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    I Love You Phillip Morris
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    I Love You Phillip Morris
    Von Sascha Westphal

    Das Autorenduo Glenn Ficarra und John Requa, aus dessen Feder die Drehbücher zu Terry Zwigoffs zynischer Weihnachtskomödie „Bad Santa" und zu Richard Linklaters pseudo-anarchistischem Sportlerfilm „Die Bären sind los" stammen, weiß ganz genau, wie die amerikanische Medienwelt funktioniert. Gewisse Bilder und Themen sind nun einmal ein Garant für ein aufgeregtes Rauschen – im Blätterwald der traditionellen Printmedien genauso wie in dem virtuellen Resonanzraum namens Blogosphäre. Wenn Jim Carrey wie in Ficarras und Requas „I Love You Phillip Morris" wilden Sex mit einem anderen Mann hat, wird diese Szene zumindest in den Vereinigten Staaten so viel Aufsehen erregen, dass Filmemacher und Produzenten kaum noch einen weiteren Gedanken an sonstige Publicity-Kampagnen verschwenden müssen. Nur kann diese Art von Aufmerksamkeit auch zu einem Bumerang werden. In Amerika haben sich die Verleiher mit dieser sich so aggressiv romantisch gebenden Gaunerkomödie recht schwergetan. Homosexualität ist dort eben immer noch in vieler Hinsicht ein Tabu. Offensichtliche Provokationen können eben in verschiedene Richtungen wirken. Außerdem entwickeln sie sehr leicht eine Art Eigenleben und überwuchern dann im Handumdrehen den ganzen Film.

    Steven Russell (Jim Carrey) ist eine echte Stütze der Gesellschaft, zumindest nach Außen hin. Als Polizist sorgt er für Ruhe und Ordnung in seiner Heimat, einer kleinen, sehr christlichen Stadt im tiefsten Georgia. Zudem ist seine Frau Debbie (Leslie Mann) ein überaus engagiertes Mitglied der Kirchengemeinde. Angesichts eines so mustergültigen Lebens, zu dem natürlich auch noch ein Kind gehört, interessiert es keinen, dass Steven einst adoptiert wurde und niemand weiß, wo er herkommt. Aber ihm lässt diese Frage keine Ruhe. Also begibt er sich auf die Suche nach seiner richtigen Mutter. Als er sie findet, weist sie ihn erneut zurück. Nun hält ihn, der seine Homosexualität vor allen erfolgreich verborgen hat, nichts mehr in seiner Heimatstadt. Sein Leben dort war immer schon eine Lüge. Zunächst zieht er zusammen mit seiner Familie nach Texas, aber irgendwann wird ihm auch diese Fassade zu viel. Also stürzt er sich in die Schwulenszene von Miami und in betrügerische Geschäfte, die ihn ins Gefängnis bringen, wo er auf Phillip Morris (Ewan McGregor) und damit auf die Liebe seines Lebens trifft...

    „I Love You Phillip Morris" basiert – das betonen Glenn Ficarra und John Requa ganz ausdrücklich – auf wahren Ereignissen. So unwahrscheinlich die Lebensgesichte des begnadeten Hochstaplers Steven Russell auch klingt, sie wurde – wenigstens in groben Zügen – vom Leben selbst geschrieben. Stevens Betrügereien – er steigt in die Führungsetage eines großen Unternehmens auf, kann als Verteidiger seinen Freund vor Gericht vertreten und inszeniert sogar seinen AIDS-Tod – sind genauso authentisch wie seine zahlreichen Gefängnisausbrüche. Als notorischer Lügner, der letztlich gar nicht mehr weiß, wer er selbst ist, und folglich nicht in der Lage ist, auf Dauer ein normales Leben zu führen, erinnert er deutlich an Leonardo DiCaprios Frank Abagnale Jr. aus Steven Spielbergs grandioser Kriminal-Komödie „Catch Me If You Can". Nur fehlt Jim Carrey eben dieser unwiderstehliche Jungen-Charme, der DiCaprios Betrüger so liebenswert machte.

    Carrey hält sich ungeheuer zurück. Sein Porträt dieses innerlich zutiefst verletzten Mannes, der letzten Endes selbst die Liebe zerstören muss, die ihm mehr als alles andere bedeutet, gehört zweifellos zu seinen präzisesten und feinfühligsten Performances. Aber das reicht trotz allem nicht. Die Naivität und Unbekümmertheit, die genauso Teil von Russells Persönlichkeit sind wie sein Liebesbedürfnis und seine Sehnsucht nach großen romantischen Gesten, wirken aufgesetzt. Die Aura der Unschuld, die DiCaprio verströmte und seinem Frank Abagnale einen tragischen Zug verlieh, lässt sich nicht durch Schauspieltechniken erzeugen. Sie ist entweder da, oder eben nicht. Carreys Darstellung fehlt sie ganz.

    Trotzdem scheitert „I Love You Phillip Morris" nicht an seinem Star und auch nicht an der eindimensionalen, beinahe schon langweiligen Sanftheit seines Co-Stars. Carrey und auch Ewan McGregor, der hier eine wahrhaft undankbare Rolle hat – dieser Phillip Morris ist einfach ein viel zu passiver, sich alleine im Leiden erschöpfender Charakter –, mühen sich nach Kräften ab und haben gemeinsam sogar einige wirklich anrührende Szenen. Vor allem die ersten Begegnungen der beiden im Gefängnis verströmen eine ganz und gar wahrhaftige Romantik, die angesichts der Umgebung umso zauberhafter wirkt. Doch diese Augenblicke echten Gefühls bleiben innerhalb des Films fast so etwas wie Abfallprodukte. Die eigentliche Strategie der beiden Regiedebütanten hat mit Emotionen nichts – oder nur sehr wenig – im Sinn.

    Angesichts der Aufregung, die vor allem die frühe Sexszene zwischen Carrey und einem Fremden in Amerika provoziert hat, sind Glenn Ficarra und John Requa schnell in die Offensive gegangen. Nun betonen sie immer wieder, dass die Romanze zwischen Steven und Phillip einfach eine große Liebesgeschichte sei, die letztlich unabhängig von der sexuellen Orientierung der beiden Liebenden ist. Im Prinzip stimmt das auch. Nur haben die beiden sie nicht so inszeniert. Eigentlich haben sie diese moderne Tragikomödie gar nicht wie eine Liebesgeschichte inszeniert. Dafür waren den beiden ihre filmischen Taschenspielertricks einfach zu wichtig. Im Endeffekt ähneln Ficarra und Requa also ihrem Anti-Helden.

    So wie Steven Russell eigentlich nur sich selbst liebt, die Projektion einer märchenhaften Liebe bedeutet ihm mehr als Phillips Gefühle, berauschen sich die beiden Filmemacher an einem Feuerwerk dramaturgischer und erzählerischer Kniffe. Immer wieder gaukeln sie dem Publikum etwas vor, um dann dessen Erwartungen auf den Kopf zu stellen. Das ist schon so am Anfang in eben dieser Sexszene, die mit der Gewissheit des Zuschauers spielt, dass dort oben auf der Leinwand Steven und seine Frau miteinander schlafen. Diese kleinen Tricks, die im Prinzip durchaus auch eine Einheit von Form und Inhalt signalisieren könnten, werden nach und nach zu einer reinen Masche, die den Blick auf die Figuren und ihr Schicksal gänzlich verstellt.

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