Das Jahr 2000: Die USA sind nach einer Finanzkrise und einem Militärputsch am Boden, Faschisten haben die Macht übernommen. Um die gewaltgierige Masse zu befriedigen, wird jedes Jahr ein transkontinentales Todesrennen von New York nach Los Angeles veranstaltet. Doch das ist nicht irgendein lahmes Rennen. Unterwegs gilt es, fleißig Punkte zu sammeln – für überfahrene Passanten. Kinder sind wertvoll, sie bringen viele Zähler, nur für Omis und Opis über 75 kassieren die Racer noch mehr Punkte. Wer glaubt, dass sich Paul W.S. Anderson an solch eine brisante Thematik traut, befindet sich selbstverständlich auf dem Holzweg. Sein B-Actioner „Death Race“ ist kein Eins-zu-eins-Remake des von Roger Corman produzierten Trashkultfilms „Frankensteins Todesrennen“ (OT: „Death Race 2000“), dessen beschriebener Inhalt keinem Massenpublikum der Gegenwart zugemutet werden kann. Doch Andersons freie Neuauflage schwimmt sich selbstbewusst frei und glänzt mit eigenen Qualitäten. „Death Race“ ist ein sinnfreier, primitiver No Brainer, der ungemein sexy aussieht und mit spektakulären Stunts aufwartet – andererseits aber auch so ziemlich jedes B-Movie-Klischee erfüllt.
USA, 2012. Die Welt stürzt nach dem wirtschaftlichen Kollaps ins Chaos. Große Konzerne regieren in ihrem puren Profitstreben ohne Rücksicht auf Verluste. Die Kriminalitätsrate steigt in astronomische Höhen, Arbeitslosigkeit grassiert weltweit wie ein Virus. Das Motto „Brot und Spiele“ ist wieder modern geworden. Tödliche Cage-Fights langweilen die Menschen bereits. Doch auf Terminal Island, der härtesten Gefängnisinsel der Welt, steigt seit einiger Zeit ein neues Spektakel: das Death Race. Live im Internet gegen eine satte Gebühr aus allen erdenklichen Kameraperspektiven übertragen, locken diese Todesrennen, denen sich ausgewählte Häftlinge stellen, Millionen zahlende Kunden an. Durch eine Intrige findet sich der redlich gewordene Ex-Knacki und Speedway-Champion Jensen Ames (Jason Statham) im Insel-Knast wieder. Er soll seine Frau Suzy (Janaya Stephens) bestialisch ermordet haben. Auf Terminal Island führt die Gefängnisdirektorin Hennessey (Joan Allen) ein brutales Regiment und wird so selbst von den finstersten Insassen gefürchtet. Ames soll im Auftrag Hennesseys in die Rolle des maskierten Rennfahrers Frankenstein schlüpfen. Er ist die Attraktion der Show, keiner kennt sein Gesicht und er braucht nur noch einen Sieg für die Freiheit. Nach fünf gewonnenen Rennen steht ihm nämlich die Entlassung zu. Doch Ames‘ Frankenstein-Vorgänger (David Carradine) hat es nach vier Erfolgen zerrissen. Widerwillig lässt sich Ames auf das Himmelfahrtskommando ein…
Bei Paul W.S. Andersons „Death Race“ von einem Remake von Paul Bartels „Frankensteins Todesrennen“ (1975) zu sprechen, ist gewagt, da sich die Werke wie Tag und Nacht unterscheiden und völlig andere Schwerpunkte setzen. Lediglich die Grundzüge des Todesrennens sowie die Figur des Fahrers Frankenstein stimmen noch überein. Anderson macht das einzig Sinnvolle. Die von Roger Corman protegierte Trashgranate heute eins zu eins neu zu verfilmen, wäre Unfug, da sich Kult in der Regel nun mal nicht wiederholen lässt. Zudem bringt der Major-Verleih Universal sicher keinen Film groß in die Kinos, in dem es für das Überfahren von Kindern und alten Menschen Extrapunkte gibt.
