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    Selbst ist die Braut
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Selbst ist die Braut
    Von Daniela Leistikow

    Johnny Depp, Hugh Jackman, Brad Pitt, Hugh Grant, George Clooney und Clive Owen sind allesamt jenseits der 40. Wer soll in Hollywood eigentlich in Zukunft in die Rolle des Leading Man schlüpfen? Zwischen richtigen Männern und Jungspunden wie Zac Efron (17 Again) und Robert Pattinson (Twilight) klafft eine riesige Lücke, die sich nur schwerlich mit Tobey Maguire (1975 geboren, Spider-Man) und James McAvoy (Baujahr 1979, Abbitte) füllen lässt – die sind dann doch eher süß als sexy. Zum Glück gibt es noch Ryan Reynolds (Jahrgang 1976), der in „Selbst ist die Braut“ mit spitzbübischem Grinsen und Sixpack an der Seite der zwölf Jahre älteren Sandra Bullock überzeugt. Einzig der stimmigen Chemie der beiden Stars ist es zu verdanken, dass die romantische Komödie nicht ebenso langweilig ist, wie Anne Fletchers erste Rom-Com 27 Dresses.

    Verlagschefin Margaret (Sandra Bullock, Speed, Das Haus am See) gilt in der Firma als kaltherzige Hexe, die ihre Angestellten, besonders Assistent Andrew (Ryan Reynolds, Vielleicht, vielleicht auch nicht, Smokin‘ Aces), wie Sklaven behandelt. Als Margarets Anwälte der Kanadierin klar machen, dass ihr Visum abgelaufen ist, erpresst das Oberbiest kurzerhand ein Hochzeitsversprechen von Andrew. Sollte er das Ja-Wort verweigern, droht Margaret, seine Karriere zu zerstören. Geht er die Scheinehe mit seiner Chefin ein und führt den Beamten der Einwanderungsbehörde (Denis O’Hare, Michael Clayton, Duplicity) erfolgreich hinters Licht, befördert sie ihn zum Redakteur. Wenige Stunden später befinden sich die beiden auf dem Weg nach Alaska, wo Andrews schrullige Familie die spröde Schönheit mit offenen Armen empfängt und schon eine Überraschungs-Hochzeit plant...

    Anne Fletcher sitzt erst seit kurzem auf dem Regiestuhl: Bei Step Up zeichnete die Choreographin und Tänzerin, die die rhythmischen Bewegungen für Oscar-nominierte Produktionen wie Paul Thomas Andersons Boogie Nights entwarf, für Regie und Tanzperformances verantwortlich. Bei 27 Dresses konzentrierte sich Fletcher dann völlig auf die Regie, mit mäßigem Erfolg. Weil sie diesmal mehr Glück mit ihrem Cast hat, entwickelt „Selbst ist die Braut“ trotz einiger arg abgegriffener Gags einen erstaunlichen Charme und Witz, der die ansonsten nach Schema F gestrickte Rom-Com etwas vom Einheitsbrei abhebt.

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    Drehbuch-Debütant Pete Chiarellis Drehbuch ist garantiert nicht der Grund dafür, warum „Selbst ist die Braut“ bei Zuschauern und Kritikern besser wegkommen wird, als zuletzt 27 Dresses. Dass Chiarelli sich anscheinend von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ inspirieren ließ, ist an sich kein schlechtes Vorzeichen: Karen McCullah Lutz (Natürlich blond) und Kirsten Smith haben in „10 Dinge, die ich an dir hasse“ gezeigt, wie es geht. Abgesehen von vielen lahmen Gags nervt vor allem folgendes: der scharfe Kontrast, den der Drehbuchautor zwischen der anfangs hassenswerten Karrierefrau und den allerliebsten Hausfrauen, Kindergärtnerinnern und Starbucks-Bedienungen herstellt, würde Alice Schwarzer die Wände hochtreiben. Wenn die Büromeute Andrew gegen Ende anfeuert, Margaret zu zeigen, wer hier der Boss ist, dürfte das allerdings auch weniger feministischen Frauen negativ auffallen.

    Die Story von „Selbst ist die Braut“ ist - wie im Genre üblich - hochgradig vorhersehbar. Was passieren wird, ist von Anfang an klar. Aber dass es uns interessiert, wie es dazu kommen wird, liegt allein am komödiantischen Talent der Protagonisten. Schauspielerische Qualitäten, Timing und Chemie stimmen einfach. Und ein dermaßen knackiger Körper, wie ihn Reynolds schon in X-Men Origins: Wolverine zur Schau stellte, schadet niemals, wenn es darum geht, Schwärme von Frauen ins Kino zu locken. Dass Sandra Bullock vor kurzem sagte, sie würde Reynolds‘ Aussehen auf einer Skala von 1 bis 10 eine vier geben, weil er „schönheitsoperiert, zu gebräunt und wabbelig am Bauch“ sei, ist typisch für den Humor der 1964 geborenen.

    Dazu sorgt Ex-Golden-Girl Betty White als Andrews 90-jährige Oma für gleichermaßen bizarre wie warmherzige Momente. Oscar Nunez (bekannt aus der Hit-Serie „The Office“) ist auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise der wohl unerotischste käufliche Mann seit Deuce Bigalow: European Gigalo, nimmt sich aber abgesehen von dieser Szene wohltuend zurück. Das pittoreske Städtchen Sitka ist eine von Kameramann Oliver Stapelton (Gottes Werk und Teufels Beitrag) perfekt montierte Collage aus verschiedenen Drehorten in Massachusetts, die den Romantik-Faktor um ein Vielfaches potenziert. Die Musik ist jedoch entgegen der Erwartungen an ein veritables Chick-Flick eher trashig als Tränen-provozierend.

    Fazit: Fletcher, Chiarelli und Co. machen bei weitem nicht alles richtig. Der Humor in „Selbst ist die Braut“ orientiert sich an Altbewährtem und ist trotz viele Lacher zu keinem Zeitpunkt originell. Die Story bleibt vorhersehbar und voller altmodischer Klischees. Aber das hervorragende Zusammenspiel der Zugpferde Sandra Bullock und Ryan Reynolds vermag über viele dieser Mängel hinwegzutrösten. Wenn in naher Zukunft der Bart der Gags allerdings genauso lang sein sollte, wie der der überreifen Schauspieler, leiht man sich wohl besser zum 1.000 Mal Vier Hochzeiten und ein Todesfall in der Videothek aus.

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