„Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ von Anne Fontaine bildet den Auftakt einer ganzen Reihe von Filmen, die sich in nächster Zeit mit dem Leben der Modeschöpferin Gabrielle „Coco“ Chanel auseinandersetzen werden; Coco Chanel & Igor Stravinsky von Jan Kounen ist der namhafteste unter ihnen. In Fontaines Film wird die zum Sinnbild der modernen Frau avancierte Chanel von Audrey Tautou (Zusammen ist man weniger allein) gespielt, die sich mit dieser Glanzleistung hoffentlich endgültig von ihrem leidigen Die fabelhafte Welt der Amélie-Image emanzipieren kann. Tautous Darstellung und die schnörkellose Inszenierung Fontaines (Das Mädchen aus Monaco) sind es nämlich, die „Coco Chanel“ zu einem rundum gelungenen Biopic machen.
Das Waisenkind Gabrielle Chanel tritt gemeinsam mit ihrer Schwester Adrienne (Marie Gillain) in Spelunken mit einer frivolen Tanz- und Gesangsnummer auf, daneben arbeitet sie noch als Näherin. Als sie den ebenso charmanten wie bisweilen widerwärtigen Offizier Etienne Balsan (Benoit Poelvoorde, Asterix bei den Olympischen Spielen) kennenlernt, zieht sie zu ihm auf seinen Landsitz in der Nähe von Paris und wird eine seiner vielen Frauen. Die ernste, introvertierte, aber dennoch schlagfertige Gabrielle verbringt eine ganze Weile mit dem Lebemann und seinen Gespielinnen – auf der Pferderennbahn, im Blumenzimmer und auf luxuriösen Gartenpartys. Als sie auf einer solchen Feier einen englischen Geschäftsmann trifft, verliebt sie sich. Dazwischen experimentiert sie mit ihrer Kleidung, zieht sich Männersachen an, entfernt unnötigen Pomp von ihren Kleidern und legt so den Grundstein für ihren späteren Erfolg im Modebusiness…
Anne Fontaine folgt dramaturgisch dem gängigen Biopic-Schema, beginnt also am Anfang, hält bei wichtigen Stationen und Wendepunkten kurz inne und kleidet die wahre Lebensgeschichte in das Gewand einer spannenden Kinostory. Der Fokus liegt dabei auf den frühen Jahren Chanels, ihrem Werdegang und den Wurzeln ihres Erfolgs – der Durchbruch selbst bildet dann nur den Höhepunkt. Iim Original heißt der Film daher sinnigerweise auch „Coco Avant Chanel“, also „Coco vor Chanel“. Formale Experimente wie etwa in Todd Haynes' Bob-Dylan-Biopic I'm Not There oder Steven Soderberghs Che finden sich in Fontaines Film nicht. Zu etwas Besonderem wird die Film-Biographie vielmehr durch die immense handwerkliche Kompetenz, die sich in einem rhythmisch einwandfreien Erzählfluss, der exakten Kameraarbeit, der klugen Montage und den oft humorvollen, ironisch-gebrochenen Dialogen offenbart. Und genau wie die funktionale, schlichte Mode Coco Chanels verzichtet auch Fontaine auf jeglichen Firlefanz.
Und dann ist da noch Audrey Tautou, der große Glücksfall des Films. Ihr gelingt es, die Eleganz und das strenge Wesen Chanels zu transportieren, ihre Konzentriertheit, ihre Stärke, aber auch ihre Zerbrechlichkeit. Sie belässt ihrer Figur die mythische Aura des Urbildes der modernen Frau und schafft zugleich Raum für die Schwächen Chanels. Denn wenngleich diese ihrer Zeit weit voraus war, gelang es ihr nicht immer, sich von den Zwängen der selbigen zu befreien. Die einfache Gleichung, dass Coco Chanel mit dem Korsett unter ihrem Abendkleid unmittelbar auch das Korsett der Gesellschaft abgestreift habe, ist eben historisch nicht ganz korrekt und die Filmemacher tun gut daran, auch diesen Aspekt angemessen zu berücksichtigen und nicht in eine erstarrte Bewunderung zu verfallen.