„Okay, cocksucker. Fuck with me and we’ll see, who shits on the sidewalk.“ – Gefängnisdirektorin Hennessey
Anderson (Resident Evil, Alien Vs. Predator, Event Horizon) streicht die satirischen Elemente der Vorlage komplett und gestaltet sein „Death Race“ als Testosteron-triefendes, postapokalyptisches Action-Inferno, das immer dann richtig Spaß macht, wenn die Protagonisten ihre Klappe halten und hinterm Steuer Vollgas geben, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Rest ist nicht der Rede wert. Ohne auf seinem Regiestuhl auch nur rot zu werden, klatscht Anderson ein Klischee an das nächste. Es hat den Anschein, dass er das müde Zusammensetzen der Versatzstücke zelebriert, weil er weiß, dass es für das Funktionieren des Films eh unerheblich ist. „Death Race“ bekennt sich offen zu seinen Exploitation-Wurzeln.
Paul Haslingers (Prom Night, Motel, Crank) treibender Score ist der Treibstoff des Films – omnipräsent peitscht er die Action voran. Obwohl „Death Race“ nicht auf einem Videospiel basiert, erweckt das Werk den Eindruck. Bei den Todesrennen können durch Überfahren von Symbolen schwere Waffen zugeschaltet oder Abwehrmechanismen eingeleitet werden. Ein Feld von gut einem Dutzend Fahrern reduziert sich in drei Etappen, bis es am Ende Mann gegen Mann geht – und laut den Regeln darf nur einer überleben. Das Rennen ist das ungekrönte Prunkstück von Andersons rasender Inszenierung. In ihren in Mad Max-Manier aufgeblasenen Outlaw-Boliden bekämpfen sich die Knastis bis aufs Blut. Für Charakterzeichnung bleibt da natürlich kein Platz. Folglich geht es auch gleich mit einem vor Action berstenden Prolog in die Vollen. Hier spricht mit David Carradine (Hexenkessel, Kill Bill, American Monster) übrigens der Frankenstein aus dem 1975er-Original jenen Frankenstein, der in der Neuauflage unfreiwillig seinen Abschied einreicht. Logisch hinterfragt werden sollte das alles besser nicht. 17 Millionen Zuschauer, die bis zu 250 Dollar für den Internet-Livestream bezahlen… kein schlechter Umsatz. Aber wer weiß, vielleicht hat der US-Dollar 2012 auch den Kurswert der ehemaligen italienischen Lira erreicht. Die unzerstörbaren Reifen, wahrscheinlich aus einer Vollgummi-Titan-Legierung, sind ein Geheimtipp für alle zukünftigen Motorsportevents. Aber egal, sowas spielt keine Rolle, bei „Death Race“ besteht an der Kinokasse sowieso Gehirnabgabepflicht.
Schauspielerisch gefordert wird naturgemäß wenig. Aber damit hat die B-Action-Ikone Jason Statham (Crank, The Transporter, Bank Job, War) wahrlich kein Problem. Er brummt seine knurrigen Oneliner in die Kamera und stellt ansonsten seine Coolness und seinen perfekten Stahlkörper zur Schau. Sein Gegenpart ist mit Charakterschauspielerin Joan Allen (Der Eissturm, Nixon, Das Bourne Ultimatum) überraschend hochkarätig besetzt. Allen hat an ihrer Bitch-Rolle sichtlich Spaß und lässt gehörig die Sau raus. Als effektives Eye-Candy wird Natalie Martinez aufgetischt. Ihre aufkeimende Liebesgeschichte mit Statham wirkt allerdings arg unmotiviert. Mit Tyrese Gibson (Vier Brüder, Transformers, 2 Fast 2 Furious) ist auch Stathams Hauptkonkurrent mit Charisma gesegnet.
Fazit: „Death Race“ ist krachendes B-Movie-Action-Kino ohne die Lizenz zum Nachdenken. Wer sein Hirn einmal gepflegt mit spektakulärem Nonsens durchpusten lassen möchte, sollte ein Kinoticket lösen. Der Film hat zwar keinen Sinn oder Verstand, aber er rockt…