergereihte Szenen, die zwar in der historischen Chronologie passen und richtig sind, aber wo auch oft die komplexen Hintergründe fehlen. Wie genau konnte die Polizei Baader die Falle stellen? Oder wie konnten die wenigen Leute um Baader herum Kontakt zu den Palästinensern aufnehmen und dort an einem Terrortraining teilnehmen? Das sind nur zwei kleine Beispiele, wo der Hintergrund und die Zusammenhänge hätten näher beleuchtet werden können.
Der Mittelteil des Films dreht sich um die Terroranschläge und hat, ungewöhlich für einen deutschen Film, einiges an Action zu bieten. Zu sehen sind auch einige doch recht blutige Szenen, die ich in der Form bei einer FSK-Freigabe ab 12 nicht erwartet hätte. Dem Film tut es aber gut, wie finde. Sicher wird an einigen Stellen auffallend viel geballert, aber sind es nach dem Film gerade diese Szenen, die im Kopf hängen bleiben.
Nachdem immer mehr Mitglieder des Gründerkerns gefasst werden, bildet sich die so genannte 2te Generation der RAF aus. Auch hier wird nicht ganz die Frage geklärt, wie es dazu genau kommt. Die Befreiung bzw. Freipressung von Baader, Meinhof und Co sowie deren Leben hinter Gitern steht im Mittelpunkt des letzten Filmteils. Hier wird der Film etwas langatmig und auch langweilig. Der Film endet mit der Ermordung Schleyers. Dazu muss ich sagen, dass die Zeit der Geiselnahme unerwähnt bleibt. Schade, eine nähere Beschäftigung mit dem Schicksal der Opfer wäre wünschenswert gewesen. Zudem hätte man den Film zumindest durch eine Texteinblendung am Ende abschliueßen können (es gab ja auch noch eine 3te Generation der RAF).
Ich habe bis hierhin einige Sachen angerissen, die man aus meiner Sicht hätte besser machen können. Insgesamt gesehen war der Film aber ganz gut(vor allem für eine deutsche Produktion mit, im Vergleich zu Hollywood, mageren 20 Mio. Euro-Budget). Viele bekannte Gesichter der deutschen Schauspielerzunft waren zu sehen, die ihre Arbeit ordentlich und meist glaubwürdig gemacht haben. Die Actionszenen und Terroranschläge waren samt Folgen sehr gut inszeniert. Ein Lob verdient der Mut die RAF-Thematik auf die Leinwand zu bringen, wofür es höchste Zeit war. Doch steckt mehr Potenzial in der RAF-Gschichte. Spätere Produktionen könnten sich auf kleinere Zeiträume oder spezielle Inhalte konzentrieren. "Der Baader-Meinhof-Komplex" deckt einen zu großen Zeitraum ab und reißt so zu viele Inhalte an, einge eben nur im Ansatz.
Insgesamt gibts trotz vieler Einwände von meiner Seite eine 7/10 für die über weite Strecken spannende und optisch gut inszenierte Chronik des Terrors.
P.S.: Warum musste im Film so extrem viel geraucht werden? Waren das alles Kettenraucher? Oder wollte jemand Schleichwerbung machen? Das nur mal so am Rande...